Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins – Ausschlagung der Erbschaft – OLG Rostock Beschluss vom 14.09.2011 – 3 W 118/10

Juni 4, 2020

Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins – Ausschlagung der Erbschaft – OLG Rostock Beschluss vom 14.09.2011 – 3 W 118/10

Zusammenfassung RA und Notar Krau


Tenor


Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stralsund – Nachlassgericht – vom 17.05.2010 wird zurückgewiesen.


Die Beteiligte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.


Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000,00 €


Der Antrag der Beteiligten zu 1., ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.


Gründe


I. Sachverhalt


Der Erblasser verstarb am 24.02.2009. Die Ehefrau des Erblassers (Beteiligte zu 2.) beantragte am 03.12.2009 einen Erbschein auf gesetzlicher Erbfolge für die Beteiligten zu 1. bis 4., der am 11.01.2010 erteilt wurde.

Am 08.02.2010 schlug die Beteiligte zu 1. das Erbe aus und focht die Ausschlagungsfrist an, da sie von den Schulden des Erblassers nichts gewusst habe.

Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins – Ausschlagung der Erbschaft – OLG Rostock Beschluss vom 14.09.2011 – 3 W 118/10

Die Beteiligten zu 2. und 3. erklärten beim Amtsgericht Stralsund, dass die Beteiligte zu 1. über die Schulden informiert gewesen sei.

Die Beteiligte zu 1. beantragte am 11.03.2010 die Einziehung des Erbscheins und Prozesskostenhilfe. Das Amtsgericht wies diesen Antrag am 17.05.2010 zurück.

II. Rechtliche Würdigung


Erbscheinseinziehung nach § 2361 BGB

Ein Erbschein ist einzuziehen, wenn er unrichtig ist.

Hier liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da die Beteiligte zu 1. die Erbschaft nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB ausgeschlagen hat.

Ausschlagungsfrist nach § 1944 BGB

Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen ab Kenntnis des Anfalls und des Berufungsgrundes.

Die Beteiligte zu 1. war vom Tod des Erblassers und ihrer Erbenstellung informiert, weshalb die Frist längst abgelaufen war. Ein Irrtum über die Höhe des Nachlasses hindert den Fristablauf nicht.

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Anfechtung der Fristversäumung nach § 1956 BGB

Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann wegen Irrtums angefochten werden. Hierfür muss der Anfechtungsgrund innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis erklärt werden, was die Beteiligte zu 1. formgerecht tat.

a. Irrtum über die Ausschlagungsfrist und ihre Folgen

Ein solcher Irrtum berechtigt zur Anfechtung, wenn kein Annahmewille vorlag.

Die Beteiligte zu 1. behauptete, sie sei über die Schulden erst nach Ablauf der Frist informiert worden.

Da sie jedoch bis zum 30.01.2010 davon ausging, ca. 10.000 € zu erben, zeigt dies ihren Erbwillen und schließt einen Irrtum über die Frist aus.

b. Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB

Eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ist möglich, wenn die Überschuldung des Nachlasses eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt.

Die Beteiligte zu 1. legte jedoch keinen Kausalzusammenhang dar, da ihr der Bestand des Nachlasses gleichgültig war.

Sie hatte keinerlei Nachforschungen angestellt und wollte auf ihr Erbe verzichten, was zeigt, dass der Umfang des Nachlasses für ihre Entscheidung nicht relevant war.

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III. Prozesskostenhilfe


Da der Hauptantrag keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte, wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.

IV. Kostenentscheidung


Die Kostenentscheidung basiert auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO und § 84 FamFG.

Der Gegenstandswert wurde gemäß §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO festgelegt.

Zusammenfassung


Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stralsund wurde zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1. hatte das Erbe nicht fristgerecht ausgeschlagen und konnte die Fristversäumung nicht erfolgreich anfechten.

Weder ein Irrtum über die Ausschlagungsfrist noch ein Eigenschaftsirrtum lagen vor.

Daher war der Erbschein nicht unrichtig, und Prozesskostenhilfe wurde nicht bewilligt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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