Erhöhter Freibetrag bei Kündigung eines Kommanditanteils wenn Ausscheiden aus der Gesellschaft erst nach dem Todesfall erfolgt
Dieser Rechtstext ist eine Zusammenfassung des Urteils des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 15.01.2013 (Az. 4 K 3278/10). Es geht um die steuerliche Begünstigung beim Verkauf oder der Aufgabe eines Betriebsanteils, genauer gesagt um den sogenannten Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
Eine Frau (Klägerin) und ihr Ehemann waren Kommanditisten (Gesellschafter) einer Kommanditgesellschaft (KG).
Ende 2005 kündigten beide Ehepartner ihre Kommanditbeteiligung zum 31. Dezember 2006. Das heißt, sie hatten sich entschlossen, aus der Gesellschaft auszuscheiden und ihre Anteile aufzugeben.
Noch 2006, also vor dem formalen Ausscheiden aus der KG, verstarb der Ehemann.
Die Frau wurde Alleinerbin ihres Mannes.
Ende 2006 schied sie aus der KG aus, wobei ihr eigener Anteil und der geerbte Anteil des Mannes zusammen als ein größerer Anteil behandelt wurden (sie verkaufte/gab quasi den gesamten Anteil auf, der nun den ursprünglichen und den geerbten Anteil umfasste).
In der Folge entstand ein Veräußerungsgewinn (Gewinn aus der Aufgabe des Anteils).
Nach deutschem Einkommensteuerrecht können Steuerpflichtige, die das 55. Lebensjahr vollendet haben (oder dauernd berufsunfähig sind), einen Freibetrag von 45.000 Euro (§ 16 Abs. 4 EStG) auf den Veräußerungsgewinn geltend machen. Dieser Freibetrag soll als soziale Begünstigung dienen und kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden.
Die Klägerin beantragte, diesen Freibetrag zweimal zu berücksichtigen:
Einmal für sich selbst (da sie die Altersvoraussetzungen erfüllte und ihren eigenen Anteil aufgab).
Ein zweites Mal für ihren verstorbenen Ehemann (da auch er die Voraussetzungen erfüllte und die Kündigung zu Lebzeiten bindend ausgesprochen hatte).
Das Finanzamt gewährte den Freibetrag nur einmal und stützte sich dabei auf einen späteren Feststellungsbescheid, in dem der gesamte Veräußerungsgewinn nur der Klägerin zugerechnet wurde.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klägerin in vollem Umfang recht. Das Urteil klärte zwei zentrale Fragen:
Das Gericht bestätigte, dass der Klägerin beide Freibeträge zustanden: ihr eigener und der ihres verstorbenen Mannes.
Obwohl der Veräußerungsgewinn erst mit dem tatsächlichen Ausscheiden aus der KG nach dem Tod des Ehemannes entstand, musste für die Frage des Freibetrags auf das „Kausalgeschäft“ abgestellt werden, welches die Veranlassungskette rechtlich bindend in Gang gesetzt hat – in diesem Fall die Kündigung des Kommanditanteils durch den Ehemann zu Lebzeiten.
Da der Ehemann die Kündigung bindend ausgesprochen hatte und zu diesem Zeitpunkt die persönlichen Voraussetzungen (Alter oder Berufsunfähigkeit) für den Freibetrag erfüllte, stand ihm dieser Freibetrag dem Grunde nach zu.
Das Gericht betonte, dass die geänderte Gesetzesfassung des § 16 Abs. 4 EStG die Grundsätze einer früheren Bundesfinanzhof-Rechtsprechung (BFH) nicht entkräftet. Diese Grundsätze besagen, dass in solchen Erbfällen die persönlichen Verhältnisse des Erblassers maßgeblich sind. Die Erbin (Klägerin) war an diese Kündigung gebunden und führte das Geschäft nur noch zu Ende.
Die Regelung, dass der Freibetrag nur einmal zu gewähren ist, bezieht sich auf den jeweiligen Steuerpflichtigen. Da es sich um die Freibeträge von zwei verschiedenen Personen (Ehemann und Ehefrau) handelte, stand der Klägerin als Alleinerbin der Freibetrag ihres Mannes zusätzlich zu ihrem eigenen Freibetrag zu.
Das Gericht stellte klar, dass der Feststellungsbescheid des Betriebsstättenfinanzamtes, der den gesamten Veräußerungsgewinn nur der Klägerin zurechnete, keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage entfalten konnte, ob ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist.
Über die Gewährung und Höhe des Freibetrags wird immer erst im Einkommensteuerbescheid des einzelnen Gesellschafters entschieden, weil die Voraussetzungen (Alter, Berufsunfähigkeit, erstmalige Gewährung) höchstpersönliche Merkmale des jeweiligen Steuerpflichtigen sind.
Da der Feststellungsbescheid den ESt-Bescheid nur hinsichtlich der Höhe des Veräußerungsgewinns änderte, aber nicht bezüglich des Freibetrags, lag kein Grund für die vom Finanzamt vorgenommene Änderung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids vor (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO).
Wenn ein Gesellschafter (hier: der Ehemann) zu Lebzeiten bindend das Ausscheiden aus einer Gesellschaft (hier: KG) beschließt, das aber erst nach seinem Tod wirksam wird, kann seine Erbin (hier: die Ehefrau) trotzdem den ihm zustehenden steuerlichen Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) geltend machen.
Diesen Freibetrag erhält die Erbin zusätzlich zu ihrem eigenen Freibetrag, wenn sie selbst auch die Voraussetzungen für die Begünstigung erfüllt hat. Die Gewährung dieser persönlichen Freibeträge wird nicht durch einen allgemeinen Gewinnfeststellungsbescheid für die Gesellschaft bindend vorgegeben.
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