Erben noch bevor man geboren ist – Das ungeborene Kind im Erbrecht

Mai 31, 2025

Erben noch bevor man geboren ist – Das ungeborene Kind im Erbrecht

Stellen Sie sich vor, jemand verstirbt. Eine der potenziellen Erben ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf der Welt. Sie ist aber schon gezeugt. Kann dieses ungeborene Kind, auch Nasciturus genannt, trotzdem erben? Die Antwort lautet: Ja, es kann!

Das Gesetz möchte, dass ein Erbe auch an die nächste Generation übergeht. Das ist besonders wichtig, wenn zum Beispiel ein Vater stirbt, bevor sein Kind geboren wird. Auch wenn eine Mutter nach dem Tod ihres Kindes noch ein weiteres Kind zur Welt bringt, das schon bei ihrem Tod gezeugt war, kann dieses Kind die Mutter beerben. Das gilt auch für andere Verwandte. Hat beispielsweise ein Großvater seine Enkel als Erben bestimmt und ein Enkel ist bei seinem Tod bereits gezeugt, aber noch nicht geboren, erbt auch dieser Enkel.


Wann beginnt die „Zeugung“ aus juristischer Sicht?

Wann genau gilt ein Kind als „gezeugt“? Das Gesetz definiert das nicht im Detail. Man könnte denken, es ist erst, wenn sich das befruchtete Ei in die Gebärmutter einnistet. Doch das ist zu spät. Die Befruchtung der Eizelle sollte als der Zeitpunkt der Zeugung gelten. Denn der Schutz des ungeborenen Kindes steht hier im Vordergrund.


Moderne Medizin und Erbrecht: Was ist mit In-vitro-Befruchtung?

Die Medizin entwickelt sich ständig weiter. Heute ist eine Befruchtung auch außerhalb des Mutterleibs möglich, die sogenannte In-vitro-Fertilisation. Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches konnten das noch nicht wissen. Doch der Sinn des Gesetzes bleibt bestehen: Auch in diesen Fällen soll das später lebend geborene Kind erben können. Es reicht aus, dass die Befruchtung im Reagenzglas zum Zeitpunkt des Todes stattgefunden hat. Die Einpflanzung in die Gebärmutter kann auch später erfolgen.

Was ist, wenn der Befruchtungsvorgang vor dem Tod des Mannes begonnen, aber erst danach abgeschlossen wurde? Auch dann kann das Kind erben. Zum Beispiel, wenn Eizellen mit dem Sperma des Mannes befruchtet und dann eingefroren wurden. Wird der Vorgang nach dem Tod des Mannes fortgesetzt, wird das Kind rechtlich als gezeugt angesehen. Das Kind hat dann ein gesetzliches Erbrecht nach dem Samenspender.

Erben noch bevor man geboren ist – Das ungeborene Kind im Erbrecht

Befruchtung nach dem Tod: Ein schwieriger Fall

Was aber, wenn Samen- oder Eizellen erst nach dem Tod einer Person für eine künstliche Befruchtung genutzt werden? Das deutsche Gesetz verbietet dies. Trotzdem kommt es vor. Die Frage ist dann: Hat das Kind, das auf diese Weise gezeugt wurde, ein Erbrecht?

Das deutsche Verfassungsrecht gibt hier eine klare Antwort: Jedes Kind hat das Recht auf eine rechtlich geschützte Verbindung zu seinen Eltern. Das bedeutet, das Kind muss einen rechtlichen Vater und eine rechtliche Mutter haben. Hier zählen die biologischen Eltern. Es spielt keine Rolle, ob die Spender der Zellen zum Zeitpunkt der Befruchtung noch leben.

Diese verfassungsrechtlichen Gedanken sind sehr wichtig. Sie sorgen dafür, dass das Kind auch ein gesetzliches Erbrecht nach seinen biologischen Eltern hat, selbst wenn die Befruchtung erst nach deren Tod stattgefunden hat. Die Sicherheit im Erbrecht für andere Erben muss hinter diesem Schutz des Kindes zurücktreten.


Der Beweis: Wann wurde das Kind gezeugt?

Wer ein Erbrecht als ungeborenes Kind beansprucht, muss beweisen, dass die Zeugung zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits stattgefunden hatte. Der genaue Zeitpunkt der Befruchtung ist oft schwer festzuhalten. Doch wenn klar ist, dass ein bestimmter Geschlechtsverkehr zur Schwangerschaft geführt hat, geht man davon aus, dass die Befruchtung zu diesem Zeitpunkt stattfand.


Das Erfordernis der lebendigen Geburt

Ein ungeborenes Kind kann nur dann wirklich Erbe werden, wenn es lebend geboren wird. Das bedeutet, es muss nach der Geburt außerhalb des Mutterleibs Lebenszeichen zeigen. Dazu gehören ein Herzschlag, Puls in der Nabelschnur oder die eigene Lungenatmung. Es kommt nicht darauf an, wie lange das Kind dann lebt. Wenn es zu einer Fehl- oder Totgeburt kommt, kann das ungeborene Kind nicht erben. Das Erbe fällt dann an die Personen, die ohne das ungeborene Kind Erbe wären.


Die magische Rückwirkung der Geburt

Wird das gezeugte Kind lebend geboren, gibt es eine wichtige Besonderheit: Es wird so behandelt, als wäre es bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls geboren gewesen. Dadurch gilt es von Anfang an als Träger der Erbrechte und -pflichten. Das ist wichtig, damit das Erbe nicht für eine Zeit lang „herrenlos“ ist.

Dennoch gibt es Ausnahmen. Die Frist, in der Sie ein Erbe ausschlagen können, beginnt erst mit der tatsächlichen Geburt des Kindes.


Der „Schwebezustand“ zwischen Erbfall und Geburt

Bis zur Geburt des Kindes ist es ein Schwebezustand. Denn niemand weiß, ob das Kind lebend auf die Welt kommt. Um die Rechte des zukünftigen Kindes zu schützen, können die Eltern oder ein spezieller Pfleger die notwendigen rechtlichen Schritte für das ungeborene Kind unternehmen. Sie können zum Beispiel das Erbe annehmen oder ausschlagen.


Juristisch gesehen: Eine besondere Stellung

Das ungeborene Kind hat im Erbrecht eine besondere Stellung. Es wird so behandelt, als wäre es schon bei der Erbschaft geboren gewesen. Das bedeutet, dass dem lebend geborenen Kind die Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben, rückwirkend ab dem Erbfall zugesprochen wird. Es ist also eine Art „rückwirkende Rechtsfähigkeit“. Doch schon während der Schwangerschaft werden die Rechte des ungeborenen Kindes durch Eltern oder Pfleger geschützt.

Erben noch bevor man geboren ist – Das ungeborene Kind im Erbrecht


Schenkungen an das ungeborene Kind

Auch eine Schenkung an ein noch ungeborenes Kind ist möglich. Sie wird allerdings erst mit der Geburt des Kindes wirksam.

Wie Sie sehen, ist das Erbrecht für ungeborene Kinder ein komplexes, aber wichtiges Feld. Es zeigt, wie flexibel das Gesetz ist, um den Schutz des Kindes zu gewährleisten.

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