Einsicht der Presse in Grundbücher und Grundakten
BGH, Beschl. v. 17. 8. 2011 − V ZB 47/11
Der BGH hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass die Presse unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf uneingeschränkte Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten eines Grundstücks haben kann. Das ist besonders relevant, wenn es um Personen des öffentlichen Lebens geht.
Das Grundbuch ist ein öffentliches Register, das die Eigentumsverhältnisse und die Belastungen (wie Hypotheken, Grundschulden oder Wegerechte) von Grundstücken dokumentiert. Es dient in erster Linie der Sicherheit im Rechtsverkehr.
Die Grundakten enthalten die zu den Eintragungen im Grundbuch gehörenden Urkunden und Schriftstücke (z. B. Kaufverträge, Bewilligungen), die die Grundlage für die Eintragungen bilden.
Die Einsicht in das Grundbuch (§ 12 Abs. 1 S. 1 GBO) und die Grundakten (§ 46 Abs. 1 GBV) ist nicht jedermann gestattet. Man benötigt ein „berechtigtes Interesse“.
Das berechtigte Interesse diente ursprünglich dazu, den allgemeinen Rechtsverkehr mit Grundstücken zu schützen. Wer ein Grundstück kaufen oder sich daran absichern will, hat ein solches Interesse.
Die Eintragungen enthalten personenbezogene Daten. Die Beschränkung schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der eingetragenen Eigentümer und anderer Berechtigter.
Der BGH bestätigte eine frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG): Das „berechtigte Interesse“ kann auch durch das Informationsinteresse der Presse begründet werden.
Das Recht der Presse auf Information fällt unter den Schutz der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und dient der publizistischen Vorbereitung.
Die Presse hat dann ein vorrangiges Interesse, wenn es sich um eine Frage handelt, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht.
Das war der Fall, weil es um den Verdacht ging, ein bekannter Politiker habe beim Grundstückskauf finanzielle Vorteile von einem bekannten Unternehmer erhalten – eine Recherche, die einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient. Das Interesse an der Aufklärung öffentlicher Angelegenheiten überwiegt hier das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen.
Das Interesse muss sich auf eine ernsthafte Recherche beziehen und darf nicht nur der Befriedigung von reiner Neugierde oder Sensationslust dienen.
Keine Zensur durch das Grundbuchamt
Ein wesentlicher Punkt des BGH-Beschlusses ist der Umfang der Einsichtnahme.
Die Presse hat ein Recht auf gesamte Einsicht in das vollständige Grundbuch und die gesamten Grundakten, nicht nur in bestimmte Teile (z. B. nur die Abteilung über Grundschulden).
Weder das Grundbuchamt noch die Gerichte dürfen entscheiden, welche Teile der Information für die Recherche relevant sind. Eine solche Vorauswahl käme einer unzulässigen Zensur gleich.
Die Presse muss sich die Informationen oft „mosaiksteinartig“ erschließen. Einzelne Eintragungen, die isoliert wenig aussagen, können in der Zusammenschau mit anderen Umständen sehr wohl für die Recherche von Bedeutung sein.
Die Presse muss auch nicht nachweisen, dass die Grundbucheinsicht die einzige Möglichkeit ist, an die Informationen zu gelangen (keine „zwingende“ Notwendigkeit).
Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Grundakten.
Das berechtigte Informationsinteresse der Presse erstreckt sich auch auf die Akten.
Auch wenn Grundakten oft mehr Details über die persönlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse enthalten, tritt das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse in den Hintergrund.
Der BGH stärkt mit diesem Urteil die Pressefreiheit als eine der tragenden Säulen der Demokratie. Er bekräftigt, dass die Presse zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe (Kontrolle und Information) auch Zugang zu öffentlichen Registern wie dem Grundbuch erhält, selbst wenn dies die Rechte eingetragener Personen berührt, solange ein wesentliches öffentliches Interesse an der Berichterstattung besteht.
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