Erstattung Spieleinsätze bei Online-Glücksspielen – Aussetzung wegen anhängiger EuGH-Verfahren

April 21, 2025

Erstattung Spieleinsätze bei Online-Glücksspielen – Aussetzung wegen anhängiger EuGH-Verfahren

Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 25. Februar 2025 (Az.: 21 U 10/24)

RA und Notar Krau

Gerichtliche Aussetzung im Streit um die Rückerstattung von Spieleinsätzen bei Online-Glücksspielen aufgrund anhängiger EuGH-Verfahren

Das Kammergericht Berlin (21. Zivilsenat) hat mit Beschluss vom 25. Februar 2025 entschieden, ein Berufungsverfahren auszusetzen,

das die Rückforderung von Spieleinsätzen bei Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen zum Gegenstand hat.

Diese Aussetzung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) und dauert bis zur Entscheidung

des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in zwei anhängigen Verfahren (C-440/23 und C-530/24).

Hintergrund des Rechtsstreits

Der Kläger fordert von der Beklagten die Rückzahlung von insgesamt 11.268,32 Euro.

Dieser Betrag setzt sich aus Verlusten von 11.206,32 Euro bei Online-Sportwetten und 62 Euro bei Online-Glücksspielen zusammen,

an denen der Kläger im Zeitraum vom 6. Februar 2014 bis zum 7. Oktober 2020 auf den Webseiten der Beklagten teilgenommen hatte.

Erstattung Spieleinsätze bei Online-Glücksspielen – Aussetzung wegen anhängiger EuGH-Verfahren

Das Landgericht Berlin hatte der Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2023 in vollem Umfang stattgegeben.

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein und beantragte die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in den genannten Verfahren.

Die anhängigen EuGH-Verfahren

Das Verfahren C-440/23 beruht auf einem Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court of Malta vom 11. Juli 2023 und betrifft maßgeblich die Frage der Vereinbarkeit des § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags

(GlüStV) 2012 mit der in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Dienstleistungsfreiheit.

Diese Vorschrift enthielt ein grundsätzliches Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet.

Das Verfahren C-530/24 wurde durch ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. Juli 2024 initiiert.

Hierbei geht es um die Frage, ob die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV der Nichtigkeit eines Vertrags über Sportwetten entgegensteht, die ohne die erforderliche Erlaubnis angeboten wurden,

wenn der Anbieter in Deutschland eine entsprechende Erlaubnis beantragt hatte und das Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt wurde.

Zudem wird die Frage aufgeworfen, ob in dieser Konstellation das nationale Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für Online-Sportwetten als Schutzgesetz mit möglicher Schadensersatzpflicht anzusehen ist.

Die Entscheidung des Kammergerichts

Das Kammergericht schließt sich der Auffassung des BGH an und erachtet eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 Abs. 1 ZPO für geboten.

Erstattung Spieleinsätze bei Online-Glücksspielen – Aussetzung wegen anhängiger EuGH-Verfahren

Diese Vorschrift erlaubt die Aussetzung eines Rechtsstreits, wenn dessen Entscheidung von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist.

Das Gericht betont, dass die Entscheidung in den anhängigen EuGH-Verfahren präjudizielle Bedeutung für den vorliegenden Fall hat.

Begründung der Aussetzung bezüglich Online-Glücksspiele

Bezüglich der Rückforderung von Einsätzen bei Online-Glücksspielen ist die Frage der Vereinbarkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mit dem Unionsrecht entscheidend.

Der Kläger nahm an diesen Spielen während der Geltungsdauer des GlüStV 2012 teil.

Sein Anspruch auf Rückzahlung hängt davon ab, ob die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge aufgrund eines Verstoßes gegen dieses Verbot nichtig waren (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).

Die Vorlagefragen im Verfahren C-440/23 betreffen auch die unionsrechtliche Kohärenz der damaligen Regelung im Lichte der Rechtsprechung des EuGH.

Das Kammergericht sieht die aufgeworfenen Fragen nicht als offenkundig beantwortet an und verweist auf die Aussetzung ähnlicher Verfahren durch den BGH.

Sollte der EuGH entscheiden, dass § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 unionsrechtswidrig war, könnte diese Norm keine Anwendung finden, was die Nichtigkeit der Verträge in Frage stellen würde.

Begründung der Aussetzung bezüglich Online-Sportwetten

Auch hinsichtlich der Online-Sportwetten erachtet das Kammergericht die Entscheidung im Verfahren C-530/24 für vorgreiflich.

Hier geht es um die Auswirkungen der Dienstleistungsfreiheit auf Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche im Kontext des GlüStV 2012.

Obwohl der BGH in einer Entscheidung die Ansicht vertreten hat, dass bei Angeboten, die auch in einem unionsrechtskonformen Verfahren nicht erlaubnisfähig gewesen wären,

die Nichtigkeit nach § 134 BGB bestehen bleibe, hat er in einem späteren Fall ein Verfahren mit vergleichbarer Sachlage ausgesetzt.

Erstattung Spieleinsätze bei Online-Glücksspielen – Aussetzung wegen anhängiger EuGH-Verfahren

Das Kammergericht schließt sich dieser späteren Einschätzung des BGH an, wonach die Frage der Dienstleistungsfreiheit auch in Fällen relevant ist,

in denen ein Verstoß gegen materielles Glücksspielrecht vorliegt.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte unstreitig gegen das Trennungsverbot (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 GlüStV) und das Verbot von Ereigniswetten bei laufender Sportveranstaltung (§ 21 Abs. 4 GlüStV) verstoßen.

Ermessensausübung und Verfahrensökonomie

Das Kammergericht betont, dass im Rahmen der Ermessensausübung nach § 148 ZPO die Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie und die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen überwiegen.

Das Interesse des Klägers an einer zügigen Fortsetzung des Verfahrens müsse hinter diesen Belangen zurückstehen.

Das Gericht sieht keine durchgreifenden Rechtsnachteile für den Kläger durch die Aussetzung und verweist darauf,

dass der EuGH das Verfahren C-440/23 fortführt und das Verfahren C-530/24 voraussichtlich im Jahr 2025 abgeschlossen sein wird.

Die allgemeine Sorge des Klägers bezüglich einer möglichen Entziehung der Beklagten hindere die Aussetzung nicht.

Eine eigene Vorlage an den EuGH würde keine Beschleunigung bringen.

Die Tatsache, dass andere Oberlandesgerichte in ähnlichen Fällen teilweise anders entschieden haben, binde das Kammergericht nicht in seiner Ermessensausübung.

Zusammenfassend setzt das Kammergericht Berlin das Berufungsverfahren aus, um die Klärung entscheidender unionsrechtlicher Fragen durch den EuGH in den

anhängigen Verfahren C-440/23 und C-530/24 abzuwarten, da diese maßgeblich für die Beurteilung der Rückforderungsansprüche des Klägers sind.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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