Equal Pay – Entgelttransparenz – Gleichbehandlungsgrundsatz – Medianentgelt – Befristung – Beschäftigung

Oktober 25, 2025

Equal Pay – Entgelttransparenz – Gleichbehandlungsgrundsatz – Medianentgelt – Befristung – Beschäftigung

Bei der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg vom 01.10.2024 (Az. 2 Sa 14/24) handelt es sich um einen wichtigen Fall zum Thema Equal Pay (gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit) und den Umgang mit geschlechtsbedingter Entgeltbenachteiligung von Führungskräften.

Eine weibliche Führungskraft der Ebene E 3 (Abteilungsleiterebene) klagte gegen ihren Arbeitgeber auf Nachzahlung von Entgeltbestandteilen (Grundvergütung, Bonus, aktienorientierte Vergütung und betriebliche Altersversorgung) für die Jahre 2018 bis 2022.

Sie sah sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert, da ihre Vergütung unter dem Medianentgelt (dem mittleren Gehalt) sowohl der männlichen als auch der weiblichen Vergleichsgruppe lag.

Sie forderte primär eine Anpassung ihres Gehalts an das Entgelt eines namentlich benannten männlichen Kollegen, der der Höchstverdiener in ihrer Vergleichsgruppe war (sogenannte „Anpassung nach ganz oben“).

Hilfsweise forderte sie die Differenz zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe.

Entscheidung des LAG Baden-Württemberg

Entgeltanpassung (Grundvergütung & Bonus)

Anspruch in Höhe der Differenz der Mediane:

Die Klägerin hat Anspruch auf die Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe ihrer Führungsebene. Das Gericht sah in dieser Differenz ein hinreichendes Indiz (§ 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, AGG) für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung, die der Arbeitgeber nicht widerlegen konnte.

Kein Anspruch auf Anpassung an den Spitzenverdiener oder an die volle Median-Differenz:

Eine Anpassung an das Gehalt des Spitzenverdieners („Anpassung nach ganz oben“) lehnte das Gericht ab, weil die herausgehobene Vergütung des Kollegen die Vermutung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung in dieser vollen Höhe entkräfte.

Ein Anspruch auf die Differenz ihres individuellen Gehalts zum Medianentgelt der Männer bestand ebenfalls nicht, da ihr Gehalt auch unter dem Median der Frauen lag, was nicht auf dem Geschlecht beruhen kann.

Median-Vergleich

Das Gericht betont, dass die Feststellung einer überwiegenden Kausalitätswahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung alle Umstände würdigen muss. Wenn das Gehalt der Klägerin auch unter dem Median des eigenen Geschlechts liegt, ist dies ein Gegenindiz, das die Vermutung einer vollen Diskriminierung in Höhe der Differenz zum männlichen Median entkräftet. Übrig bleibt die Differenz zwischen dem Median der Männer und dem Median der Frauen.

Equal Pay – Entgelttransparenz – Gleichbehandlungsgrundsatz – Medianentgelt – Befristung – Beschäftigung

Aktienbasierte Vergütung (PPSP)

Die Klägerin hatte Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Zuteilung von virtuellen Aktien. Dieser Anspruch richtete sich auf den Durchschnittswert des jeweiligen Zuteilungsbandes. Auch hier wurde eine „Anpassung nach ganz oben“ abgelehnt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bindet den Arbeitgeber bei freiwilligen Leistungen und ist auf den Durchschnittswert der begünstigten Gruppe gerichtet.

Teilzeit und PPSP

Obwohl die Klägerin in Teilzeit (50 %) arbeitete, musste der Arbeitgeber den pro-rata-temporis-Grundsatz (Kürzung der Leistung entsprechend der Arbeitszeit) nicht anwenden, da er sich entschieden hatte, dies bei der Zuteilung virtueller Aktien grundsätzlich nicht zu tun. An dieser selbst gesetzten Regel muss er sich festhalten lassen.

Befristung

Eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres wurde für unwirksam erklärt.

Beschäftigungsanspruch

Die Klägerin hatte Anspruch auf vertragskonforme Beschäftigung auf der ihr ursprünglich zugewiesenen Stelle. Die im Vertrag enthaltene Versetzungsklausel wurde als unwirksam angesehen, da sie eine Versetzung auf geringerwertige Tätigkeiten zuließ und damit gegen das Arbeitsrecht verstieß.

Kernbotschaft

Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg bestätigt, dass der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auch auf Führungsebenen gilt. Geschlechtsbedingte Lohnunterschiede sind verboten. Das Gericht präzisiert jedoch, wie der Anspruch berechnet wird:

Wer wegen seines Geschlechts diskriminiert wird, hat Anspruch auf den Ausgleich der Benachteiligung, aber nicht automatisch auf das Spitzengehalt der bestbezahlten Kollegen.

Bei großen Vergleichsgruppen gilt:

Der Anspruch auf Nachzahlung leitet sich primär aus der Lohnlücke zwischen dem mittleren Gehalt (Median) der Männer und dem mittleren Gehalt der Frauen ab.

Das Gericht sprach der Klägerin insgesamt rund 130.000 Euro brutto an Nachzahlungen für verschiedene Entgeltbestandteile zu.

Da das Gericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen hat, wird sich das höchste deutsche Arbeitsgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei Lohnklagen wegen Geschlechtsdiskriminierung künftig der Median-Vergleich (Median der Männer minus Median der Frauen) oder der Vergleich mit dem höchstbezahlten männlichen Kollegen maßgeblich ist. Die Rechtslage bleibt damit in Bewegung.

RA und Notar Krau

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