Erbrecht eines Erben 4. Ordnung nach Beitritt der ehemaligen DDR

Juli 16, 2017

Erbrecht eines Erben 4. Ordnung nach Beitritt der ehemaligen DDR,

Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts

Kammergericht Berlin 6 W 59/16

05.07.2016 Beschluss

RA und Notar Krau

Im vorliegenden Fall ging es um die Erbfolge nach einer Person, die am 11. Januar 2009 verstorben war.

Der Antragsteller, ein vor dem 1. Juli 1949 nichtehelich geborener und später anerkannter Sohn des Erblassers, beantragte die Erteilung eines Alleinerbscheins.

Die Beschwerdeführer, mögliche Erben 5. Ordnung, wandten sich gegen diesen Antrag.

Sie argumentierten, dass der Antragsteller aufgrund seiner nichtehelichen Geburt in der väterlichen Linie nicht erbberechtigt sei,

da der Erbfall vor dem Inkrafttreten des 2. ErbGleichstellungsgesetzes (2. ErbGleichG) am 29. Mai 2009 eingetreten sei.

Erbrecht eines Erben 4. Ordnung nach Beitritt der ehemaligen DDR

Rechtliche Würdigung:

Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde zurück.

Zentrales Thema:

Kernpunkt des Rechtsstreits war die Auslegung von Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB, einer Überleitungsvorschrift im Einigungsvertrag,

die die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Kinder nach dem Beitritt der DDR regelte.

Argumente der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer argumentierten, dass Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB nur den Bestandsschutz der Erbrechte gewährleisten sollte,

die nichtehelichen Kindern unter der Geltung des ZGB der DDR zugestanden hätten.

Da das ZGB nur Erben bis zur 3. Ordnung kannte und der Antragsteller als Erbe 4. Ordnung nach dem ZGB nicht erbberechtigt gewesen wäre,

stehe ihm auch nach dem Beitritt kein Erbrecht zu.

Erbrecht eines Erben 4. Ordnung nach Beitritt der ehemaligen DDR

Entscheidung des Gerichts:

Das Kammergericht folgte dieser Argumentation nicht.

Es stellte fest, dass Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB darauf abzielte, die in der DDR bereits 1976 durch das ZGB erreichte

vollständige Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder auch nach dem Beitritt zu erhalten.

Bedeutung des Bestandsschutzes:

Der Bestandsschutz bezog sich nicht auf konkrete „Erbrechte“, sondern auf den erbrechtlichen Status

nichtehelicher Kinder, der in der DDR dem ehelicher Kinder gleichgestellt war.

Durch Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB wurde dieser Status beibehalten und nichteheliche Kinder wurden ehelichen Kindern

in Bezug auf die Anwendung der erbrechtlichen Vorschriften vollständig gleichgestellt.

Anwendbarkeit des BGB:

Da der Erbfall nach dem Beitritt eintrat, waren gemäß Art. 230 EGBGB und Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzuwenden.

Nach § 1928 BGB schließt der Erbe 4. Ordnung die Erben 5. Ordnung von der Erbfolge aus.

Da der Antragsteller der einzige Erbe 4. Ordnung war, war er allein erbberechtigt.

Kein Erfordernis der Erbberechtigung nach ZGB:

Das Gericht betonte, dass Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB nicht voraussetze, dass das nichteheliche Kind nach den Bestimmungen des ZGB auch Erbe geworden wäre.

Es ging darum, die Gleichstellung nichtehelicher Kinder im Erbrecht zu erhalten, nicht um die Übernahme aller erbrechtlichen Regelungen des ZGB.

Gesetzgeberische Entscheidung:

Der Einigungsgesetzgeber hatte bewusst entschieden, dass alle Erbfälle nach dem Beitritt den Regelungen des BGB

unterliegen sollten, unabhängig davon, ob eheliche oder nichteheliche Kinder betroffen waren.

Erbrecht eines Erben 4. Ordnung nach Beitritt der ehemaligen DDR

Damit wurden auch Verwandte der 4. und höherer Ordnung als gesetzliche Erben berufen.

Rechtsfolgen:

Durch diese gesetzgeberische Entscheidung wurden in Einzelbereichen Änderungen in der Erbfolge in Kauf genommen, die zu einer Besserstellung bestimmter Personenkreise führten.

Dies betraf neben dem Erbrecht des Antragstellers und der Beschwerdeführer auch die Pflichtteilsberechtigten.

Fazit:

Das Kammergericht Berlin stellte klar, dass Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB die Gleichstellung nichtehelicher Kinder im Erbrecht sicherstellte

und nicht auf die Erbrechte beschränkte, die ihnen unter der Geltung des ZGB zugestanden hätten.

Der Antragsteller war daher als Erbe 4. Ordnung erbberechtigt und der Alleinerbschein wurde zu Recht erteilt.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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