Erbschein Tierheim als Erbe

Juli 16, 2017

Erbschein Tierheim als Erbe

OLG Düsseldorf I-3 Wx 257/16

Insolvenzverfahren,

Rechtsnachfolge,

Bestimmung eines Ersatzerben

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich in einem Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, wer Erbe wird, wenn ein Tierheimverein,

der in einem Testament als Alleinerbe eingesetzt wurde, nach der Testamentserrichtung insolvent wird und seinen Betrieb an einen Dritten überträgt.

Erbschein Tierheim als Erbe

Der Fall:

Ein Mann verstarb im Jahr 2015 und hinterließ ein notarielles Testament aus dem Jahr 2004.

In diesem Testament hatte er den Verein „Tierheim … Kleve e.V.“ als Alleinerben eingesetzt.

Der Verein betrieb ein Tierheim in Kranenburg-Mehr.

Der Erblasser hatte in seinem Testament explizit darauf verzichtet, einen Ersatzerben für den Fall des Erlöschens des Vereins zu benennen.

Nach der Testamentserrichtung, aber vor dem Tod des Erblassers, wurde über das Vermögen des Tierheimvereins das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Insolvenzverwalter verkaufte das Inventar des Tierheims, einschließlich der Tiere, an einen Dritten, der den Betrieb des Tierheims an derselben Adresse fortführte.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Dritte beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben auswies.

Dem Antrag wurde stattgegeben.

Erbschein Tierheim als Erbe

Der Insolvenzverwalter des Tierheimvereins legte gegen die Erteilung des Erbscheins Beschwerde ein,

da er der Ansicht war, dass der Verein trotz Insolvenz der rechtmäßige Erbe sei.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Beschwerde des Insolvenzverwalters zurück und bestätigte die Erteilung des Erbscheins an den Dritten.

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Auslegung des Testaments: Der Erblasser habe in seinem Testament zwar den Verein als Alleinerben eingesetzt, aber als Anschrift nicht den Sitz des Vereins, sondern die Adresse des Tierheims angegeben. Dies zeige, dass der Erblasser den jeweiligen Betreiber des Tierheims als Erben einsetzen wollte und nicht den Verein unabhängig vom Betrieb des Tierheims.
  • Ergänzende Testamentsauslegung: Da der Erblasser die Insolvenz des Vereins und die Übertragung des Tierheimbetriebs an einen Dritten nicht vorhersehen konnte, sei eine ergänzende Testamentsauslegung erforderlich. Diese habe sich an dem mutmaßlichen Willen des Erblassers zu orientieren.
  • Mutmaßlicher Wille des Erblassers: Der Erblasser habe mit seiner testamentarischen Verfügung den Zweck verfolgen wollen, den Tieren im Tierheim zu helfen. Dies ergebe sich auch aus den Aussagen seines Betreuers, der als Zeuge vernommen wurde. Der Erblasser habe sich gewünscht, dass sein Nachlass den Tieren zugutekommt.
  • Insolvenz des Vereins: Da der Verein insolvent sei, würde der Nachlass bei einer Alleinerbschaft des Vereins nicht den Tieren zugutekommen, sondern den Gläubigern des Vereins. Dies widerspräche dem mutmaßlichen Willen des Erblassers.
  • Fortführung des Tierheimbetriebs: Der Dritte habe den Betrieb des Tierheims an derselben Adresse fortgeführt. Es entspreche daher dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, dass der Dritte als Erbe eingesetzt werde.

Fazit:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass bei der Auslegung eines Testaments der mutmaßliche Wille des Erblassers im Vordergrund steht.

Im vorliegenden Fall war es der Wille des Erblassers, dass sein Nachlass den Tieren im Tierheim zugutekommt.

Da der ursprünglich als Erbe eingesetzte Verein insolvent war, wurde der Dritte, der den Betrieb des Tierheims fortführte, als Erbe eingesetzt.

Rechtliche Aspekte:

  • Erbschein: Ein Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das den Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers ausweist. Er ist erforderlich, um über den Nachlass verfügen zu können.
  • Insolvenzverfahren: Ein Insolvenzverfahren wird eröffnet, wenn ein Schuldner zahlungsunfähig ist. Im Insolvenzverfahren wird das Vermögen des Schuldners verwertet, um die Gläubiger zu befriedigen.
  • Rechtsnachfolge: Die Rechtsnachfolge bezeichnet den Übergang von Rechten und Pflichten von einer Person auf eine andere Person. Im Erbrecht tritt der Erbe die Rechtsnachfolge des Erblassers an.
  • Bestimmung eines Ersatzerben: Der Erblasser kann in seinem Testament einen Ersatzerben bestimmen, der Erbe wird, wenn der ursprünglich eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht antritt oder nicht antreten kann.

Hinweise für die Praxis:

  • Testamentarische Verfügungen: Bei der Abfassung von testamentarischen Verfügungen sollte der Erblasser genau überlegen, wen er als Erben einsetzen möchte. Insbesondere bei Zuwendungen an juristische Personen sollte bedacht werden, dass diese ihren Zweck ändern oder insolvent werden können.
  • Ersatzerben: Es ist ratsam, in einem Testament Ersatzerben zu bestimmen, um für den Fall vorzusorgen, dass der ursprünglich eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht antritt oder nicht antreten kann.
  • Ergänzende Testamentsauslegung: Kann der Wille des Erblassers aufgrund veränderter Umstände nicht mehr eindeutig aus dem Testament ermittelt werden, ist eine ergänzende Testamentsauslegung erforderlich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Einklang mit der Rechtsprechung steht

und die Bedeutung der ergänzenden Testamentsauslegung zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Erblassers unterstreicht.

 

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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