ErbStG Nichtanwendung Ehegattenfreibetrag für beschränkt Steuerpflichtige unionsrechtswidrig

August 4, 2017
ErbStG Nichtanwendung Ehegattenfreibetrag für beschränkt Steuerpflichtige unionsrechtswidrig

FG Baden-Württemberg 11 K 3629/13

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das FG entschied, dass die Nichtanwendung des vollen Ehegattenfreibetrags bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht für EU-Bürger,

die in einem Drittstaat leben, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des EU-Rechts verstößt.

Sachverhalt:

Eine Schweizer Staatsbürgerin (Klägerin) erbte von ihrem ebenfalls in der Schweiz lebenden Ehemann verschiedene Vermögenswerte.

Dazu gehörten Immobilien in Deutschland und der Schweiz sowie Bankguthaben und Unternehmensbeteiligungen in der Schweiz.

Das Finanzamt (FA) setzte Erbschaftsteuer fest, berücksichtigte aber nur den in Deutschland belegenen Grundbesitz

und gewährte lediglich den nach § 16 Abs. 2 ErbStG vorgesehenen Freibetrag von 2.000 EUR für beschränkt Steuerpflichtige.

Die Klägerin klagte und berief sich auf den höheren Ehegattenfreibetrag von 500.000 EUR gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG

für unbeschränkt Steuerpflichtige sowie auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach EU-Recht.

Rechtliche Würdigung:

Das FG gab der Klage statt und hob die Erbschaftsteuerfestsetzung auf.

Es begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Anwendbarkeit des ErbStG: Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Da weder die Klägerin noch ihr Ehemann in Deutschland ansässig waren, beschränkte sich die Steuerpflicht auf das in Deutschland belegene Vermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).
  • Freibeträge: Nach § 16 ErbStG gibt es unterschiedliche Freibeträge für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige. Für Ehegatten beträgt der Freibetrag bei unbeschränkter Steuerpflicht 500.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), bei beschränkter Steuerpflicht hingegen nur 2.000 EUR (§ 16 Abs. 2 ErbStG).
  • Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit: Das FG stellte fest, dass die unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen in Bezug auf den Ehegattenfreibetrag gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Es bezog sich dabei auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache „Welte“ (C-181/12). Der EuGH hatte entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit es verbietet, dass ein EU-Bürger, der in einem Drittstaat lebt, bei der Erbschaftsteuer in einem EU-Mitgliedstaat schlechter gestellt wird als ein in diesem Mitgliedstaat ansässiger Bürger.
  • Ungekürzte Anwendung des Ehegattenfreibetrags: Das FG wandte den Ehegattenfreibetrag in Höhe von 500.000 EUR ungekürzt an, obwohl die Klägerin nur beschränkt steuerpflichtig war. Es folgte damit der Rechtsprechung des EuGH und gewährte der Klägerin den gleichen Freibetrag wie einem in Deutschland ansässigen Ehegatten.
  • Keine Rechtfertigung durch Kohärenz des Steuersystems: Das FG wies das Argument des FA zurück, dass die unterschiedlichen Freibeträge durch die unterschiedliche Bemessungsgrundlage gerechtfertigt seien. Der EuGH hatte in der Rechtssache „Welte“ entschieden, dass die Kohärenz des Steuersystems keine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung darstellt.
  • Keine Option zur unbeschränkten Steuerpflicht: Die Möglichkeit, nach § 2 Abs. 3 ErbStG die unbeschränkte Steuerpflicht zu beantragen, stand der Klägerin nicht zur Verfügung, da diese Option nur für EU-Bürger oder Bürger des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gilt. Die Schweiz gehört weder zur EU noch zum EWR.

ErbStG Nichtanwendung Ehegattenfreibetrag für beschränkt Steuerpflichtige unionsrechtswidrig

Fazit:

Das Urteil des FG Baden-Württemberg stärkt die Rechte von EU-Bürgern, die in Drittstaaten leben, bei der Erbschaftsteuer in Deutschland.

Es stellt klar, dass die Kapitalverkehrsfreiheit eine Ungleichbehandlung in Bezug auf den Ehegattenfreibetrag verbietet.

Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung und könnte Auswirkungen auf die Erbschaftsteuerpraxis in Deutschland haben.

Zusätzliche Informationen:

  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen wurde.
  • Die Finanzverwaltung vertritt weiterhin die Auffassung, dass die unterschiedlichen Freibeträge gerechtfertigt sind und eine Besserstellung beschränkt Steuerpflichtiger vermieden werden muss.
  • Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof die Rechtsfrage endgültig entscheiden wird.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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