Erlass der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinverfahren (§ 352 FamFG)
OLG Hamm Beschluss vom 14.3.2025 – 10 W 35/25
Wenn jemand einen Erbschein beantragt, muss er dem Nachlassgericht normalerweise die notwendigen Angaben (wie den Todeszeitpunkt des Erblassers und das Verwandtschaftsverhältnis, das zum Erbrecht führt) durch öffentliche Urkunden (wie Geburts- oder Sterbeurkunden) belegen.
Zusätzlich muss der Antragsteller in der Regel eine eidesstattliche Versicherung abgeben – entweder vor Gericht oder bei einem Notar. Damit versichert er, dass ihm nichts bekannt ist, was den gemachten Angaben zur Erbfolge widersprechen könnte (§ 352 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Diese Versicherung soll die Richtigkeit der Angaben zusätzlich absichern.
Das Gesetz erlaubt dem Nachlassgericht, die Abgabe dieser eidesstattlichen Versicherung zu erlassen, wenn es diese nicht für erforderlich hält (§ 352 Abs. 3 Satz 4 FamFG). Dies ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts.
Die entscheidende Frage ist: Erhöht die Versicherung die Wahrscheinlichkeit, dass die Angaben zur Erbfolge richtig sind?
Der wichtigste Grund für den Erlass liegt vor, wenn der Antragsteller keine eigene Kenntnis von den Umständen der Erbfolge hat und daher nichts zur Sachverhaltsaufklärung beitragen kann.
Wenn der Antragsteller (wie oft bei Gläubigern, siehe unten) seine Informationen nur aus den Gerichtsakten oder anderen öffentlichen Dokumenten hat, und ihm keine weiteren, privaten Fakten bekannt sind, hat die eidesstattliche Versicherung keinen Nachweiswert. Sie wäre dann nur eine bloße Förmelei.
In einem solchen Fall bezieht sich die Versicherung nur darauf, dass dem Antragsteller nichts bekannt ist, was gegen die Angaben spricht – und da er ohnehin nur die Aktenlage kennt, bringt seine Versicherung keine zusätzliche Sicherheit.
Hält das Gericht die Richtigkeit der Angaben bereits durch die vorgelegten Urkunden oder die Aktenlage für ausreichend nachgewiesen, und hat der Antragsteller offenkundig keine eigenen, darüber hinausgehenden Kenntnisse, muss das Gericht sein Ermessen so ausüben, dass es die Versicherung erlässt.
Der vorliegende Beschluss des OLG Hamm verdeutlicht diesen Grundsatz im Kontext eines Gläubigers, der einen Erbschein beantragt:
Eine Gläubigerin (die Ast.) hatte eine Forderung gegen die verstorbene Erblasserin und einen entsprechenden Vollstreckungsbescheid erwirkt.
Um diesen Vollstreckungstitel auf die Erben umschreiben zu lassen, benötigte die Gläubigerin einen Erbschein (§ 727 ZPO). Sie war daher berechtigt, den Erbschein selbst zu beantragen (§ 792 ZPO).
Das Amtsgericht (AG) lehnte den Antrag ab, weil die erforderliche eidesstattliche Versicherung fehle. Die Gläubigerin legte Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hob die Entscheidung des AG auf und gab der Gläubigerin Recht.
Als Gläubigerin musste die Ast. grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie die Erben selbst, also auch die eidesstattliche Versicherung abgeben.
Das OLG stellte fest, dass die Gläubigerin offenkundig keine eigenen Kenntnisse zur Erbfolge besaß, die über das hinausgingen, was sich bereits aus der Nachlassakte ergab.
Da die Gläubigerin ihre Angaben allein auf den Inhalt der Gerichtsakte stützte, hätte ihre eidesstattliche Versicherung, der sie nichts Zusätzliches beifügen konnte, keinerlei Nachweiswert.
Das Gericht hätte das Ermessen nach § 352 Abs. 3 Satz 4 FamFG ausüben und die eidesstattliche Versicherung erlassen müssen, da sie in diesem Fall eine unnötige Formalität darstellte.
Die eidesstattliche Versicherung soll die Richtigkeit der Angaben zur Erbfolge bestätigen. Hält das Gericht sie aufgrund der Aktenlage oder der offensichtlichen Unkenntnis des Antragstellers (vor allem, wenn es sich nicht um einen Erben, sondern z. B. um einen Gläubiger handelt) für unnötig, muss es sie erlassen.
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