Kernaussage:
Bei einem Berliner Testament ist der Erwerb der mit dem erstverstorbenen Ehegatten näher verwandten Erben
nach § 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG in voller Höhe nach der günstigeren Steuerklasse zu besteuern, wenn der Wert des Erwerbs
den Wert des vom erstverstorbenen Ehegatten stammenden Vermögens nicht übersteigt.
Sachverhalt:
Erbschaftsteuer Berliner Testament Erwerb näher verwandte Erben
Die Kläger erbten von ihrer Tante, die mit ihrem Onkel ein Berliner Testament errichtet hatte.
In diesem Testament hatten sich die Eheleute gegenseitig zu Erben eingesetzt und die Kläger als Schlusserben für den Nachlass des Onkels bestimmt.
Das Finanzamt besteuerte den Erwerb der Kläger nur zur Hälfte nach der günstigeren Steuerklasse II, die für das Verwandtschaftsverhältnis zum Onkel galt.
Die Kläger machten geltend, dass ihr gesamter Erwerb nach Steuerklasse II zu besteuern sei.
Rechtliche Würdigung:
Das FG Köln gab der Klage statt.
1. Berliner Testament und § 15 Abs. 3 ErbStG:
§ 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG regelt die erbschaftsteuerliche Behandlung von Berliner Testamenten.
Demnach sind die mit dem erstverstorbenen Ehegatten näher verwandten Erben als dessen Erben anzusehen,
Erbschaftsteuer Berliner Testament Erwerb näher verwandte Erben
soweit sein Vermögen beim Tod des überlebenden Ehegatten noch vorhanden ist.
2. Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 ErbStG:
Im Streitfall waren die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 ErbStG erfüllt:
- Es lag ein Berliner Testament vor.
- Die Erblasserin war an die Verfügung gebunden.
- Das Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten war beim Tod der Erblasserin noch vorhanden.
3. Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz ErbStG:
Strittig war die Auslegung des letzten Halbsatzes des § 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG („soweit sein Vermögen beim Tode des überlebenden Ehegatten noch vorhanden ist“).
Das Finanzamt hatte die Vorschrift so verstanden, dass der Erwerb nur anteilig nach der günstigeren Steuerklasse zu besteuern ist.
Das FG Köln entschied hingegen, dass der Erwerb in voller Höhe nach der günstigeren Steuerklasse zu besteuern ist,
wenn der Wert des Erwerbs den Wert des vom erstverstorbenen Ehegatten stammenden Vermögens nicht übersteigt.
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4. Gesetzeszweck:
Diese Auslegung entspreche dem Gesetzeszweck, unbillige Härten zu vermeiden, die sich bei der zivilrechtlichen Einheitsbetrachtung des Berliner Testaments ergeben.
5. Anlehnung an das Recht der Vor- und Nacherbschaft:
§ 15 Abs. 3 ErbStG lehnt sich an das Recht der Vor- und Nacherbschaft an.
Der Gesetzgeber wollte Sachverhalte wie den vorliegenden erbschaftsteuerrechtlich genauso behandeln wie Mischerwerbe bei der Vor- und Nacherbschaft.
6. Berechnung der Erbschaftsteuer:
Das FG Köln berechnete die Erbschaftsteuer der Kläger neu und setzte sie niedriger fest.
7. Kostenentscheidung:
Die Kosten des Verfahrens wurden dem Finanzamt auferlegt.
8. Revision:
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Fazit:
Das FG Köln hat entschieden, dass bei einem Berliner Testament der Erwerb der mit dem erstverstorbenen Ehegatten
näher verwandten Erben in voller Höhe nach der günstigeren Steuerklasse zu besteuern ist,
wenn der Wert des Erwerbs den Wert des vom erstverstorbenen Ehegatten stammenden Vermögens nicht übersteigt.