Familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung einer in Polen angefallenen Erbschaft durch in Deutschland lebendes minderjähriges Kind

Juni 14, 2025

Familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung einer in Polen angefallenen Erbschaft durch in Deutschland lebendes minderjähriges Kind

RA und Notar Krau

Saarländisches OLG, Beschluss vom 08.05.2020 – 6 UF 58/20

Erbausschlagung für ein Kind: Familiengericht muss genau prüfen

Dieser Fall betrifft eine Mutter aus Deutschland, die für ihr minderjähriges Kind eine Erbschaft in Polen ausschlagen wollte. Das Oberlandesgericht des Saarlandes (OLG Saarland) hat entschieden, dass das deutsche Familiengericht in solchen Fällen eine Genehmigung erteilen muss, selbst wenn das Kind nur deshalb Erbe geworden wäre, weil der Elternteil selbst die Erbschaft ausgeschlagen hat.

Was war passiert?

Eine Mutter, die in Deutschland lebt und die alleinige Sorge für ihr Kind hat, schlug eine Erbschaft ihres Großvaters in Polen aus. Sie ging davon aus, dass die Erbschaft daraufhin auf ihr Kind übergeht. Da sie aber auch für ihr Kind die Erbschaft ausschlagen wollte, stellte sie beim deutschen Familiengericht einen Antrag auf Genehmigung der Erbausschlagung für ihr Kind. Sie war der Meinung, dass dies nach polnischem Recht erforderlich sei.

Das Familiengericht lehnte den Antrag ab. Es begründete dies damit, dass nach deutschem Recht in dieser speziellen Situation keine familiengerichtliche Genehmigung für die Erbausschlagung des Kindes erforderlich sei.

Die Mutter legte daraufhin Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

Familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung einer in Polen angefallenen Erbschaft durch in Deutschland lebendes minderjähriges Kind


Die Entscheidung des OLG des Saarlandes

Das OLG Saarland gab der Mutter teilweise Recht und hob die Entscheidung des Familiengerichts auf. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Deutsche Gerichte sind zuständig: Das OLG bestätigte, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind, um über die Erteilung einer solchen Genehmigung zu entscheiden.
  • Berücksichtigung polnischen Rechts: Auch wenn grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden ist, muss das deutsche Gericht in diesem Fall das polnische Recht berücksichtigen. Das liegt daran, dass das internationale Kindesentführungsübereinkommen (KSÜ) vorschreibt, dass das zuständige Gericht das Recht eines anderen Staates anwenden oder berücksichtigen kann, wenn es der Schutz des Kindes erfordert.
  • Schutz des Kindeswohls: Im polnischen Recht ist vorgesehen, dass eine gerichtliche Genehmigung für die Ausschlagung einer Erbschaft durch einen gesetzlichen Vertreter eines Kindes erforderlich ist, selbst wenn das ausländische Recht dies nicht verlangt. Da die Mutter angab, dass der Nachlass überschuldet sei, ist es für den wirksamen Schutz des Kindesvermögens notwendig, dieses polnische Genehmigungserfordernis zu beachten. Ohne diese Genehmigung könnte die Erbausschlagung in Polen unwirksam sein und das Kind würde möglicherweise einen überschuldeten Nachlass erben.
  • Rückverweisung an das Familiengericht: Da das Familiengericht die Frage der Genehmigungsfähigkeit unter Berücksichtigung des polnischen Rechts nicht geprüft hatte, wurde der Fall an das Familiengericht zurückverwiesen. Das Familiengericht muss nun prüfen, ob die Erbausschlagung im Sinne des Kindeswohls ist und ob der Nachlass tatsächlich überschuldet ist.

Das OLG betonte, dass eine eigene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht sinnvoll wäre, da weitere Ermittlungen – zum Beispiel zur Überschuldung des Nachlasses – notwendig sind.

Kosten des Verfahrens

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wurden nicht erhoben. Die beantragte Verfahrenskostenhilfe für die Mutter wurde abgelehnt, da ihr aufgrund der Nichterhebung der Gerichtskosten und der fehlenden anwaltlichen Vertretung keine Kosten entstanden sind.


Wichtige Erkenntnis für die Praxis

Dieser Beschluss macht deutlich, dass Familiengerichte bei grenzüberschreitenden Fällen, die Minderjährige betreffen, auch die Rechtslage des anderen Staates genau prüfen und berücksichtigen müssen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Die bloße Anwendung deutschen Rechts reicht hier nicht immer aus. Es zeigt, wie komplex Erbfälle sein können, wenn internationale Bezüge bestehen und Minderjährige betroffen sind.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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