Fehler bei der Beschlussfassung im Gesellschaftsrecht die zur Anfechtbarkeit führen
Im deutschen Gesellschaftsrecht, insbesondere bei der GmbH und AG, sind Gesellschafter- oder Hauptversammlungsbeschlüsse die zentralen Willensentscheidungen der Eigentümer. Fehler in diesem Prozess können dazu führen, dass ein Beschluss anfechtbar ist. Im Gegensatz zu nichtigen Beschlüssen, die von vornherein als unwirksam gelten, ist ein anfechtbarer Beschluss zunächst wirksam und verliert seine Gültigkeit erst durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage innerhalb einer meist kurzen Frist (oft ein Monat). Die Unterscheidung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit ist dabei von großer praktischer Relevanz.
Die Gründe für eine Anfechtbarkeit lassen sich in der Regel in formelle (Verfahrens-) Fehler und inhaltliche (materielle) Fehler unterteilen.
Formelle Fehler betreffen die Vorbereitung, Einberufung, Durchführung und Dokumentation der Gesellschafter- oder Hauptversammlung. Sie führen zur Anfechtbarkeit, wenn sie gegen zwingendes Gesetz oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (Satzung) verstoßen und kausal für den Beschluss sind. Zu den typischen formellen Mängeln zählen:
Die Einladung muss in der Regel form- und fristgerecht erfolgen und alle Gesellschafter (oder Aktionäre) müssen ordnungsgemäß geladen werden.
Wenn die gesetzliche oder satzungsmäßige Frist für die Einladung nicht eingehalten wird.
Die Nichtladung eines oder mehrerer Gesellschafter, die teilnahme- und stimmberechtigt sind, ist ein klassischer und schwerwiegender Mangel.
Wenn die Versammlung von Personen einberufen wird, die dazu nach Gesetz oder Satzung nicht befugt sind (dies kann unter Umständen auch zur Nichtigkeit führen, je nach Schwere).
Die Gesellschafter müssen vorab ausreichend über die zur Beschlussfassung stehenden Gegenstände informiert werden.
Wenn die Beschlussgegenstände in der Einladung nicht oder nicht hinreichend klar angekündigt wurden, sodass eine informierte Entscheidung nicht möglich war.
Die Beschlussfassung über Punkte, die nicht auf der ordnungsgemäß mitgeteilten Tagesordnung standen, ist in der Regel anfechtbar, es sei denn, die Satzung lässt dies zu und alle Gesellschafter sind anwesend und stimmen zu.
Wenn die Versammlung an einem Ort abgehalten wird, der gegen die Satzung verstößt oder für die Gesellschafter unzumutbar ist und deren Teilnahme faktisch behindert.
Wenn entgegen den satzungsmäßigen oder gesetzlichen Vorschriften über die Beschlussfähigkeit (Quorum) abgestimmt wird.
Eine unzulässige Einschränkung der Rechte der Gesellschafter, sich zu äußern oder Fragen zu stellen, die für die Entscheidungsfindung relevant sind.
Beispielsweise eine falsche Stimmauszählung, die Anwendung eines falschen Mehrheitserfordernisses oder die fehlerhafte Behandlung von Stimmverboten oder Stimmbindungen.
Inhaltliche Fehler beziehen sich auf den Inhalt des gefassten Beschlusses selbst und führen dann zur Anfechtbarkeit, wenn dieser gegen höherrangiges Recht oder grundlegende Prinzipien des Gesellschaftsrechts verstößt:
Dies ist der zentrale Auffangtatbestand für inhaltliche Mängel, insbesondere im GmbH-Recht. Die Treuepflicht verlangt, dass die Gesellschafter ihre Rechte so ausüben, dass sie nicht die Gesellschaft oder Mitgesellschafter schädigen oder ungerechtfertigt bevorzugen. Ein Verstoß liegt vor, wenn:
Sondervorteile erstrebt werden: Ein Beschluss dient primär dazu, einem oder einzelnen Gesellschaftern einen ungerechtfertigten Vorteil auf Kosten der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter zu verschaffen (z.B. überhöhte Vergütung, ungerechtfertigte Sonderrechte).
Ein Mehrheitsgesellschafter nutzt seine Macht, um der Minderheit willkürlich oder treuwidrig Nachteile aufzuerlegen, die nicht im Unternehmensinteresse liegen oder die zumutbare Lastenverteilung überschreiten.
Gesellschafter, die sich in vergleichbarer Lage befinden, müssen auch gleich behandelt werden. Ein Beschluss, der ohne sachlichen Grund bestimmte Gesellschafter diskriminiert oder ungleich behandelt, ist anfechtbar.
Beschlüsse, die offenkundig dem in der Satzung festgelegten Gesellschaftszweck zuwiderlaufen und das Unternehmensinteresse substanziell verletzen, können anfechtbar sein.
Wenn ein Gesellschafter in einer Angelegenheit abstimmt, in der er aufgrund eines gesetzlichen Stimmverbotes (z.B. weil der Beschluss die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm selbst oder die Entlastung seiner Geschäftsführung betrifft) nicht stimmberechtigt war, und dieses Votum kausal für die Mehrheit war.
Es ist entscheidend, dass nicht jeder formelle Fehler zur Anfechtbarkeit führt. Vielmehr muss der Mangel erheblich und kausal für den Beschluss sein, d.h., es ist davon auszugehen, dass der Beschluss bei ordnungsgemäßem Verfahren anders ausgefallen wäre.
Eine erfolgreiche Anfechtungsklage führt dazu, dass der Beschluss rückwirkend unwirksam wird. Wegen der kurzen Anfechtungsfrist ist rasches Handeln für den betroffenen Gesellschafter unerlässlich, um die Bestandskraft des fehlerhaften Beschlusses zu verhindern.