Entgeltlichkeit von Verfügungen des Testamentsvollstreckers bei Übertragung von Nachlassgegenständen auf einen Miterben
Zusammenfassung: OLG München, Beschluss vom 18.11.2013 (34 Wx 189/13)
Der Kern des Urteils: Die Entgeltlichkeit von Verfügungen des Testamentsvollstreckers
Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München befasst sich mit einer zentralen Frage im Erbrecht und Grundbuchrecht: Wann darf ein Testamentsvollstrecker Nachlassgegenstände an einen Erben übertragen, ohne dass alle anderen Erben zustimmen müssen?
Eine Übertragung von Nachlassgegenständen an einen Miterben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung ist nicht unentgeltlich (also keine Schenkung), wenn der Miterbe dabei wertmäßig nicht mehr erhält, als ihm nach seiner Erbquote zusteht. Die Tatsache, dass die anderen Miterben nicht gleichzeitig etwas erhalten, ist dabei unerheblich.
Die Grundlage des Falls war der Nachlass eines Mannes, der von seinen beiden Kindern (einem Sohn und einer Tochter) je zur Hälfte beerbt wurde. Ein Testamentsvollstrecker war eingesetzt, um den Nachlass zu verwalten und die testamentarischen Anordnungen umzusetzen. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus bebautem Grundbesitz.
Der Erblasser hatte in seinem Testament verfügt, dass bestimmte Gebäudeteile im Alleineigentum auf seine Kinder übergehen sollten (was als Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung verstanden werden konnte).
Der Testamentsvollstrecker nahm daraufhin in einer notariellen Urkunde zwei wichtige Schritte vor:
Die Immobilie wurde in zwei separate Wohnungen aufgeteilt.
Eine der neu gebildeten Wohnungen (Wohnung Nr. 2) wurde dem Sohn (Miterbe) zu Alleineigentum übertragen – ohne dass dieser eine weitere Gegenleistung erbringen musste.
Zugunsten des Sohnes wurde auf der anderen Wohnung (Wohnung Nr. 1, die der Tochter zustehen sollte) eine Grundschuld in Höhe von 60.000 € eingetragen. Dies sollte den Sohn dafür entschädigen, dass er zuvor Nachlassschulden getilgt hatte.
Um die Eigentumsübertragung im Grundbuch einzutragen, musste das zuständige Grundbuchamt die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers prüfen.
Das Grundbuchamt weigerte sich, die Eintragung vorzunehmen, und erließ eine Zwischenverfügung (eine Aufforderung zur Nachbesserung). Es forderte die Zustimmung der Miterbin (der Tochter), da es die Übertragung der Wohnung auf den Sohn als eine unentgeltliche Verfügung ansah.
Ein Testamentsvollstrecker darf keine Schenkungen (§ 2205 Satz 3 BGB) aus dem Nachlass machen.
Da zum maßgeblichen Zeitpunkt nur der Sohn etwas aus dem Nachlass erhielt, nicht aber die Tochter, handele es sich um eine unentgeltliche Zuwendung, die die Zustimmung der Tochter erfordere.
Gegen diese Zwischenverfügung legten der Sohn und der Testamentsvollstrecker Beschwerde ein.
Das OLG München gab der Beschwerde statt und hob die Zwischenverfügung auf. Die beantragte Eintragung durfte nicht von der Zustimmung der Miterbin abhängig gemacht werden.
Was ist eine entgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers?
Der Testamentsvollstrecker hat die Pflicht, den Nachlass entsprechend dem Willen des Erblassers abzuwickeln und die Erbschaft an die Erben herauszugeben (§ 2203 BGB).
Wird die Verfügung zur Erfüllung des Testaments vorgenommen (z. B. zur Auszahlung eines Vermächtnisses), ist sie entgeltlich.
Bei der Verteilung des Nachlasses im Rahmen der Erbauseinandersetzung ist die Übertragung eines Gegenstandes an einen Miterben ebenfalls entgeltlich, wenn der Miterbe dafür auf seine Mitberechtigung am gesamten Nachlass verzichtet. Sein Verzicht auf seinen ideellen Anteil am Gesamthandsvermögen gilt als Gegenleistung.
Wann ist eine Verfügung im Rahmen der Erbauseinandersetzung unentgeltlich?
Nur wenn der Miterbe deutlich mehr erhält, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und dem Nachlass somit ein ungleichwertiges Opfer auferlegt wird.
Zeitgleiche Zuteilung ist nicht nötig: Das Gericht stellte klar, dass die Auseinandersetzung des Nachlasses nicht in einem einzigen Schritt erfolgen muss. Die Erbauseinandersetzung darf in zeitlich gestaffelten Teilschritten erfolgen. Die Tochter musste also nicht gleichzeitig ihre Wohnung erhalten, damit die Übertragung an den Sohn als entgeltlich gilt.
Es kam lediglich darauf an, ob die dem Sohn übertragene Wohnung Nr. 2 wertmäßig seine Erbquote von 1/2 deutlich überstieg.
Da die Immobilie in zwei gleich große Miteigentumsanteile (je 1/2) aufgeteilt wurde und keine begründeten Zweifel daran bestanden, dass die zugewandte Wohnung seinen Anteil von 1/2 überstieg, wurde von einer entgeltlichen Verfügung ausgegangen.
Auch die Eintragung der Grundschuld über 60.000 € für den Sohn auf der anderen Wohnung wurde als entgeltlich eingestuft. Der Testamentsvollstrecker hatte damit lediglich einen Ersatzanspruch des Sohnes gesichert, der entstanden war, weil dieser Schulden für den Nachlass bezahlt hatte. Der Gegenwert (die Schuldtilgung) war dem Nachlass bereits zugutegekommen.
Der Testamentsvollstrecker handelte im Rahmen seiner Befugnisse. Die Zustimmung der Miterbin war für die Eintragung der Übertragung der Wohnung auf den Sohn nicht erforderlich.
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