Erbscheinsverfahren: Aufklärungspflicht des Nachlaßgerichts – Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss 2.2.1996 – 1Z BR 146/95
RA und Notar Krau
Der Erblasser verstarb 1994 im Alter von 93 Jahren und war seit 1987 verwitwet.
Der Beteiligte zu 1 ist das voreheliche Kind der Ehefrau, der Beteiligte zu 3 ist das uneheliche Kind der Ehefrau, und die Beteiligten zu 4 und 5 sind die Töchter des Beteiligten zu 3.
Der Nachlass bestand hauptsächlich aus einem Hausgrundstück.
Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten 1965 ein gemeinschaftliches notarielles Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten.
Am 2. Oktober 1981 verfasste der Erblasser einen handschriftlichen Nachtrag zum Testament, in dem er den Beteiligten zu 3 enterbte und den Beteiligten zu 1 und 2 das Erbe unter der Bedingung zuwies, dass nichts verkauft wird und das Haus später einer der beiden Töchter des Beteiligten zu 3 (Beteiligte zu 4 und 5) übergeben wird.
Weitere schriftliche Nachträge vom 25. Mai 1987, überschrieben als “Schenkungsurkunde” und “2. Nachtrag von 15.12.65”, erklärten den Nachtrag von 1981 für hinfällig und wiesen das Erbe ohne Einschränkungen den Beteiligten zu 1 und 2 zu.
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten einen Erbschein, der sie als Alleinerben zu je 1/2 ausweisen sollte, basierend auf dem Testament vom 2. Oktober 1981.
Das Nachlassgericht kündigte an, den Erbschein zu erteilen.
Die Beteiligten zu 3 bis 5 legten dagegen Beschwerde ein.
Das Landgericht verwarf die Beschwerde des Beteiligten zu 3 und gab den Beschwerden der Beteiligten zu 4 und 5 statt, hob den Vorbescheid des Nachlassgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung zurück.
Aufklärungspflicht des Nachlassgerichts:
Das Landgericht hatte die Hinweise auf die mögliche Testierunfähigkeit der Ehefrau des Erblassers im Testament vom 2. Oktober 1981 nicht ausreichend geprüft.
Da die Ehefrau des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unter nervenärztlicher Behandlung und Pflegschaft stand, hätte das Landgericht die Pflegschaftsakten beiziehen und prüfen müssen, ob das Leiden der Ehefrau ihre Testierfähigkeit beeinflusste.
Testierfähigkeit und wechselbezügliche Verfügung:
Die Testierfähigkeit beider Ehegatten ist Voraussetzung für die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments.
Bei Zweifel an der Testierfähigkeit muss das Nachlassgericht den Sachverhalt von Amts wegen aufklären.
Falls die Ehefrau testierunfähig war, könnte das Testament vom 2. Oktober 1981 als einseitige Verfügung des Erblassers angesehen werden, die jederzeit widerruflich war.
Auslegung der Erbeinsetzung:
Das Landgericht ging davon aus, dass der Erblasser die Beteiligten zu 1 und 2 zu Erben unter der Bedingung einsetzte, das Haus später an eine der beiden Beteiligten zu 4 oder 5 zu übergeben.
Es deutete dies als Vorerbschaft mit bedingter Nacherbschaft.
Alternativ könnte die Verfügung auch als Vollerbschaft mit einem Vermächtnis zugunsten der Beteiligten zu 4 und 5 ausgelegt werden, wobei die Bestimmung des Vermächtnisnehmers den Beteiligten zu 1 und 2 überlassen bliebe.
Der Beschluss des Landgerichts München I vom 13. Juli 1995 wurde aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung und neuen Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht muss nun den Sachverhalt weiter aufklären, insbesondere die Testierfähigkeit der Ehefrau des Erblassers prüfen und den genauen Willen des Erblassers bezüglich der Erbeinsetzung und etwaiger Vermächtnisse ermitteln.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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