Ermittlung des Bodenrichtwerts – Festsetzung des Grundsteuermessbetrags

November 1, 2025

Ermittlung des Bodenrichtwerts – Festsetzung des Grundsteuermessbetrags

Gericht: Hessisches Finanzgericht 3. Senat
Entscheidungsdatum: 10.09.2025
Aktenzeichen: 3 V 697/25
Dokumenttyp: Beschluss

Zusammenfassung des Beschlusses des Hessischen Finanzgerichts vom 10.09.2025 (Az.: 3 V 697/25)

Grundsteuer-Streit um Golfplatz-Grundstück in Hessen

Dieser Beschluss des Hessischen Finanzgerichts (FG) befasst sich mit der Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Bescheids über den Grundsteuermessbetrag nach dem neuen Hessischen Grundsteuergesetz (HGrStG). Vereinfacht gesagt, ging es darum, ob die Eigentümerin eines Grundstücks die festgesetzte Grundsteuer vorläufig nicht zahlen muss, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Das Gericht gab der Eigentümerin recht.

Der Fall: Ein Golfplatz im Außenbereich

Grundstück:

Ein großes, ehemaliges landwirtschaftliches Grundstück im Außenbereich (nach Baugesetzbuch) in Hessen, das an eine Golfplatzbetreiberin verpachtet und als Teil eines Golfplatzes hergerichtet ist.

Ausgangslage:

Der zuständige Gutachterausschuss hatte für dieses Grundstück bisher nur einen Bodenrichtwert für landwirtschaftliche Flächen (1,50 €/m²) ermittelt.

Finanzamt (FA) und Grundsteuer:

Das FA setzte den Grundsteuermessbetrag auf Basis des HGrStG fest. Dabei wandte es eine spezielle Vorschrift an (§ 7 Abs. 2 Satz 5 HGrStG), die für bebaute oder bebaubare Grundstücke im Außenbereich eine pauschale Berechnung von 10 % des durchschnittlichen Bodenrichtwerts der Gemeinde vorsieht. Dies führte zu einer deutlich höheren Grundsteuerbelastung als bei Anwendung des landwirtschaftlichen Bodenrichtwerts.

Klage des Eigentümers:

Die Eigentümerin legte Einspruch ein und beantragte die AdV, da sie die Berechnung für falsch hielt und argumentierte, die hohe Steuer führe zu einer verfassungswidrigen „Erdrosselungswirkung“ bzw. einer schrittweisen Enteignung ihres Vermögens.

Ermittlung des Bodenrichtwerts – Festsetzung des Grundsteuermessbetrags

Die zentrale Rechtsfrage und Entscheidung des Gerichts

Das Gericht musste klären, ob der angefochtene Bescheid des Finanzamts ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit aufweist, was eine Voraussetzung für die Aussetzung der Vollziehung ist.

Priorität des spezifischen Bodenrichtwerts

Das Gericht sah solche ernstlichen Zweifel als gegeben an und setzte die Vollziehung des Grundsteuerbescheids aus.

Der Kernpunkt der Entscheidung:

Das FA hatte eine pauschale Ersatzregelung (§ 7 Abs. 2 Satz 5 HGrStG) angewandt, die eigentlich nur greifen soll, wenn kein spezifischer Bodenrichtwert für die tatsächliche Nutzung des Grundstücks vorliegt.

Das Gericht stellte fest, dass die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 1 HGrStG – die auf dem tatsächlich ermittelten Bodenrichtwert der Zone basiert – Vorrang vor dieser pauschalen Ersatzregelung hat.

Das Gericht betont, dass der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 2 Satz 1 HGrStG nicht auf Grundstücke im Innenbereich beschränkt ist.

Unklarheit durch nachträgliche Gutachtenanfrage

Das FA hatte zwischenzeitlich eine gutachterliche Stellungnahme beim Gutachterausschuss beantragt, um einen Bodenrichtwert für die zutreffende Nutzungsart des Golfplatzes („sonstige Flächen“ / Sportflächen) ermitteln zu lassen.

Das Gericht sieht in dieser noch laufenden Ermittlung des korrekten Bodenrichtwerts eine Unklarheit in der Beurteilung einer entscheidungserheblichen Tatsache (dem anzusetzenden Bodenrichtwert).

Da dieser zukünftig ermittelte, spezifische Bodenrichtwert für die Sportflächen – und nicht die 10 %-Pauschalregelung – vorrangig für die Grundsteuerberechnung anzuwenden ist, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Bescheids.

Die wichtigsten Grundsätze des Beschlusses

Bindung an den Gutachterausschuss:

Der vom Gutachterausschuss ermittelte Bodenrichtwert ist für die Grundsteuerfestsetzung bindend (sogenannte Feststellungswirkung). Er wird im Grundsteuerverfahren wie eine Tatsache behandelt, deren Unklarheit Zweifel an der Steuerfestsetzung begründen kann.

Vorrang des Einzelwerts:

Die pauschale Ansatzmethode für Außenbereichsgrundstücke (10 % des Durchschnitts, § 7 Abs. 2 Satz 5 HGrStG) ist nachrangig (subsidiär). Sobald ein spezifischer Bodenrichtwert für die tatsächliche Nutzungsart des Grundstücks (hier: Sportfläche/Golfplatz) durch den Gutachterausschuss ermittelt wird, muss dieser vorrangig angewendet werden. Die Pauschalregelung dient nur als Ersatz, wenn ein solcher spezifischer Wert fehlt.

Entscheidung über die AdV:

Aufgrund der nun festgestellten Unklarheit und des Vorrangs des noch zu ermittelnden Bodenrichtwerts wurde die Vollziehung des Bescheids unbeschränkt ausgesetzt.

Ergebnis

Das Hessische Finanzgericht setzte die Vollziehung des Grundsteuermessbescheids aus. Die Eigentümerin muss die festgesetzte höhere Grundsteuer vorerst nicht zahlen, bis über ihren Einspruch entschieden wurde oder der Gutachterausschuss den spezifischen Bodenrichtwert ermittelt hat.

Das Gericht ließ die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) zu, da die Frage der Rangfolge der Berechnungsmethoden im neuen hessischen Grundsteuerrecht von grundsätzlicher Bedeutung ist.

RA und Notar Krau

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