Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung

Juni 9, 2025

Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung

OLG Brandenburg 4 U 134/20

RA und Notar Krau

Worum ging es in diesem Fall?

Dieser Gerichtsfall dreht sich um eine GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und zwei ihrer Gesellschafter, die auch Geschäftsführer waren oder sein wollten. Der Kläger und T… K… waren beide zu gleichen Teilen Gesellschafter der Beklagten, einer GmbH.

Der Kläger war bis Februar 2018 Geschäftsführer der GmbH. Dann kam es zu Auseinandersetzungen:

  1. Beschlüsse vom 26. Februar und 1. März 2018: In Gesellschafterversammlungen wurde entschieden, dem Kläger seinen Geschäftsanteil zu entziehen und ihn als Geschäftsführer abzuberufen. T… K… wurde stattdessen zum Geschäftsführer ernannt.
  2. Beschluss vom 23. Mai 2018: Der Kläger, der die vorherigen Beschlüsse für ungültig hielt, berief eine weitere Gesellschafterversammlung ein. Dort wurde beschlossen, die Geschäftsanteile von T… K… einzuziehen.

Der Kläger zog vor Gericht. Er wollte erreichen, dass die Gerichte feststellen, dass der Beschluss vom 23. Mai 2018 (Einziehung der Anteile von T… K…) wirksam ist. Er meinte, dies sei nötig, damit er die Geschäfte der Gesellschaft vernünftig weiterführen und Schaden abwenden könne.

Die Beklagte (die GmbH, hier vertreten durch T… K…) war dagegen. Sie argumentierte, dass der Kläger nicht das Recht habe, diese Feststellungsklage zu erheben. Außerdem sei der Fall doppelt anhängig, da T… K… bereits selbst eine Klage gegen die Beschlüsse vom 23. Mai 2018 eingereicht habe.


Was hat das Landgericht entschieden?

Das Landgericht Potsdam gab dem Kläger in vollem Umfang Recht. Es stellte fest, dass die Beschlüsse vom 26. Februar und 1. März 2018 (Abberufung des Klägers) unwirksam waren, weil es schwerwiegende Fehler bei der Einladung zur Versammlung gab.

Wichtiger für dieses Berufungsverfahren: Das Landgericht entschied auch, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse daran hatte, die Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. Mai 2018 (Einziehung der Anteile von T… K…) feststellen zu lassen. Das Landgericht meinte, wenn dieser Beschluss wirksam wäre, wäre der Kläger alleiniger Gesellschafter und könnte die Gesellschaft weiterführen. Es stellte auch fest, dass der Kläger die Gesellschafterversammlung am 23. Mai 2018 ordnungsgemäß einberufen hatte und Gründe für die Einziehung der Anteile von T… K… vorlagen.

Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung


Was hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg entschieden?

Die Beklagte legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein. Im Berufungsverfahren zog die Beklagte einen Teil ihrer Berufung zurück. Es ging am Ende nur noch um die Frage, ob der Beschluss vom 23. Mai 2018 (Einziehung der Anteile von T… K…) wirksam ist.

Das OLG Brandenburg gab der Beklagten Recht und änderte das Urteil des Landgerichts ab. Es wies die Klage des Klägers ab, soweit sie die Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. Mai 2018 betraf.

Warum? Das OLG erklärte:

  1. Kein Feststellungsinteresse des Klägers: Für eine solche Klage (Feststellung der Wirksamkeit eines Beschlusses) braucht der Kläger ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an einer sofortigen Klärung. Das OLG fand, dass ein solches Interesse hier fehlte.
    • Auch wenn die Wirksamkeit des Beschlusses die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien betreffen würde, weil der Kläger dann Alleingesellschafter wäre, reicht das nicht aus.
    • Ein Feststellungsinteresse muss auch gegenüber dem Beklagten (hier der GmbH) bestehen. Das OLG konnte nicht erkennen, dass die GmbH ernsthaft bestreitet, dass ihr eigener Beschluss vom 23. Mai 2018 wirksam ist. Wenn der Kläger regulär Geschäftsführer wäre, könnte er diese Klage gegen die Gesellschaft, die er selbst vertritt, gar nicht erheben. Die besondere Situation in diesem Prozess, wo die GmbH durch T… K… vertreten wird, reicht nicht aus, um ein Feststellungsinteresse zu begründen.
  2. Bereits anhängige Klage von T… K…: Außerdem gab es bereits eine andere Klage von T… K… gegen denselben Beschluss vom 23. Mai 2018. Diese Klage zielte darauf ab, die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Beschlusses festzustellen.
    • Solche Nichtigkeits- oder Anfechtungsklagen haben eine weiterreichende Wirkung: Wenn T… K… in seiner Klage gewinnt, steht die Nichtigkeit des Beschlusses für alle Beteiligten fest. Wenn er verliert, steht fest, dass der Beschluss nicht unwirksam ist.
    • Die Klage des Klägers auf Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses hätte nur eine Wirkung „zwischen den Parteien“ (also Kläger und Beklagte), nicht aber für und gegen jedermann.
    • Da die Klage von T… K… eine umfassendere Klärung des Sachverhalts herbeiführen kann, fehlte dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für seine eigene, weniger weitreichende Feststellungsklage, sobald die Klage von T… K… eingereicht wurde.

Zusammenfassend bedeutet dies, dass das OLG die Klage des Klägers, die Wirksamkeit des Beschlusses zur Einziehung der Geschäftsanteile von T… K… festzustellen, als unzulässig ansah.


Was waren die finanziellen Auswirkungen?

Das OLG hat entschieden, dass der Kläger 1/3 der Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen muss und die Beklagte 2/3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 100.000 € festgesetzt, da dies die wirtschaftliche Bedeutung des Falles für den Kläger widerspiegelte, insbesondere angesichts der hohen Mieteinnahmen der Gesellschaft aus ihrem Hauptvermögensgegenstand.


Was können Sie aus diesem Fall lernen?

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten die richtigen Klagearten und die richtige Reihenfolge der Klagen zu wählen. Ein Kläger muss ein berechtigtes Interesse und ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage haben, sonst kann das Gericht sie abweisen, selbst wenn der Kläger in der Sache Recht hätte. Auch die Existenz einer umfassenderen Klage, die denselben Sachverhalt betrifft, kann dazu führen, dass eine andere, weniger umfassende Klage abgewiesen wird.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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