Erbscheinsantrag des Ehemanns als „administrator“ nach englischem Recht

Oktober 29, 2025

Erbscheinsantrag des Ehemanns als „administrator“ nach englischem Recht

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.5.2025 – I-3 W 86/25

Der Fall: Deutsche Erblasserin mit Vermögen in Deutschland und England

Eine deutsche Staatsangehörige („Erblasserin“ – E), die aber mit ihrem Ehemann („Beteiligter“ – B) und zwei Kindern seit der Eheschließung in London, England, lebte, ist ohne Testament verstorben.

Ihr Nachlass besteht hauptsächlich aus:

Geld- und Wertpapiervermögen in Deutschland und Großbritannien (bewegliches Vermögen).

Ein Anteil an einer deutschen Erbengemeinschaft, zu deren Vermögen ein Hof in Schleswig-Holstein gehört (ebenfalls als bewegliches Vermögen betrachtet).

Der Ehemann (B) wurde vom englischen Gericht zum sogenannten „administrator“ bestellt. Er beantragte beim deutschen Nachlassgericht einen Erbschein, der ihn als Alleinerben des in Deutschland belegenen Vermögens ausweist, da die Erbfolge nach englischem Recht zu beurteilen sei.

Die Problemstellung: Nachlassspaltung und die Rolle des „administrator“

Das deutsche Amtsgericht lehnte den Antrag zunächst ab. Es sah eine potenzielle Nachlassspaltung (d.h. die Anwendung verschiedener Erbrechte auf verschiedene Teile des Nachlasses):

Für das bewegliche Vermögen (Geld, Wertpapiere, Erbengemeinschaftsanteil) wäre englisches Recht anzuwenden.

Für theoretisch mögliches, in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen (z.B. Grundbesitz) müsste deutsches Recht gelten.

Das Gericht befürchtete, der Erbschein, der den Ehemann als Alleinerben des gesamten Inlandsvermögens auswiese, würde den falschen Eindruck erwecken, er sei auch Erbe des unbeweglichen Vermögens nach deutschem Recht. Nach deutschem Erbrecht wären die Kinder neben dem Ehemann Miterben.

Zudem warf der Fall die grundlegende Frage auf: Kann der englische „administrator“ im deutschen Rechtsverkehr als „Erbe“ (im Sinne des deutschen Rechts und damit als Berechtigter für einen Erbschein) anerkannt werden?

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gab dem Ehemann recht und entschied, dass der Erbschein zu erteilen sei.

Keine Nachlassspaltung ohne Beweisanlass

Das OLG stellte klar, dass das Nachlassgericht vom Antragsteller keinen „Negativbeweis“ verlangen darf, dass kein unbewegliches Vermögen zum Nachlass gehört, wenn es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Erblasserin solches in Deutschland hatte. Es reicht aus, wenn der Antragsteller – wie hier der Ehemann an Eides statt – versichert, dass nur bewegliches Vermögen vorhanden ist.

Erbscheinsantrag des Ehemanns als „administrator“ nach englischem Recht

Das zum Nachlass gehörende 1/4-Anteil an der deutschen Erbengemeinschaft zählt in diesem Zusammenhang rechtlich zum beweglichen Vermögen. Somit liegt kein Fall einer Nachlassspaltung vor; das gesamte deutsche Vermögen der Erblasserin wird nach denselben Regeln vererbt.

Anwendbares Recht: Englisches Recht

Aufgrund der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) richtet sich die Erbfolge grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte – hier also Großbritannien.

Da die Erblasserin in London lebte, kommt das Erbrecht von England und Wales zur Anwendung. Nach dessen Kollisionsregeln wird das bewegliche Vermögen (der gesamte Nachlass hier) nach dem Recht des tatsächlichen Lebensmittelpunkts („domicile“) des Erblassers vererbt, was hier ebenfalls englisches Recht ist.

Die Rolle des „administrator“

Der entscheidende Punkt betrifft die Stellung des Ehemanns nach englischem Recht:

Deutsches Erbrecht sieht vor, dass der oder die Erben mit dem Tod automatisch Rechtsnachfolger („Universalsukzession“) werden.

Englisches Erbrecht (im Falle der gesetzlichen Erbfolge) funktioniert anders: Der Nachlass geht nicht direkt auf die gesetzlichen Erben („beneficiaries“) über. Stattdessen wird der „administrator“ (oder der testamentarisch bestimmte „executor“) der alleinige Rechtsnachfolger („personal representative“).

Der „administrator“ erwirbt das Vermögen als Treuhänder („trustee“). Er ist dafür zuständig, den Nachlass abzuwickeln (Schulden bezahlen) und den verbleibenden Rest gemäß den Erbfolgeregeln an die gesetzlichen Erben auszuteilen.

Das OLG entschied:

Da der Erbschein zur Legitimation im Rechtsverkehr dient, muss er der Person erteilt werden, die die alleinige Verfügungsbefugnis über den Nachlass besitzt. Dies ist nach englischem Recht allein der „administrator“ (der Ehemann), und nicht die gesetzlichen Erben (die Kinder und der Ehemann als Begünstigte).

Der „administrator“ ist somit die dem deutschen „Erben“ im Hinblick auf die Rechtsnachfolge am nächsten kommende Person, die zur Beantragung des Erbscheins berechtigt ist. Ergebnis und Vermerk im Erbschein

Der Erbschein musste dem Ehemann als alleinigem Rechtsnachfolger erteilt werden. Um der Treuhänderrolle des „administrator“ Rechnung zu tragen, schlug das OLG vor, im Erbschein einen Vermerk anzubringen:

…dass die Erblasserin nach englischem Recht beerbt worden und ihr Nachlass auf B als Nachlassverwalter („administrator“) übergegangen ist, der den Nachlass als Treuhänder auch zugunsten der beiden erbberechtigten ehelichen Kinder zu verwalten hat.

Fazit

Das Urteil des OLG Düsseldorf ist wichtig für deutsch-englische Erbfälle. Es stellt klar, dass:

Deutsche Nachlassgerichte keinen anlasslosen Negativbeweis für das Fehlen von unbeweglichem Vermögen fordern dürfen, um eine Nachlassspaltung zu vermeiden.

Der englische „administrator“ (oder „executor“) der alleinige Rechtsnachfolger des Erblassers ist und daher als einziger berechtigt ist, den deutschen Erbschein zu beantragen, auch wenn er den Nachlass nur treuhänderisch verwaltet.

RA und Notar Krau

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