Entscheidung über einen Antrag auf Stundung des Pflichtteilsanspruchs nach gerichtlicher Geltendmachung

November 3, 2025

Entscheidung über einen Antrag auf Stundung des Pflichtteilsanspruchs nach gerichtlicher Geltendmachung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.08.2003 – 11 Wx 69/02

Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) befasst sich mit einem Verfahren zur Stundung eines Pflichtteilsanspruchs im Erbrecht.


Zusammenfassung: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.08.2003

1. Die Ausgangslage

Ein Erbfall in der Familie führt zum Streit um den Pflichtteil.

  • Der Erblasser (der verstorbene Ehemann) hatte seine Frau (H. F.) als Alleinerbin eingesetzt.
  • Der Enkel (Beteiligter zu 2) machte gegen seine Großmutter (H. F.) einen hohen Pflichtteilsanspruch geltend. Ein Pflichtteil ist ein gesetzlicher Mindestanspruch, der nahen Angehörigen zusteht, wenn sie durch ein Testament enterbt wurden.
  • Die Erbin (H. F.) gestand den Anspruch zwar teilweise zu, wollte aber die Auszahlung des Pflichtteils stunden, also zeitlich aufschieben. Dies ist möglich, wenn die sofortige Zahlung sie unbillig hart treffen würde.

2. Der Weg durch die Instanzen

Die Erbin (H. F.) beantragte beim zuständigen Nachlassgericht (einem Teil des Amtsgerichts) die Stundung des Pflichtteils.

  • Nachlassgericht (Amtsgericht): Lehnte den Antrag ab. Es sah sich nicht zuständig, da die Höhe des Pflichtteils zwischen Großmutter und Enkel noch strittig war.
  • Landgericht (Beschwerdegericht): Bestätigte die Ablehnung des Nachlassgerichts.

3. Der entscheidende Verfahrensfehler

Nachdem das Landgericht die Stundung abgelehnt hatte, kam es zu einer entscheidenden zeitlichen Abfolge:

  1. 5. September 2002: Dem Enkel reichte es mit den Stundungsverfahren. Er reichte eine Zahlungsklage beim ordentlichen Zivilgericht ein und ließ diese der Großmutter zustellen. Damit klagte er auf die sofortige Auszahlung des vollen Pflichtteils.
  2. 9. September 2002: Erst vier Tage später legte die Großmutter die sofortige weitere Beschwerde (das Rechtsmittel zum OLG) gegen die Entscheidung des Landgerichts ein.

Entscheidung über einen Antrag auf Stundung des Pflichtteilsanspruchs nach gerichtlicher Geltendmachung

4. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das OLG musste nun entscheiden, ob die letzte Beschwerde der Großmutter zulässig war.

  • Ergebnis: Die weitere Beschwerde wurde als unzulässig verworfen.
  • Die Begründung (der Kernpunkt): Das Gericht stellte klar, dass das Recht, die Stundung eines Pflichtteils zu beantragen, nicht dauerhaft beim Nachlassgericht liegt.Sobald eine Klage auf Zahlung des Pflichtteils bei einem Zivilgericht eingereicht und dem Schuldner (hier die Großmutter) zugestellt wird, verlagert sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Stundung ausschließlich auf das Zivilgericht (das sogenannte Prozessgericht).Da die Großmutter die Klageschrift vor Einlegung ihrer letzten Beschwerde erhalten hatte, war das Nachlassgericht (und damit auch die Instanzen, die dessen Entscheidung überprüften) nicht mehr zuständig.Somit fehlte der Großmutter ein Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde zum OLG. Das Rechtsmittel wurde gegen eine Entscheidung gerichtet, die rechtlich bereits ihre Wirkung verloren hatte, weil nur noch das Zivilgericht über die Stundung entscheiden konnte. Die Beschwerde war damit von vornherein aussichtslos und musste als unzulässig abgewiesen werden.
  • Kostenfolge: Die Erben der inzwischen verstorbenen Großmutter (Beteiligter zu 1) mussten die außergerichtlichen Kosten des Enkels (Beteiligter zu 2) für dieses Verfahren tragen.

Kurz gesagt:

Der Rechtsstreit scheiterte nicht inhaltlich, sondern an einem formalen Verfahrensfehler. Die Großmutter legte ihre Beschwerde beim falschen Gericht (dem Nachlassgericht) bzw. zur falschen Zeit ein. Sobald der Enkel Klage erhob, musste sie ihren Stundungsantrag im Rahmen dieser Klage beim zuständigen Zivilgericht stellen. Da sie dies nicht tat, wurde ihr Versuch, die Ablehnung des Nachlassgerichts anzufechten, vom OLG als unzulässig verworfen.

Dies ist ein Beispiel für die wichtige erbrechtliche Regel: Wenn ein Pflichtteilsstreit zum ordentlichen Gerichtsverfahren wird, sind die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit (wie das Nachlassgericht) nicht mehr für die Stundung zuständig.

RA und Notar Krau

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