Erbscheineinziehung – Anfechtung Anordnung Testamentsvollstreckung wegen Irrtums über zukünftige Entwicklung der Erben – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 134/00

Mai 11, 2020

Erbscheineinziehung Anfechtung Anordnung Testamentsvollstreckung wegen Irrtums über zukünftige Entwicklung der Erben – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 134/00

RA und Notar Krau

Dieser Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 22. November 2000 behandelt die Anfechtung

der Anordnung einer Testamentsvollstreckung wegen eines Irrtums des Erblassers über die zukünftige Entwicklung seiner Erben.

Im Mittelpunkt stehen die Voraussetzungen der Anfechtung, das Verhältnis zwischen Anfechtung und Testamentsauslegung sowie die Bestimmung des Geschäftswerts im Beschwerdeverfahren.

Sachverhalt

Der Erblasser hatte in mehreren Testamenten Testamentsvollstreckung angeordnet, da er befürchtete, seine Tochter (die Beteiligte zu 2) sei aufgrund ihrer damaligen Lebensführung nicht in der Lage, ihr Erbe zu verwalten.

Nach dem Tod des Erblassers änderte die Tochter ihre Lebensführung zum Positiven.

Sie focht die Testamentsvollstreckung an und machte geltend, der Erblasser habe sich über ihre zukünftige Entwicklung geirrt.

Kernaussagen des Beschlusses

Erbscheineinziehung – Anfechtung Anordnung Testamentsvollstreckung wegen Irrtums über zukünftige Entwicklung der Erben – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 134/00

Das BayObLG wies die weitere Beschwerde der Testamentsvollstreckerin (der Beteiligten zu 3) zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, die Testamentsvollstreckung aufzuheben.

Zentrale Punkte des Beschlusses:

  • Anfechtung wegen Motivirrtums: Die Anordnung der Testamentsvollstreckung kann wegen eines Irrtums im Beweggrund (Motivirrtums) angefochten werden.
  • Irrtum über zukünftige Entwicklung: Ein Irrtum über die zukünftige Entwicklung eines Erben kann ein Anfechtungsgrund sein, wenn der Erblasser davon ausging, dass sich die für ihn negativen Umstände nicht ändern würden.
  • Auslegung vor Anfechtung: Vor der Prüfung der Anfechtung muss das Testament ausgelegt werden. Eine Anfechtung ist nur dann begründet, wenn der Wille des Erblassers durch die Auslegung nicht erreicht werden kann.
  • Ergänzende Testamentsauslegung: Kann die im Testament enthaltene Lücke durch ergänzende Auslegung geschlossen werden, ist eine Anfechtung nicht erforderlich.
  • Geschäftswert: Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Wert der Testamentsvollstreckung, der in der Regel 10% des Aktivnachlasses beträgt.

Wesentliche Argumente des Gerichts:

Erbscheineinziehung – Anfechtung Anordnung Testamentsvollstreckung wegen Irrtums über zukünftige Entwicklung der Erben – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 134/00

  • Motivationslage des Erblassers: Der Erblasser hatte die Testamentsvollstreckung angeordnet, weil er die damalige Lebensführung seiner Tochter für problematisch hielt.
  • Irrtum über zukünftige Entwicklung: Der Erblasser irrte sich über die zukünftige Entwicklung seiner Tochter, die ihre Lebensführung änderte.
  • Ergänzende Auslegung: Eine ergänzende Auslegung würde ergeben, dass der Erblasser die Testamentsvollstreckung nicht angeordnet hätte, wenn er die positive Entwicklung seiner Tochter vorausgesehen hätte.
  • Kausalität des Irrtums: Der Irrtum des Erblassers war ursächlich für die Anordnung der Testamentsvollstreckung.
  • Keine Bestätigung: Die Tochter hatte die Testamentsvollstreckung nicht bestätigt.

Bedeutung des Beschlusses

Dieser Beschluss verdeutlicht die Möglichkeit der Anfechtung von letztwilligen Verfügungen wegen eines Irrtums über die zukünftige Entwicklung eines Erben. Es wird klargestellt, dass die Auslegung des Testaments der Anfechtungsprüfung vorgeht und dass eine ergänzende Auslegung Vorrang vor der Anfechtung hat.

Erbscheineinziehung – Anfechtung Anordnung Testamentsvollstreckung wegen Irrtums über zukünftige Entwicklung der Erben – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 134/00

Praktische Auswirkungen

Der Beschluss hat praktische Auswirkungen für die Gestaltung von Testamenten. Es ist wichtig, dass der Erblasser seine Motive für die Anordnung von Maßnahmen wie der Testamentsvollstreckung im Testament dokumentiert. Sollte der Erblasser Zweifel an der zukünftigen Entwicklung eines Erben haben, kann er dies im Testament zum Ausdruck bringen und ggf. Vorkehrungen treffen.

Zusätzliche Hinweise:

  • Der Beschluss befasst sich auch mit der Frage der Beschwerdeberechtigung im Erbscheineinziehungsverfahren.
  • Der Beschluss stellt klar, dass die Anfechtungsfrist nach § 2082 BGB nicht vor dem Erbfall beginnt.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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