Erbschaftsteuer – Verzicht auf einen zukünftigen Pflichtteilsanspruch gegen Zahlung eines Geldbetrags als Schenkung

November 3, 2025

Erbschaftsteuer – Verzicht auf einen zukünftigen Pflichtteilsanspruch gegen Zahlung eines Geldbetrags als Schenkung

Hier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Januar 2001 (Az.: II R 22/98) zum Thema Schenkungsteuer bei Pflichtteilsverzicht:

BFH-Urteil: Abfindung für künftigen Pflichtteilsverzicht ist schenkungsteuerpflichtig

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) klärt die Frage, wie die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu behandeln ist, wenn jemand zu Lebzeiten des Erblassers eine Geldzahlung von einem anderen Erben erhält und dafür auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche verzichtet.


Ausgangssituation: Worum ging es?

Ein Mann hatte von seiner Mutter Grundbesitz übertragen bekommen. Daraufhin schlossen die beiden Söhne (Brüder) noch zu Lebzeiten der Mutter einen notariellen Vertrag:

  1. Der eine Bruder (der Kläger) verzichtete gegenüber seinem anderen Bruder auf alle künftigen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche am Nachlass der Mutter.
  2. Der andere Bruder (der Zuwendende) verpflichtete sich im Gegenzug, dem Kläger insgesamt 260.000 DM zu zahlen (ein Teil sofort, der Rest nach dem Tod der Mutter).

Nach dem Tod der Mutter setzte das Finanzamt gegen den Kläger Schenkungsteuer auf die erhaltenen 260.000 DM fest. Es ging von einer Schenkung zwischen Brüdern aus (Steuerklasse III, ungünstiger).


Erbschaftsteuer – Verzicht auf einen zukünftigen Pflichtteilsanspruch gegen Zahlung eines Geldbetrags als Schenkung

Die zentrale Rechtsfrage

Ist die Geldzahlung für den Verzicht auf künftige Pflichtteilsansprüche eine freigebige Zuwendung (Schenkung) im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes, und wenn ja, welche Steuerklasse gilt?


⚖️ Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH)

Der BFH urteilte, dass die Zahlung der 260.000 DM eine schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung war, aber die Steuer nach der günstigeren Steuerklasse I (Verhältnis des Klägers zur Mutter) berechnet werden muss.

1. Die Zahlung ist eine freigebige Zuwendung (Schenkung)

  • Bereicherung: Der Kläger wurde aus dem Vermögen seines Bruders bereichert, und zwar endgültig, da er das Geld unabhängig vom späteren tatsächlichen Pflichtteilsanspruch behalten durfte.
  • Freigebigkeit: Die Zahlung erfolgte freigebig, weil der zuwendende Bruder rechtlich nicht zu einer Zahlung verpflichtet war. Die Mutter lebte noch, somit war der Pflichtteilsanspruch noch gar nicht entstanden.
  • Keine Gegenleistung: Der vom Kläger erklärte „Verzicht“ auf einen künftigen Anspruch stellt keine gleichwertige Gegenleistung dar, die die Freigebigkeit ausschließen würde. Ein künftiger Pflichtteilsanspruch ist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nur eine bloße Erwerbschance, kein sofort in Geld bewertbarer Vermögenswert.
  • Wille zur Freigebigkeit: Der zuwendende Bruder wusste, dass er keine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung hatte, da der Pflichtteilsanspruch noch nicht entstanden war. Der erforderliche Wille zur Freigebigkeit lag daher vor.

2. Die maßgebliche Steuerklasse

Obwohl die Zahlung vom Bruder geleistet wurde, ist die Steuerklasse heranzuziehen, die im Verhältnis des Empfängers (Verzichtenden) zum künftigen Erblasser (der Mutter) gilt.

  • Der BFH argumentierte, dass es bei der Abfindung für den Verzicht auf Pflichtteilsansprüche um die wertmäßige Teilhabe des Verzichtenden am Vermögen des Erblassers geht. Es handelt sich um eine Vorwegnahme des späteren Erwerbs.
  • Daher ist die Steuerklasse maßgeblich, die im Verhältnis Sohn zu Mutter gilt (Steuerklasse I), und nicht die Steuerklasse für Geschwister (Steuerklasse III), die das Finanzamt ursprünglich angesetzt hatte.

Fazit und Bedeutung für Laien

Wenn künftige gesetzliche Erben untereinander vereinbaren, dass einer gegen Zahlung eines Geldbetrages auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche verzichtet (sogenannter Erbschaftsvertrag nach § 312 Abs. 2 BGB):

  • Die Geldzahlung ist schenkungsteuerpflichtig.
  • Der Verzicht auf den künftigen Anspruch gilt nicht als gleichwertige Gegenleistung, die die Steuerpflicht aufhebt.
  • Die Steuer wird aber nach der günstigeren Steuerklasse berechnet, die zwischen dem Zuwendungsempfänger (dem Verzichtenden) und dem künftigen Erblasser (also demjenigen, dessen Nachlass betroffen ist) besteht (z.B. Kind zu Elternteil).

Dieses Urteil stellte klar, dass eine solche Vorab-Abfindung schenkungsteuerlich nicht als reguläres Geschäft unter Geschwistern behandelt wird, sondern als eine vom Erblasser stammende Zuwendung, die nur über den Bruder abgewickelt wird.

RA und Notar Krau

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