Das Oberlandesgericht (OLG) München hat entschieden, dass die Schwiegertochter des verstorbenen Sohnes der Erblasserin
nicht im Wege der ergänzenden Auslegung des Erbvertrags als Ersatzerbin eingesetzt werden kann.
Es fehlten ausreichende Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Willen der Erblasser.
Sachverhalt:
Ergänzende Auslegung eines Erbvertrages
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten in einem Erbvertrag ihren Sohn als Alleinerben eingesetzt und dessen Abkömmlinge als Ersatzerben.
Der Sohn verstarb jedoch vor der Erblasserin, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen.
Die Schwiegertochter des Sohnes beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist.
Sie argumentierte, dass sie im Wege der ergänzenden Auslegung des Erbvertrags als Ersatzerbin anzusehen sei.
Entscheidung des OLG:
Das OLG wies den Antrag der Schwiegertochter zurück.
Begründung:
Ergänzende Auslegung: Eine ergänzende Auslegung eines Testaments oder Erbvertrags kommt nur in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke besteht und der hypothetische Wille des Erblassers festgestellt werden kann.
Ergänzende Auslegung eines Erbvertrages
Keine Regelungslücke: Im vorliegenden Fall war nicht ersichtlich, dass die Erblasser eine Regelungslücke übersehen hatten. Es war ebenso wahrscheinlich, dass sie bewusst keine weitere Ersatzerbenregelung getroffen hatten.
Kein hypothetischer Wille: Selbst wenn eine Regelungslücke angenommen würde, konnte kein hypothetischer Wille der Erblasser festgestellt werden, die Schwiegertochter als Ersatzerbin einzusetzen.
- Auslegungsregel des § 2069 BGB: Die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach die Ehefrau an die Stelle ihres vorverstorbenen Ehemannes tritt, war nicht anwendbar.
- Verwandtschaftliche Beziehungen: Die Erblasser hatten in ihrem Erbvertrag die Blutsverwandtschaft als maßgeblich für die Erbfolge angesehen. Dies sprach gegen eine Ersatzerbeneinsetzung der Schwiegertochter.
- Keine ausreichenden Anhaltspunkte: Die späteren Handlungen und Äußerungen der Erblasserin konnten nicht als ausreichende Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Willen gewertet werden.
Gesetzliche Erbfolge: Da die ergänzende Auslegung des Erbvertrags nicht zu einer Erbeinsetzung der Schwiegertochter führte, trat die gesetzliche Erbfolge ein.
Folgen des Beschlusses:
Der Beschluss des OLG München verdeutlicht die Voraussetzungen für eine ergänzende Auslegung von Testamenten und Erbverträgen.
Es müssen konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Willen des Erblassers vorliegen.
Zusätzliche Anmerkungen:
- Der Beschluss zeigt die Grenzen der ergänzenden Auslegung im Erbrecht auf.
- Er stellt klar, dass spätere Handlungen und Äußerungen des Erblassers nicht ohne weiteres als Grundlage für eine ergänzende Auslegung herangezogen werden können.
- Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Praxis der Nachlassgerichte und der Notare.