Erlöschen Pflichtteilsentziehungsrecht durch Verzeihung 

August 15, 2017
nachträglicher Sinneswandel
OLG Nürnberg 12 U 2016/11

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte in diesem Fall über die Frage zu entscheiden,

ob das Recht des Erblassers zur Pflichtteilsentziehung durch Verzeihung erloschen war und dem Kläger somit Pflichtteilsansprüche zustanden.

Sachverhalt:

Der Kläger, Sohn des Erblassers, machte gegen die Beklagte, die testamentarische Alleinerbin, Pflichtteilsansprüche geltend.

Der Erblasser hatte dem Kläger in seinem Testament den Pflichtteil entzogen.

Zwischen den Parteien war streitig, ob die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung vorlagen und ob der Erblasser dem Kläger verziehen hatte.

Rechtliche Grundlagen:

  • § 2333 BGB: Pflichtteilsentziehung
  • § 2337 BGB: Verzeihung

Entscheidung des Gerichts:

Erlöschen Pflichtteilsentziehungsrecht durch Verzeihung

Das OLG Nürnberg beabsichtigte, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Das Landgericht hatte zu Recht angenommen, dass ein etwaiges Pflichtteilsentziehungsrecht des Erblassers durch Verzeihung erloschen war.

Begründung:

  • Verzeihung: Eine Verzeihung liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die durch den Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet.
  • Kein inniges Verhältnis erforderlich: Verzeihung setzt weder eine Versöhnung noch ein inniges Verhältnis zwischen Erblasser und Abkömmling voraus.
  • Wiederaufleben familiärer Beziehungen: Es reicht in der Regel aus, wenn sich das Verhältnis zwischen Erblasser und Abkömmling normalisiert hat und die familiären Beziehungen wiederaufgelebt sind.
  • Erlöschen des Entziehungsrechts: Die Verzeihung bewirkt ein Erlöschen des Rechts zur Entziehung des Pflichtteils. Ein nachträglicher Sinneswandel des Erblassers kann dieses Recht nicht wieder aufleben lassen.
  • Indizien für eine Verzeihung: Im vorliegenden Fall sprachen mehrere Indizien für eine Verzeihung, z.B. der Briefverkehr zwischen Erblasser und Kläger während der Haftzeit, der Kontakt nach der Haftentlassung und die gegenseitige Unterstützung im Krankheitsfall.
  • Gesamtschau der Umstände: Aus der Gesamtschau der Umstände ergab sich, dass der Erblasser dem Kläger verziehen hatte.

Fazit:

Erlöschen Pflichtteilsentziehungsrecht durch Verzeihung

Das OLG Nürnberg hat in diesem Beschluss die Voraussetzungen für das Erlöschen des Pflichtteilsentziehungsrechts durch Verzeihung konkretisiert.

Es reicht aus, wenn der Erblasser die durch den Entziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr empfindet und die familiären Beziehungen wiederaufgelebt sind.

Wichtige Punkte des Beschlusses in Stichpunkten:

  • Verzeihung liegt vor, wenn der Erblasser die Kränkung nicht mehr empfindet.
  • Wiederaufleben der familiären Beziehungen spricht für eine Verzeihung.
  • Verzeihung bewirkt ein Erlöschen des Rechts zur Pflichtteilsentziehung.
  • Ein nachträglicher Sinneswandel ändert daran nichts.

Zusätzliche Hinweise:

  • Der Beschluss zeigt, dass auch schwere Kränkungen verziehen werden können.
  • Die Verzeihung ist ein unwiderruflicher Entschluss des Erblassers.
  • Im Zweifel sollten sich Erben und Pflichtteilsberechtigte anwaltlich beraten lassen.
RA und Notar Krau

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