Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen – OLG Hamm Beschluss 21.3.2019 – I – 10 W 31/17

Dezember 14, 2019

Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen – OLG Hamm Beschluss 21.3.2019 – I – 10 W 31/17

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Ein türkischer Staatsangehöriger verstarb in Deutschland und hinterließ ein Grundstück in Deutschland sowie weitere Vermögenswerte.

Er war in zweiter Ehe verheiratet und hatte Kinder aus beiden Ehen.

Es stellte sich die Frage nach dem anwendbaren Erbrecht und der Erbquote der Ehefrau.

Rechtliche Fragestellungen:

  1. Welches Erbrecht ist anwendbar?
  2. Ist die Erbquote der Ehefrau nach § 1371 BGB zu erhöhen?

Entscheidung des OLG Hamm:

Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen – OLG Hamm Beschluss 21.3.2019 – I – 10 W 31/17

  1. Anwendbares Erbrecht: Hinsichtlich des in Deutschland gelegenen Grundstücks ist deutsches Erbrecht anwendbar. Es kommt zur Nachlassspaltung, d.h. für das übrige Vermögen gilt türkisches Erbrecht.
  2. Erhöhung der Erbquote: Die Erbquote der Ehefrau ist nicht nach § 1371 BGB zu erhöhen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Begründung:

  • Nachlassspaltung: Gemäß § 14 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens von 1929 ist für unbewegliches Vermögen in Deutschland deutsches Erbrecht anwendbar.
  • Gesetzliche Erbfolge: Da der Erblasser kein Testament hinterlassen hat, gilt die gesetzliche Erbfolge nach deutschem Recht. Die Ehefrau erbt neben den Kindern ein Viertel des Nachlasses (§ 1931 BGB).
  • § 1371 BGB: Diese Vorschrift sieht eine Erhöhung des Erbteils des Ehegatten vor, wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Im vorliegenden Fall ist § 1371 BGB nicht anwendbar, da die Ehegatten nach türkischem Recht verheiratet waren und das türkische Recht keine Zugewinngemeinschaft kennt.
  • Güterrechtliche Qualifikation: Selbst wenn man § 1371 BGB als güterrechtliche Vorschrift qualifizieren würde, käme sie nicht zur Anwendung. Denn nach den Regeln des Internationalen Privatrechts wäre auch dann türkisches Güterrecht anwendbar.
  • Erbrechtliche Qualifikation: Auch bei einer erbrechtlichen Qualifikation des § 1371 BGB wären die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Erbteils nicht erfüllt, da die Ehegatten nicht im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten.
  • Türkische Güterstände: Weder der Güterstand der Gütergemeinschaft nach altem türkischem Recht noch der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft nach neuem türkischem Recht sehen eine Erhöhung des Erbteils des Ehegatten vor.
  • Ausgleichsansprüche: Etwaige güterrechtliche Ausgleichsansprüche nach türkischem Recht können als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden, haben aber keinen Einfluss auf die Erbquote.

Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen – OLG Hamm Beschluss 21.3.2019 – I – 10 W 31/17

Folgen der Entscheidung:

Die Beschwerde der Ehefrau und der Kinder aus der zweiten Ehe wurde zurückgewiesen. Der Erbschein wird den Kindern aus erster Ehe mit einer Erbquote von jeweils 1/12 erteilt.

Fazit:

Der Beschluss des OLG Hamm verdeutlicht die komplexen erbrechtlichen und güterrechtlichen Fragen, die sich bei einem Erbfall mit Auslandsbezug stellen können.

Im vorliegenden Fall war aufgrund der Nachlassspaltung deutsches Erbrecht auf das in Deutschland gelegene Grundstück anzuwenden.

Die Erbquote der Ehefrau war jedoch nicht nach § 1371 BGB zu erhöhen, da die Ehegatten nach türkischem Recht verheiratet waren und das türkische Recht keine Zugewinngemeinschaft und keine entsprechende Erhöhung des Erbteils kennt.

Zusätzliche Erläuterungen:

  • Nachlassspaltung: Die Aufteilung des Nachlasses in verschiedene Nachlassteile, für die unterschiedliche Rechtsordnungen gelten.
  • Internationales Privatrecht (IPR): Die Rechtsordnung, die bestimmt, welches Recht in einem Fall mit Auslandsbezug anzuwenden ist.
  • EGBGB: Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthält die deutschen Regeln des Internationalen Privatrechts.
  • Deutsch-türkisches Nachlassabkommen: Ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Türkei, der das anwendbare Erbrecht bei Erbfällen mit Bezug zu beiden Staaten regelt.
  • Güterstand: Die rechtliche Ordnung des Vermögens von Ehegatten.
  • Zugewinngemeinschaft: Der gesetzliche Güterstand in Deutschland, bei dem jeder Ehegatte sein eigenes Vermögen behält, aber im Falle der Scheidung oder des Todes einen Anspruch auf den Zugewinn hat, den der andere Ehegatte während der Ehe erzielt hat.

Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen – OLG Hamm Beschluss 21.3.2019 – I – 10 W 31/17

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss die erbrechtlichen und güterrechtlichen Folgen eines Erbfalls mit Bezug zur Türkei und zu Deutschland klargestellt.

Hinsichtlich des in Deutschland gelegenen Grundstücks war deutsches Erbrecht anwendbar.

Die Erbquote der Ehefrau war jedoch nicht nach § 1371 BGB zu erhöhen, da die Ehegatten nach türkischem Recht verheiratet waren und das türkische Recht keine Zugewinngemeinschaft kennt.

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