Ergänzende Testamentsauslegung – Veräußerung Eigentumswohnung vor Erbfall

Mai 11, 2020

Ergänzende Testamentsauslegung – Veräußerung Eigentumswohnung vor Erbfall

OLG Köln, Beschluss 14.5.2010 – 2 U 159/09

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 14. Mai 2010 befasst sich mit der ergänzenden Auslegung eines Testaments

im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Eigentumswohnung vor dem Erbfall.

Die zentrale Frage ist, ob der Erlös aus dem Verkauf einer Wohnung, die zu Lebzeiten der Erblasserin veräußert wurde, den testamentarisch bedachten Erben zukommen soll,

obwohl das Testament keine explizite Regelung für diesen Fall enthält.

Hintergrund:

Im Ausgangsfall hatte die Erblasserin in ihrem Testament detaillierte Anweisungen für die Verteilung ihres Vermögens nach ihrem Tod hinterlassen,

darunter auch Regelungen für den Fall, dass ihre Eigentumswohnung nach ihrem Tod verkauft würde.

Diese Wohnung wurde jedoch bereits zu Lebzeiten der Erblasserin veräußert, und das Testament enthielt keine Bestimmung darüber, wem der Erlös aus diesem Verkauf zustehen sollte.

Die Klägerin, die ein Vermächtnis aus dem Testament erhalten sollte, forderte nun diesen Erlös für sich.

Entscheidung des Landgerichts:

Das Landgericht Köln hatte die Klage der Klägerin auf Auszahlung des Verkaufserlöses abgewiesen.

Es wurde festgestellt, dass das Testament keine Regelung für den Fall enthielt, dass die Wohnung zu Lebzeiten der Erblasserin verkauft wird.

Ergänzende Testamentsauslegung – Veräußerung Eigentumswohnung vor Erbfall

Diese Lücke im Testament könne durch eine ergänzende Testamentsauslegung geschlossen werden, die jedoch zu dem Ergebnis führte,

dass der Erlös den testamentarisch bedachten Erben, nicht der Klägerin, zugutekommen sollte.

Berufung:

Die Klägerin legte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein, welche jedoch nach der Entscheidung des OLG Köln keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Der Senat des OLG beabsichtigte, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzuweisen,

da die Ausführungen in der Berufungsbegründung keine andere Beurteilung rechtfertigten.

Ergänzende Testamentsauslegung:

Die ergänzende Testamentsauslegung wird dann relevant, wenn das Testament eine Lücke enthält, die der Erblasser nicht vorhergesehen hat.

Diese Lücke kann schon bei der Errichtung des Testaments bestehen oder durch nachträgliche Entwicklungen entstehen.

Ziel ist es, den hypothetischen Willen des Erblassers zu ermitteln, also was der Erblasser gewollt hätte, wenn er die späteren Entwicklungen bedacht hätte.

In diesem Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Erblasserin wahrscheinlich den Erlös der testamentarisch bedachten Erben zukommen lassen wollte,

hätte sie die spätere Entwicklung vorhergesehen.

Ergänzende Testamentsauslegung – Veräußerung Eigentumswohnung vor Erbfall

Die Erblasserin hatte keine ausdrückliche Anordnung getroffen, wem der Verkaufserlös zustehen sollte, was auf eine planwidrige Unvollständigkeit im Testament hindeutet.

Hypothetischer Wille der Erblasserin:

Das OLG Köln folgte der Ansicht des Landgerichts, dass es dem hypothetischen Willen der Erblasserin entspreche, den Erlös den Beklagten zukommen zu lassen.

Die Erblasserin hatte die Familienangehörigen als Erben eingesetzt und der Klägerin lediglich ein Vermächtnis zugewandt.

Eine Auslegung, die der Klägerin den Erlös zuspricht, würde dazu führen, dass die Klägerin praktisch als Alleinerbin betrachtet würde, was nicht im Sinne der Erblasserin gewesen sein könne.

Schlussfolgerung:

Der Senat stellte fest, dass der hypothetische Wille der Erblasserin darauf abzielte, die testamentarisch bedachten Erben zu begünstigen,

insbesondere da keine Anhaltspunkte für eine bewusste Regelungslücke bestanden.

Eine Änderung des Testaments nach der Veräußerung der Wohnung durch die Erblasserin war ebenfalls nicht erfolgt, was darauf hindeutet,

dass die Problematik der Lückenhaftigkeit der Erblasserin nicht bewusst war.

Ergebnis:

Die Berufung wurde zurückgewiesen, da der vorliegende Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hatte und die Entscheidung des OLG

nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich war.

Die Beurteilung beruhte auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls.

Die Klägerin erhielt die Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung des Rechtsmittels Stellung zu nehmen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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