Entziehung Pflichtteil Verurteilung wegen Vergewaltigung

August 16, 2017

Entziehung des Pflichtteils: Verurteilung wegen Vergewaltigung als Entziehungsgrund gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB

Eine rechtskräftige Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten wegen Vergewaltigung rechtfertigt die Entziehung des Pflichtteils gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB.

LG Stuttgart 16 O 638/11

RA und Notar Krau

Das Landgericht Stuttgart hatte in einem Beschluss vom 15.02.2012

über die Frage zu entscheiden, ob einem Sohn, der seine Mutter vergewaltigt hatte, der Pflichtteil entzogen werden kann.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils gemäß §§ 2335 ff. BGB vorliegen.

Der Fall:

Ein Sohn hatte beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine Klage zu bewilligen,

mit der er seinen Pflichtteil am Nachlass seiner verstorbenen Mutter geltend machen wollte.

Die Mutter hatte ihn in ihrem Testament enterbt und ihm den Pflichtteil entzogen.

Entziehung Pflichtteil Verurteilung wegen Vergewaltigung

Als Begründung gab sie an, dass der Sohn sie bedroht und beleidigt habe und im Jahr 1980 wegen Vergewaltigung verurteilt worden sei.

Die Enkelkinder der Erblasserin, die als Erben eingesetzt waren, traten der Klage entgegen.

Die Entscheidung des LG Stuttgart:

Das LG Stuttgart wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück, da die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils nach §§ 2335 ff. BGB seien gegeben.

Begründung:

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Entziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Ziff. 2 BGB: Dieser Entziehungsgrund liegt vor, wenn sich der Abkömmling eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser schuldig gemacht hat. Im vorliegenden Fall habe der Sohn die Erblasserin mehrfach beleidigt und ihr gedroht, sie totzuschlagen. Dies stelle eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses dar und erfülle den Tatbestand des § 2333 Abs. 1 Ziff. 2 BGB.
  • Entziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB: Dieser Entziehungsgrund erfordert eine rechtskräftige Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten wegen einer vorsätzlichen Straftat, durch die dem Erblasser eine Teilhabe des Verurteilten an seinem Nachlass unzumutbar ist. Die Verurteilung wegen Vergewaltigung erfülle diesen Tatbestand.

Entziehung Pflichtteil Verurteilung wegen Vergewaltigung

  • Unzumutbarkeit der Teilhabe am Nachlass: Dem Erblasser sei es unzumutbar, dass der Pflichtteilsberechtigte an seinem Nachlass teilhat. Unzumutbarkeit liege vor, wenn die Straftat den persönlichen Wertvorstellungen des Erblassers im hohen Maße widerspricht. Dies sei bei einer Vergewaltigung der Fall.
  • Formvorschriften des § 2336 BGB: Die Formvorschriften für die Entziehung des Pflichtteils seien eingehalten worden. Die Erblasserin habe in ihrem Testament einen zutreffenden Kernsachverhalt angegeben, indem sie die Vergewaltigung und die weiteren Verfehlungen des Sohnes beschrieb.
  • Keine Verzeihung: Eine Verzeihung im Sinne von § 2337 BGB habe nicht stattgefunden.

Folgen der Entscheidung:

Dem Sohn wurde die Prozesskostenhilfe verweigert, da seine Klage auf Auszahlung des Pflichtteils keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Die Entziehung des Pflichtteils durch die Mutter war wirksam.

Fazit:

Die Entscheidung des LG Stuttgart zeigt, dass eine schwere Straftat wie Vergewaltigung einen Entziehungsgrund im Sinne des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB darstellt.

Die Teilhabe des Täters am Nachlass des Opfers ist in einem solchen Fall unzumutbar.

Das Gericht hat die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die persönlichen Wertvorstellungen der Erblasserin in seine Entscheidung einbezogen.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Trauer Grabstein

Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDRZusammenfassung: BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR…
Portrait Lana Berloznik Kanzlei Krau Rechtsanwälte

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als Gesamtschuldner

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als GesamtschuldnerHier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Az.: 1…
Apartmenthaus Wohnungseigentum

Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“

November 5, 2025
Beschlussmängelverfahren: Verwalterbestellung durch den teilenden Eigentümer in der „Aufteilungsphase“ – Heilung von Einberufungsmängeln durch „Voll…