Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag – Beurkundungspflicht bei Anteilsübernahme- und Leibrentenvertrag

November 3, 2025

Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag – Beurkundungspflicht bei Anteilsübernahme- und Leibrentenvertrag

OLG Stuttgart, Urteil vom 28.12.2010 – 1 U 113/10

Dieser Fall dreht sich um die Frage, ob eine Darlehensforderung von 60.000 Euro rechtmäßig von einem Vater an seine Tochter (die Beklagte) abgetreten wurde. Die Klägerin (eine Firma, die dem Sohn des Vaters nahesteht) wollte gerichtlich feststellen lassen, dass der Tochter (Beklagten) dieser Anspruch nicht zusteht.

Der Hintergrund der Geschichte

  • Das Darlehen: Der Vater (O… N…) hatte der Klägerin (einer Firma, die vom anderen Sohn K… N… geleitet wird) ein Darlehen von 60.000 Euro gewährt.
  • Der Deal: Später schloss der Vater zwei Verträge mit seiner Tochter (der Beklagten):
    1. Einen Übertragungsvertrag, in dem er seinen Kommanditanteil an einer Firma auf die Tochter übertrug (gegen Leibrente) und zusätzlich alle seine Forderungen (insbesondere Darlehensforderungen) gegen seinen Sohn K… N… und dessen Firmen an die Tochter abtrat.
    2. Einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag, in dem die Tochter auf ihr Erbe verzichtete, unter der Bedingung, dass die Übertragung des Kommanditanteils wirksam würde.
  • Die Knackpunkt-Bedingung: Die Abtretung der Darlehensforderung an die Tochter stand unter einer aufschiebenden Bedingung: Sie sollte erst wirksam werden, wenn K… N… (der andere Sohn) „rechtliche Maßnahmen“ oder sonstige Handlungen ergreifen würde, die geeignet sind, die Übertragung der Kommanditanteile auf die Tochter rückgängig zu machen oder ihre Stellung zu beeinträchtigen.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart (Kurz & Knapp)

Das Landgericht hatte der Klägerin Recht gegeben, das OLG Stuttgart (Berufungsinstanz) kommt zum selben Endergebnis, aber mit anderer Begründung.

1. Formmangel wegen Erbverzicht? (Nein)

  • Das Landgericht meinte, der Übertragungsvertrag (der die Abtretung enthielt) sei wegen der Verbindung mit dem Erbverzicht nicht notariell beurkundet worden und deshalb unwirksam (§ 2348 BGB).
  • Das OLG sagt: Die Formvorschrift für den Erbverzicht gilt nicht automatisch für das andere Geschäft (die Übertragung und Abtretung), auch wenn beide Verträge in einem inneren Zusammenhang stehen. Die Abtretung der Darlehensforderung war formfrei möglich. Ein Formmangel liegt hier nicht vor.

Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag – Beurkundungspflicht bei Anteilsübernahme- und Leibrentenvertrag

2. Sittenwidrigkeit der Bedingung? (Nein)

  • Das Landgericht sah die Bedingung als sittenwidrig (§ 138 BGB) an, da sie den Sohn K… N… unzulässig davon abhalten sollte, seine Rechte gegen die Übertragung geltend zu machen.
  • Das OLG sagt: Auch das ist keine Sittenwidrigkeit. Die Abtretung schützt den Schuldner (die Klägerin/Firma) nicht vor dem Gläubigerwechsel. Der Sohn K… N… (dessen Firma der Darlehensnehmer ist) wird durch den Wechsel des Gläubigers nicht schlechter gestellt, da ihm alle Einreden und Einwendungen erhalten bleiben. Die Bedingung stellt kein „knebelndes“ Druckmittel dar, das die Handlungsfreiheit des Sohnes sittenwidrig einschränkt.

3. Ist die Bedingung eingetreten? (Nein)

  • Der entscheidende Punkt: Die Abtretung ist nur wirksam, wenn die aufschiebende Bedingung („rechtliche Maßnahmen“ des Sohnes) eingetreten ist. Das OLG hält die Formulierung der Bedingung („sonstige Handlungen oder Maßnahmen im weitesten Sinne“) für zu unklar. Nur der Kernbereich „rechtliche Maßnahmen“ sei bestimmbar.
  • Das OLG stellt fest: Die von der Beklagten vorgetragenen Handlungen des Sohnes (Druck auf den Vater, Besprechungen, Beauftragung von Beratern, die Klage der Firma gegen die Abtretung selbst) sind keine „rechtlichen Maßnahmen“ im Sinne der Bedingung, die geeignet wären, die Übertragung der Kommanditanteile rückgängig zu machen.
  • Das Ergebnis: Da die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten ist, ist die Abtretung der Darlehensforderung derzeit unwirksam.

Fazit

Obwohl die Abtretung des Darlehens an die Tochter an sich nicht wegen Formmangels oder Sittenwidrigkeit unwirksam ist, scheiterte sie an einer unklaren und nicht erfüllten Bedingung.

Die Klägerin (die Firma) muss derzeit weder Zinsen noch das Darlehen an die Tochter (die Beklagte) zurückzahlen, da die Forderung noch nicht wirksam an sie abgetreten wurde. Der Darlehensanspruch verbleibt (vorerst) beim Vater.

Hinweis: Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen, da es sich um eine grundsätzliche Rechtsfrage handelt.

RA und Notar Krau

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