Erbscheinsverfahren Auslegung eines Testaments – Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts – OLG München Beschluss vom 13. August 2018 – 31 Wx 49/17

Juli 15, 2020

Erbscheinsverfahren Auslegung eines Testaments – Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts – OLG München Beschluss vom 13. August 2018 – 31 Wx 49/17

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 21.12.2016 und das zugrunde liegende Verfahren werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur hierfür gegebenenfalls vorab erforderlichen Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde führte zur Aufhebung des Beschlusses vom 21.12.2016 und zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht gemäß § 69 Abs. 1, S. 3 FamFG.

I. Hintergrund und Beschwerde:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts hat Erfolg.

Das Nachlassgericht hatte die Erteilung eines Erbscheins abgelehnt, weil die notwendigen Tatsachen nicht abschließend festgestellt wurden.

Maßgebend für die Beurteilung der von den Ehegatten getroffenen Anordnungen ist ihr Wille zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 15.6.1992.

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II. Testament und Auslegung:

Testament vom 15.6.1992:

Die Ehegatten haben sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt.

Für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten haben sie keine Regelung getroffen und die Erbfolge offen gelassen, sodass im Falle des Ablebens des überlebenden Ehegatten ohne weitere letztwillige Verfügung gesetzliche Erbfolge eintritt.

Auslegung des Testaments:

Zeitpunkt der Testamentserrichtung:

Der Wille der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ist entscheidend.

Formulierung:

Die Formulierung „Bei einem gemeinsamen Tode, z.B. Unfall“ deutet darauf hin, dass die Ehegatten den Fall eines zeitgleichen Versterbens regeln wollten.

Der Wortlaut spricht für einen gleichzeitigen Tod durch einen gemeinsamen Lebenssachverhalt wie einen Unfall.

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Freie Verfügung des Überlebenden:

Der überlebende Ehegatte sollte über das Gesamtvermögen frei verfügen können.

Ein Regelungsbedarf besteht für den Fall, dass es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen kommt.

Feststellung der Umstände:

Die Feststellungslast, dass die Voraussetzungen für den Fall des „gemeinsamen Todes“ erfüllt sind, trägt die Beteiligte zu 1.

Die Verhinderung des überlebenden Ehegatten, eine eigene Testierung im Nachgang zum Ableben des vorverstorbenen Ehegatten vorzunehmen, muss konkret festgestellt werden.

Die abstrakt-generellen Kriterien des Nachlassgerichts (z.B. Länge des Zeitraums zwischen den Todeszeitpunkten, Trauerphase, gesundheitliche Situation) sind nicht ausreichend.

Konkrete Feststellungen zur Lebenssituation des überlebenden Ehegatten im Zeitraum zwischen den Todesfällen sind erforderlich.

III. Amtsermittlungspflicht:

Das Nachlassgericht hat seine verfahrensrechtliche Amtsermittlungspflicht in wesentlichen Punkten nicht erfüllt.

Zur Herstellung einer tragfähigen Entscheidungsbasis sind umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen, einschließlich der Beiziehung der Betreuungsakte und der Ermittlung von Kontaktpersonen der Erblasserin, notwendig.

Ein Gutachten durch einen psychiatrischen Sachverständigen mit der Zusatzweiterbildung „Geriatrie“ ist zur Abklärung erforderlich, ob die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes in der Lage war, zu testieren.

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IV. Zurückverweisung:

Die Zurückverweisung erfolgt, weil das Nachlassgericht seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt hat und umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen notwendig sind.

Die Beteiligte zu 1 hat die Zurückverweisung beantragt, die Beteiligte zu 7 wünschte hingegen eine Entscheidung des Senats.

Der Antrag eines jeden Verfahrensbeteiligten genügt für die Zurückverweisung.

V. Kosten und Geschäftswert:

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren wird dem Nachlassgericht übertragen.

VI. Rechtsbeschwerde:

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Die Ehegatten haben sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und keine Regelung für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten getroffen, was zur gesetzlichen Erbfolge führt, wenn der Überlebende keine weitere Verfügung errichtet.

Der Fall des „gemeinsamen Todes“ wurde durch die Formulierung „bei einem gemeinsamen Tode, z.B. Unfall“ geregelt, was einen gleichzeitigen Tod andeutet.

Die Feststellung der Verhinderung des überlebenden Ehegatten an einer eigenen Testierung nach dem Tod des vorverstorbenen Ehegatten bedarf konkreter Ermittlung und Prüfung.

Das Nachlassgericht hat seine Amtsermittlungspflicht nicht vollständig erfüllt, weshalb die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wird.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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