Erbeinsetzung für den Fall des gleichzeitigen Todes
Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 42/96
Auslegung einer letztwilligen Verfügung in einem Ehegattentestament für den Fall des „gleichzeitigen Todes“
Kernaussage:
Das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 30. September 1996 befasst sich mit der Auslegung einer letztwilligen Verfügung
in einem Ehegattentestament für den Fall des „gleichzeitigen Todes“.
Das Gericht stellt fest, dass der Begriff „gleichzeitiger Tod“ nicht nur den im gleichen Bruchteil einer Sekunde eintretenden Tod,
sondern auch andere Fallgestaltungen umfassen kann, wenn dies dem Willen der Testierenden entspricht.
Sachverhalt:
Ein Ehepaar beging Selbstmord, wobei die Ehefrau 30 Minuten vor dem Ehemann verstarb.
In ihrem Testament hatten sie für den Fall ihres „gleichzeitigen Todes“ drei Personen zu Erben eingesetzt.
Die Töchter des Ehemanns aus erster Ehe argumentierten, dass der Fall des gleichzeitigen Todes nicht eingetreten sei und sie daher erbberechtigt seien.
Rechtliche Würdigung:
Das BayObLG wies die weitere Beschwerde der Tochter zurück und bestätigte die Auslegung des Testaments durch das Landgericht.
1. Auslegung des Begriffs „gleichzeitiger Tod“:
Das BayObLG stellte fest, dass der Begriff „gleichzeitig“ im juristischen Sinne einen Tod im gleichen Bruchteil einer Sekunde bedeutet.
Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben, da die Ehefrau 30 Minuten vor dem Ehemann starb.
2. Auslegung des Testaments:
Das Gericht betonte jedoch, dass der Wille der Testierenden Vorrang hat, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass sie mit dem Begriff „gleichzeitiger Tod“ einen anderen Sinn verbunden haben.
Im vorliegenden Fall legte das Landgericht das Testament dahingehend aus, dass der festgestellte Ablauf als gleichzeitiger Tod im Sinne der letztwilligen Verfügung anzusehen sei.
Das BayObLG bestätigte diese Auslegung.
3. Berücksichtigung weiterer Umstände:
Bei der Auslegung des Testaments berücksichtigte das Landgericht auch weitere Umstände, wie z.B. frühere Aussagen des Ehemanns, wonach seine Töchter nur den Pflichtteil erhalten sollten.
4. Wille der Ehegatten:
Das BayObLG schloss sich der Auslegung des Landgerichts an, wonach die Ehegatten den Begriff „gleichzeitiger Tod“ nicht nur im engen Wortsinn verwendet haben.
Vielmehr wollten sie damit auch den Fall erfassen, dass der Überlebende nicht mehr in der Lage ist, über seinen Nachlass zu verfügen.
5. Keine Beschränkung auf einheitliche Ursache:
Das BayObLG stellte weiter fest, dass ein gleichzeitiger Tod im Sinne des Testaments nicht durch dieselbe Ursache herbeigeführt werden muss.
Im vorliegenden Fall war dies zwar gegeben (Selbstmord), aber auch ein Tod durch verschiedene Ursachen (z.B. Krankheit)
hätte den gleichzeitigen Tod im Sinne des Testaments nicht ausgeschlossen.
6. Keine Erbeinsetzung des Überlebenden:
Das BayObLG wies darauf hin, dass bei einem gleichzeitigen Versterben von Eheleuten nicht der gesamte Nachlass auf den Erben übergeht, sondern das Vermögen jedes einzelnen.
Im vorliegenden Fall erbten die drei eingesetzten Personen sowohl die Ehefrau als auch den Ehemann jeweils zu 1/3.
Fazit:
Das BayObLG-Urteil vom 30. September 1996 verdeutlicht, dass bei der Auslegung von Testamenten der Wille der Testierenden Vorrang hat.
Der Begriff „gleichzeitiger Tod“ kann daher auch Fälle erfassen, in denen der Tod nicht im gleichen Bruchteil einer Sekunde eintritt, wenn dies dem Willen der Testierenden entspricht.
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