FG Hessen 1 K 1809/04 – abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen

Juni 6, 2022

FG Hessen 1 K 1809/04

abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen

Urteil verkündet am 03.04.2007

RA und Notar Krau:

Der Kläger erbte als testamentarischer Miterbe zu 2/3 das Vermögen des am xx. März 2002 verstorbenen Erblassers J.

Die ursprünglich als Vorerbin eingesetzte Ehefrau des Erblassers schlug die Erbschaft aus, wodurch die Nacherbschaft unmittelbar eintrat.

Zum Nachlass gehörte ein Wertpapierdepot, dessen Kurswert zwischen dem Todestag des Erblassers und dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses an den Kläger sank.

Der Kläger machte geltend, dass die Erbschaftsteuer aufgrund des Kursverlustes herabzusetzen sei.

Er beantragte eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen,

da ihm der Nachlass erst nach der Bestellung des Testamentsvollstreckers und der damit verbundenen Verzögerung zugeflossen sei.

FG Hessen 1 K 1809/04

Entscheidung des Gerichts:

Das Hessische Finanzgericht wies die Klage ab.

Es stellte fest, dass der Beklagte (das Finanzamt) zu Recht Erbschaftsteuer festgesetzt hatte.

Begründung:

  1. Erwerb von Todes wegen:

    • Der Kläger erwarb das Erbe von Todes wegen nach dem Erblasser, nicht durch Schenkung der Vorerbin.
    • Die Ausschlagung der Erbschaft durch die Vorerbin führte dazu, dass die Nacherben unmittelbar Erben wurden.
  2. Stichtagsprinzip:

    • Für die Bewertung des Nachlassvermögens ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich (§§ 11, 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
    • Wertveränderungen nach dem Todestag, wie Kursverluste bei Wertpapieren, sind nicht zu berücksichtigen.
    • Dies gilt auch bei beschränktem Verfügungsrecht des Erben, z.B. durch Testamentsvollstreckung.
    • Die Bewertung börsennotierter Wertpapiere zum Todestag mit ihrem aktuellen Börsenwert ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
  3. Billigkeitserlass:

    • Der Beklagte lehnte den Antrag auf Herabsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ermessensfehlerfrei ab.
    • Eine Unbilligkeit im Sinne des § 163 AO liegt nur vor, wenn die Steuerzahlung die Existenz des Steuerschuldners gefährden würde (persönliche Unbilligkeit) oder wenn der Gesetzgeber die Frage im Sinne des Erlasses entschieden hätte (sachliche Unbilligkeit).
    • Eine persönliche Unbilligkeit lag nicht vor.
    • Eine sachliche Unbilligkeit wurde verneint, da das Erbschaftsteuerrecht vom Stichtagsprinzip beherrscht wird.
    • Kursverluste nach dem Stichtag begründen grundsätzlich keine sachliche Unbilligkeit.
    • Ein außergewöhnlicher Ausnahmefall, der eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen könnte, lag nicht vor, da der Kursverlust nur etwa 15 % betrug.

FG Hessen 1 K 1809/04

Fazit:

Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung und die Ablehnung des Billigkeitserlasses.

Es betonte die strikte Geltung des Stichtagsprinzips im Erbschaftsteuerrecht und die begrenzten Möglichkeiten einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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