Erteilung eines Erbscheins – Nacherbfolge – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 72/90

September 5, 2020

Erteilung eines Erbscheins – Nacherbfolge – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 72/90

RA und Notar Krau

Der Erblasser hatte in seinem Testament von 1955 seine beiden Söhne B und W zu Erben seines Vermögens eingesetzt

und Nacherbfolge angeordnet für den Fall, dass B vor seiner Frau K oder W vor seinem Bruder B sterben sollte.

B verstarb 1989 und wurde von seiner Ehefrau (Beteiligte zu 1) beerbt.

W (Beteiligter zu 2) beantragte daraufhin die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Nacherben seines Bruders ausweist.

Das Nachlassgericht und das Landgericht gaben dem Antrag der Ehefrau von B statt, die einen Erbschein beantragte, der die uneingeschränkte Erbfolge ihres verstorbenen Mannes bestätigt.

Entscheidung des BayObLG:

Das BayObLG hob die Beschlüsse des Landgerichts und des Nachlassgerichts auf.

Weder der Ehefrau von B noch W allein steht die Erbschaft zu.

Vielmehr sind beide Beteiligten sowie die Tochter von B als Nacherben zu berücksichtigen.

Erteilung eines Erbscheins – Nacherbfolge – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 72/90

Begründung:

  • Nacherbfolge nach W: Die Nacherbfolge nach W ist entfallen, da die Bedingung (Tod vor dem Bruder) nicht mehr eintreten kann. W ist daher Vollerbe seines Erbteils.

  • Nacherbfolge nach B: Die Bedingung für die Nacherbfolge nach B (Tod vor seiner Frau) ist nicht mit dem Tod seiner ersten Frau K im Jahr 1966 ausgefallen, da sich die Bedingung auf jede Ehefrau beziehen kann. B ist daher nicht Vollerbe geworden.

  • Auslegung des Testaments: Das Testament ist auslegungsbedürftig, da die Formulierung „seine Frau“ mehrere Deutungen zulässt. Die Auslegung des Landgerichts, wonach die Bedingung mit dem Tod der ersten Frau erfüllt sei, ist fehlerhaft. Der Wille des Erblassers war darauf gerichtet, den Nachlass im Familienstamm zu halten und Schwiegertöchter als Erbinnen auszuschließen, unabhängig davon, ob es sich um die erste oder eine spätere Ehefrau handelt.

  • Ergänzende Testamentsauslegung: Da B eine Tochter hatte, die nach der Testamentserrichtung geboren wurde, ist eine ergänzende Testamentsauslegung erforderlich. Der hypothetische Wille des Erblassers ist zu ermitteln. Dieser wollte seine Söhne und deren Stämme gleich behandeln. Daher ist anzunehmen, dass er auch für den Fall der Nacherbfolge nach B eine Erbfolge entsprechend der gesetzlichen Erbfolge gewollt hätte.

  • Gesetzliche Erbfolge: Nacherben sind die Ehefrau und die Tochter von B im Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile. W ist nicht alleiniger Nacherbe.

  • Private Nachlassverteilung: Der Erblasser hat eine Sonderregelung für seinen „privaten Nachlass“ getroffen. Diese ist entweder als Nachvermächtnis oder als Erbeinsetzung auszulegen. Das Nachlassgericht muss dies im weiteren Verfahren klären.

Erteilung eines Erbscheins – Nacherbfolge – Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 72/90

Leitsätze:

    • Die Bezeichnung „seine Frau“ in einer testamentarischen Bedingung für die Nacherbfolge bezieht sich nicht nur auf die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehende Ehefrau, sondern auf jede Ehefrau des Vorerben.
    • Bei der ergänzenden Testamentsauslegung ist der hypothetische Wille des Erblassers zu ermitteln.
    • Eine testamentarische Verfügung, die den „privaten Nachlass“ betrifft, kann als Nachvermächtnis oder als Erbeinsetzung ausgelegt werden.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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