EuGH MR Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht nichteheliches Kind

Juli 23, 2017
EuGH MR Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht nichteheliches Kind
 
EuGH MR Individualbeschwerde Nr 3545/04

Art. 8 EMRK

Art. 14 EMRK

Diskriminierung durch Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht als vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind

ehemalige DDR

Vertrauensschutz des Erblassers

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Der Ausschluss nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, vom gesetzlichen Erbrecht in Deutschland

stellt eine Diskriminierung dar und verletzt Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

EuGH MR Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht nichteheliches Kind

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, unehelich geboren 1948 in der ehemaligen DDR, wurde durch die Anwendung des deutschen Erbrechts vom Erbe ihres Vaters ausgeschlossen.

Dieser hatte die Vaterschaft anerkannt und regelmäßigen Kontakt zu ihr gehalten.

Nach deutschem Recht waren nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen,

während eheliche Kinder und nichteheliche Kinder, die nach diesem Datum geboren wurden, erbberechtigt waren.

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin klagte erfolglos vor den deutschen Gerichten, die sich auf die bestehende Gesetzgebung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beriefen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Ungleichbehandlung mit dem Schutz des „Vertrauens“ des Erblassers und seiner Familie begründet.

EuGH MR Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht nichteheliches Kind

Entscheidung des EGMR:

Der EGMR stellte fest, dass der Ausschluss der Beschwerdeführerin vom Erbe ihres Vaters eine Diskriminierung

aufgrund ihrer nichtehelichen Geburt darstellt und somit Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 EMRK verletzt.

Begründung:

  • Anwendbarkeit von Artikel 8 EMRK: Der EGMR bejahte die Anwendbarkeit von Artikel 8 EMRK, da zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Vater ein Familienleben bestand und Erbrechtsfragen eng mit dem Familienleben verbunden sind.
  • Diskriminierung: Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, gegenüber ehelichen Kindern und nichtehelichen Kindern, die nach diesem Datum geboren wurden, stellt eine Diskriminierung dar.
  • Keine Rechtfertigung: Die vom Bundesverfassungsgericht angeführten Gründe für die Ungleichbehandlung (Schutz des „Vertrauens“ des Erblassers, praktische Schwierigkeiten beim Nachweis der Abstammung) erachtete der EGMR als nicht mehr zeitgemäß. Die gesellschaftliche Entwicklung und die Fortschritte bei der Feststellung der Vaterschaft (DNA-Tests) sprächen gegen die Aufrechterhaltung der Ungleichbehandlung.
  • Unverhältnismäßigkeit: Der EGMR betonte die Unverhältnismäßigkeit des Ausschlusses der Beschwerdeführerin vom Erbe, insbesondere da ihr Vater keine Ehefrau und keine anderen Kinder hatte und somit das Argument des „Vertrauensschutzes“ der Familie nicht zum Tragen kam.

Folgen des Urteils:

Das Urteil des EGMR hat die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Erbrecht nichtehelicher Kinder grundlegend verändert.

Deutschland musste seine Gesetze anpassen, um die Diskriminierung nichtehelicher Kinder zu beseitigen.

Zusätzliche Informationen:

  • Das Urteil verdeutlicht den hohen Stellenwert des Gleichbehandlungsgrundsatzes im europäischen Rechtssystem.
  • Der EGMR betont die dynamische Auslegung der EMRK im Lichte der gesellschaftlichen Entwicklung.
  • Das Urteil stärkt die Rechte nichtehelicher Kinder.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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