Erbeinsetzung nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens

August 21, 2017

Erbeinsetzung nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens

OLG Hamm I-15 W 327/10
Zurückweisung Erbscheinsantrag,
Auslegung gemeinschaftliches handschriftliches Testament

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein gemeinschaftliches Testament, in dem Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzen

und nur für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ weitere Verfügungen treffen,

nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass die weiteren Verfügungen auch für den Fall gelten, dass die Ehegatten nacheinander versterben.

Sachverhalt:

Ein Ehepaar hatte 1986 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten.

Für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ trafen sie weitere Verfügungen und setzten u.a. den Neffen des Ehemannes als Erben ein.

Der Ehemann verstarb 2004.

Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2009 beantragte der Neffe einen Erbschein als Alleinerbe.

Erbeinsetzung nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens

Die Nichte der Ehefrau beantragte hingegen einen Erbschein, der sie und ihre Geschwister als gesetzliche Erben ausweist.

Das Nachlassgericht gab dem Antrag des Neffen statt und legte das Testament dahingehend aus,

dass der Neffe auch im Fall des nacheinander erfolgten Todes der Ehegatten als Erbe eingesetzt sei.

Gegen diese Entscheidung legten die Nichte und ihr Bruder Beschwerde ein.

Entscheidung des Oberlandesgerichts:

Das Oberlandesgericht änderte die Entscheidung des Nachlassgerichts und wies den Erbscheinsantrag des Neffen zurück.

Die Sache wurde zur Entscheidung über den Erbscheinsantrag der Nichte an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Begründung:

  • Auslegung des Testaments:

  • Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut des Testaments. Die Formulierung „gleichzeitiges Ableben“ umfasst in der Regel nur den Fall, dass die Ehegatten innerhalb eines kurzen Zeitraums versterben.

    • Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne eine Schlusserbeinsetzung zu verfügen, beabsichtigen in der Regel, dass der Überlebende frei über den Nachlass verfügen kann.
    • Eine Erbeinsetzung für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“ gilt daher grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Ehegatten nacheinander versterben.
    • Der Ausschluss anderer Verwandter von der Erbfolge im vorliegenden Testament bezog sich nur auf den Fall des gleichzeitigen Ablebens. Dies lässt dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen über den Nachlass zu verfügen und ggf. durch ein eigenes Testament andere Verwandte zu berücksichtigen.

Erbeinsetzung nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens

  • Keine Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung:

    • Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten den Neffen auch im Fall des nacheinander erfolgten Todes als Erben einsetzen wollten.
    • Die Tatsache, dass die Ehefrau kein weiteres Testament errichtet hat, lässt nicht den Schluss zu, dass sie den Neffen als Schlusserben einsetzen wollte.
  • Gesetzliche Erbfolge:

    • Da die Erbfolge nicht durch das Testament geregelt war, trat die gesetzliche Erbfolge ein.
    • Der Erbscheinsantrag des Neffen wurde zurückgewiesen.
    • Der Erbscheinsantrag der Nichte war noch nicht entscheidungsreif, da die erforderlichen Personenstandsurkunden nur in Kopie vorlagen. Die Sache wurde daher zur weiteren Prüfung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Fazit:

Der Beschluss verdeutlicht, dass die Formulierung „gleichzeitiges Ableben“ in einem gemeinschaftlichen Testament grundsätzlich eng auszulegen ist

und nicht den Fall des nacheinander erfolgten Todes der Ehegatten umfasst.

Sofern keine weiteren Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung vorliegen, tritt in diesem Fall die gesetzliche Erbfolge ein.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Der gepfändete Erbteil und die vom Erben betriebene Teilungsversteigerung

Der gepfändete Erbteil und die vom Erben betriebene Teilungsversteigerung

April 28, 2025
Der gepfändete Erbteil und die vom Erben betriebene TeilungsversteigerungBeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH), V. Zivilsenat, vom 20. März 2…
Streit um altes Patriziervermögen - Familiensammlung bleibt ungeteilt

Streit um altes Patriziervermögen – Familiensammlung bleibt ungeteilt

April 26, 2025
Streit um altes Patriziervermögen – Familiensammlung bleibt ungeteiltRA und Notar KrauDas Oberlandesgericht Nürnberg hat am 28. Februar 2…
Mann muss Bestattung seines ihm unbekannten Halbbruders bezahlen

Mann muss Bestattung seines ihm unbekannten Halbbruders bezahlen

April 25, 2025
Mann muss Bestattung seines ihm unbekannten Halbbruders bezahlenVerwaltungsgericht Mainz, AZ: 3 K 425/22RA und Notar KrauEin Mann in H…