Ersterrichtungsanspruch Wohnungseigentum

Januar 2, 2025

Ersterrichtungsanspruch Wohnungseigentum

BGH V ZR 243/23

Urteil vom 20. Dezember 2024

Zum Ersterrichtungsanspruch eines Wohnungseigentümers bei sogenanntem steckengebliebenen Bau

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

In diesem Fall ging es um einen sogenannten „steckengebliebenen Bau“ eines Wohn- und Geschäftshauses.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) war bereits entstanden, obwohl das Gebäude noch nicht errichtet war.

Die Klägerin, eine Wohnungseigentümerin, wollte die GdWE dazu verpflichten, das Gemeinschaftseigentum zu errichten.

Die übrigen Wohnungseigentümer lehnten dies ab.

Rechtliche Beurteilung:

Ersterrichtungsanspruch Wohnungseigentum

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer von der GdWE die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums verlangen kann.

Dies gilt auch bei einem steckengebliebenen Bau, wenn die GdWE bereits entstanden ist und die Erwerber bereits Wohnungseigentümer sind.

Der BGH hat jedoch auch klargestellt, dass dieser Anspruch durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begrenzt wird.

Die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums kann den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar sein, wenn beispielsweise die Kosten unverhältnismäßig hoch sind.

Im vorliegenden Fall hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben, da das Berufungsgericht die Unzumutbarkeit der Errichtung nicht selbst geprüft hatte.

Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die Unzumutbarkeit im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls prüft.

Folgende Kriterien sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit zu berücksichtigen:

Ersterrichtungsanspruch Wohnungseigentum

  • Fertigstellungsgrad der Anlage: Je geringer der Fertigstellungsgrad, desto höher die Kosten und desto eher ist die Errichtung unzumutbar.
  • Höhe der Investitionen: Der BGH hat den Rechtsgedanken des § 22 WEG herangezogen, wonach ein Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes nicht verlangt werden kann, wenn die Kosten unverhältnismäßig hoch sind. Bei einem steckengebliebenen Bau kann dies bedeuten, dass Kostensteigerungen von über 50 % des ursprünglich Kalkulierten regelmäßig zur Unzumutbarkeit führen.
  • Ersatzansprüche Dritter: Ersatzansprüche Dritter, z.B. wegen Schäden an Nachbargebäuden, können die Kosten für die Errichtung erhöhen und zur Unzumutbarkeit führen.
  • Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümer: Wenn die Zahlungsfähigkeit eines Teils der Wohnungseigentümer in Frage steht, kann dies die Errichtung unzumutbar machen.
  • Wirtschaftlich sinnvolle Alternativen: Gibt es Alternativen zur Errichtung, z.B. den Verkauf der Einheiten an einen Investor, kann dies die Errichtung unzumutbar machen.
  • Näheverhältnis zwischen bauwilligem Eigentümer und Bauträger: Ein Näheverhältnis kann auf ein kollusives Zusammenwirken hindeuten und die Errichtung unzumutbar machen.

Ersterrichtungsanspruch Wohnungseigentum

Im vorliegenden Fall wird das Berufungsgericht insbesondere Folgendes zu berücksichtigen haben:

  • Teilungserklärung: Die Teilungserklärung enthält eine Bestimmung zur Wiederaufbaupflicht, die bei Fehlen einer Versicherung nur besteht, wenn die Mittel in angemessener Zeit zu zumutbaren Bedingungen aufzubringen sind.
  • Finanzierung: Die Beklagte hat auf erheblich gestiegene Kreditkosten hingewiesen.
  • Zusatzkosten: Es bestehen Zusatzkosten für die Abfangung der Nachbargebäude.
  • Ersatzansprüche: Es bestehen Ersatzansprüche der Nachbarn.
  • Näheverhältnis: Die Klägerin ist die Ehefrau des Geschäftsführers der insolventen Generalbauunternehmerin.
  • Verkaufsangebot: Es liegt ein Angebot einer Sparkasse zum Kauf der Einheiten vor.

Fazit:

Der BGH hat in diesem Urteil die Rechtslage bei steckengebliebenen Bauvorhaben klargestellt.

Der Anspruch auf Errichtung des Gemeinschaftseigentums ist durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt.

Ob die Errichtung unzumutbar ist, muss im Einzelfall anhand verschiedener Kriterien geprüft werden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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