Erbeinsetzung Ehefrau aufgrund laufenden Scheidungsverfahrens unwirksam

August 17, 2017
Erbeinsetzung Ehefrau aufgrund laufenden Scheidungsverfahrens unwirksam
OLG Stuttgart 8 W 321/11

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 04.10.2011 befasst sich mit der Frage der Wirksamkeit einer erbvertraglichen Alleinerbeneinsetzung eines Ehegatten,

wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser ihr zugestimmt hatte.

Sachverhalt:

Ein deutscher Erblasser und seine deutsche Ehefrau hatten einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten.

Später verlegten sie ihren Wohnsitz nach Liechtenstein und reichten dort die Scheidung ein.

Der Erblasser stimmte der Scheidung zu, verstarb aber, bevor das Verfahren abgeschlossen und rechtskräftig war.

Streitpunkt:

Es entstand ein Streit darüber, ob die Erbeinsetzung der Ehefrau aufgrund des laufenden Scheidungsverfahrens und der Zustimmung des Erblassers zur Scheidung unwirksam geworden war.

Entscheidung des Gerichts:

Erbeinsetzung Ehefrau aufgrund laufenden Scheidungsverfahrens unwirksam

Das OLG Stuttgart entschied, dass die Erbeinsetzung der Ehefrau unwirksam ist.

Begründung:

  1. Anwendbares Recht: Da der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, unterliegt die Rechtsnachfolge deutschem Erbrecht. Gemäß §§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Erbeinsetzung eines Ehegatten unwirksam, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben waren und dieser der Scheidung zugestimmt hatte.

  2. Gleichstellung mit Scheidung: Das Gericht stellte fest, dass die Zustimmung des Erblassers zur Scheidung im laufenden Scheidungsverfahren in Liechtenstein der Auflösung der Ehe im Sinne des § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB gleichsteht.

  3. Materielles Scheidungsrecht: Die materiellen Voraussetzungen für eine Scheidung nach deutschem Recht lagen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vor, da die Ehegatten getrennt lebten und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte (§ 1566 Abs. 1 BGB).

  4. Testamentsauslegung: Die Ehefrau argumentierte, dass der Erblasser den Erbvertrag trotz des Scheidungsverfahrens aufrechterhalten wollte. Das Gericht wies diese Argumentation zurück, da es sich bei § 2077 Abs. 3 BGB um eine ergänzende Testamentsauslegung handelt und keine Anhaltspunkte für einen solchen Willen des Erblassers vorlagen.

  5. Unwirksamkeit der Erbeinsetzung: Da die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben waren und dieser der Scheidung zugestimmt hatte, war die Erbeinsetzung der Ehefrau gemäß §§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Erbeinsetzung Ehefrau aufgrund laufenden Scheidungsverfahrens unwirksam

Weitere wichtige Punkte:

  • Funktionelle Gleichwertigkeit: Das Gericht stellte klar, dass die Einleitung eines Scheidungsverfahrens im Ausland dem inländischen Scheidungsantrag „funktionell gleichwertig“ sein muss, um die Erbeinsetzung des Ehegatten unwirksam werden zu lassen.
  • Keine Regelung der Nebenfolgen erforderlich: Die Regelung der Nebenfolgen der Scheidung war im vorliegenden Fall nicht erforderlich, um die Voraussetzungen des § 1566 Abs. 1 BGB zu erfüllen.
  • Unwiderlegbare Vermutung des Scheiterns der Ehe: Die unwiderlegbare Vermutung des Scheiterns der Ehe nach § 1566 Abs. 1 BGB greift auch bei einverständlicher Scheidung ein.
  • Ermessen des Gerichts bei Ermittlungen: Das Gericht muss nicht allen denkbaren Ermittlungsmöglichkeiten nachgehen, sondern darf Ermittlungen einstellen, wenn von ihnen kein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis mehr zu erwarten ist.

Fazit:

Der Beschluss des OLG Stuttgart verdeutlicht die Rechtsfolgen einer Scheidung im Hinblick auf erbvertragliche Regelungen.

Die Zustimmung des Erblassers zu einem Scheidungsantrag im Ausland wird einer Scheidung im Inland gleichgestellt,

wenn die materiellen Voraussetzungen für eine Scheidung nach deutschem Recht vorliegen.

Dies führt zur Unwirksamkeit einer erbvertraglichen Erbeinsetzung des Ehegatten, es sei denn, es gibt eindeutige Anhaltspunkte für einen anderen Willen des Erblassers.

RA und Notar Krau

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