Ersetzung Zustimmung Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung Betriebsratsmitglied wegen Vorwurfs sexueller Belästigung

April 25, 2025

Ersetzung Zustimmung Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung Betriebsratsmitglied wegen Vorwurfs sexueller Belästigung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss 23.02.2024, 7 TaBV 67/23

RA und Notar Krau

Im Kern dieses Beschlusses steht die Frage, ob die Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ersetzt werden kann

und ob dieses Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden soll.

Anlass für die beabsichtigte Kündigung und den Ausschluss sind Vorwürfe sexueller Belästigung gegenüber zwei weiblichen Arbeitskolleginnen während einer dienstlichen Veranstaltung.

Die Arbeitgeberin, ein im Jahr 2019 gegründetes Unternehmen mit einem Betrieb Süd in Essen, in dem circa 320 Arbeitnehmer beschäftigt sind, beantragte beim Arbeitsgericht Essen die Ersetzung der

Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des bei ihr seit dem 1. April 2022 beschäftigten und seit der letzten Betriebsratswahl Ende 2022 als AT-Angestellter der L. Abteilung tätigen Beteiligten zu 3).

Hilfsweise begehrte die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat Süd gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG.

Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung beziehen sich auf einen Vorfall am Abend des 1. Februar 2023 während einer dienstlichen Veranstaltung in W..

Ersetzung Zustimmung Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung Betriebsratsmitglied wegen Vorwurfs sexueller Belästigung

Laut Aussage der Arbeitskollegin Frau M. soll der Beteiligte zu 3) ihr von hinten kräftig auf das Gesäß geschlagen haben.

Eine weitere Mitarbeiterin, Frau JS., bestätigte, den Schlag gesehen zu haben, während eine dritte Kollegin, Frau EK., eine Handlung wahrgenommen, aber nicht explizit gesehen habe.

Zudem wird dem Beteiligten zu 3) vorgeworfen, gegenüber einer weiteren Kollegin, Frau CJ., während eines Salsa-Tanzes die Äußerung getätigt zu haben, „wir können auch gerne woanders weiter tanzen“.

Der Beteiligte zu 3) gab an, sich aufgrund von Alkoholkonsum an den Vorfall mit Frau M. nicht erinnern zu können.

Er nehme seit Sommer 2022 Medikamente gegen Rückenschmerzen, deren Wirkung durch Alkohol verstärkt werde.

Er halte es jedoch aufgrund seiner Persönlichkeit und Haltung für ausgeschlossen, sich entsprechend dem Vorwurf verhalten zu haben.

Bezüglich der Äußerung gegenüber Frau CJ. gab er an, diese nicht anzüglich gemeint zu haben.

Er entschuldigte sich per E-Mail bei Frau M. für sein „unzulängliches Verhalten“, begründete dies jedoch mit seiner geringen Alkoholtoleranz in Verbindung mit den neuen Medikamenten.

Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung.

Ersetzung Zustimmung Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung Betriebsratsmitglied wegen Vorwurfs sexueller Belästigung

Die Arbeitgeberin argumentierte, dass zumindest der begründete Verdacht einer sexuellen Belästigung bestehe, die zum Schutz der Mitarbeitenden nicht geduldet werden könne und den Betriebsfrieden erheblich stören würde.

Zudem sah die Arbeitgeberin in dem Verhalten des Betriebsratsmitglieds eine schwerwiegende Verletzung seiner Betriebsratspflichten.

Das Arbeitsgericht Essen wies den Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sowie den hilfsweise gestellten Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat zurück.

Es führte aus, dass die behaupteten Vorfälle zwar als sexuelle Belästigungen einzuordnen seien und „an sich“ einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen könnten.

Im vorliegenden Fall sei jedoch im Rahmen einer Interessenabwägung davon auszugehen, dass die Pflichtverletzungen keine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigten.

Das Arbeitsgericht berücksichtigte dabei den langen und ungestörten Verlauf des Arbeitsverhältnisses, die Alkoholisierung des Beteiligten zu 3) während der Veranstaltung, bei der Alkohol frei zur Verfügung stand,

sowie dessen Entschuldigung als Zeichen von Reue.

Zudem sah das Arbeitsgericht keine Verletzung von Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds, die einen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertigen würden.

Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein.

Sie rügte unter anderem, dass das Arbeitsgericht den Sachverhalt unzureichend gewürdigt und die Behauptung des Beteiligten zu 3) hinsichtlich seines Erinnerungsverlustes nicht kritisch hinterfragt habe.

Die Arbeitgeberin betonte die Schwere der sexuellen Belästigungen und sah keine Grundlage für die Annahme von Reue oder einer positiven Verhaltensprognose.

Sie argumentierte, dass eine Abmahnung aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens und der Uneinsichtigkeit des Beteiligten zu 3) entbehrlich gewesen sei.

Zudem sah die Arbeitgeberin eine grobe Verletzung der Betriebsratspflichten durch das Verhalten des Beteiligten zu 3), die seinen Ausschluss rechtfertige.

Ersetzung Zustimmung Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung Betriebsratsmitglied wegen Vorwurfs sexueller Belästigung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Beschwerde der Arbeitgeberin zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts Essen.

Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) nicht gerechtfertigt sei,

da kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliege, der eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen würde.

Das Gericht ging davon aus, dass das dem Beteiligten zu 3) vorgeworfene Verhalten eine sexuelle Belästigung darstelle und „an sich“ einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden könne.

Jedoch sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeberin mit einer Abmahnung ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden habe.

Das Gericht wertete die Entschuldigungen des Beteiligten zu 3) als Zeichen von Reue, auch wenn er sich möglicherweise nicht konkret an die Handlung gegenüber Frau M. erinnere.

Zudem sei nicht erkennbar, dass der Beteiligte zu 3) sein Verhalten nach einer Abmahnung nicht ändern würde.

Das Gericht betonte den langen und beanstandungsfreien Verlauf des über 23-jährigen Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3) im Konzern sowie den Umstand, dass es sich um das erste

bekannt gewordene Fehlverhalten dieser Art handele und beide Vorwürfe am selben Abend unter Alkoholeinfluss stattgefunden hätten.

Auch den hilfsweise gestellten Antrag auf Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat wies das Landesarbeitsgericht zurück.

Es stellte fest, dass der Beteiligte zu 3) durch sein Verhalten am 1. Februar 2023 keine Amtspflichten als Betriebsratsmitglied grob verletzt habe.

Gesetzliche Pflichten im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG seien Pflichten aus dem Betriebsverfassungsrecht und nicht Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.

Das beanstandete Verhalten sei in seiner Funktion als Arbeitnehmer während einer dienstlichen Veranstaltung erfolgt und stehe nicht in einem unmittelbaren Bezug zu seinem Amt als Betriebsratsmitglied.

Auch die Behauptung der Arbeitgeberin, der Beteiligte zu 3) habe die Kolleginnen konkludent der Lüge bezichtigt, stelle allenfalls eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar,

nicht aber eine grobe Verletzung von Amtspflichten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.

Das Landesarbeitsgericht ließ die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss nicht zu.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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