FG München 4 K 1131/07 – erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung einer latenten Einkommensteuerbelastung auf vererbte Zinsansprüche

Juni 6, 2022

FG München 4 K 1131/07

erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung einer latenten Einkommensteuerbelastung auf vererbte Zinsansprüche

RA und Notar Krau:

Sachverhalt:

Der Kläger erbte von seinem Bruder Wertpapiere, auf die zum Todeszeitpunkt noch nicht fällige Zinsansprüche entfielen.

Diese Zinsen wurden in der Erbschaftsteuererklärung des Klägers als Nachlassverbindlichkeit in Höhe der darauf entfallenden Einkommensteuer geltend gemacht.

Das Finanzamt erkannte diese latente Einkommensteuerbelastung jedoch nicht als Nachlassverbindlichkeit an.

Streitpunkt:

Der Streitpunkt war die erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerbelastung auf die vererbten Zinsansprüche.

Entscheidung des Gerichts:

FG München 4 K 1131/07

Das Finanzgericht München wies die Klage ab.

Die latente Einkommensteuerbelastung auf die erworbenen Zinsansprüche wurde nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkannt.

Begründung:

  1. Bereicherungsprinzip und Stichtagsprinzip:

    • Die Erbschaftsteuer folgt dem Bereicherungsprinzip, d.h. sie besteuert den unentgeltlichen Vermögenszuwachs des Erben.
    • Nach dem Stichtagsprinzip ist für die Bewertung der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich.
    • Nachträgliche Wertveränderungen werden nicht berücksichtigt.
  2. Latente Einkommensteuer:

    • Latente Einkommensteuer auf noch nicht fällige Zinsen ist keine Erblasserschuld, sondern eine eigene Schuld des Erben.
    • Sie entsteht erst nach dem Tod des Erblassers in der Person des Erben.
    • Der BFH lehnte bisher die Abzugsfähigkeit latenter Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit ab.
  3. Wegfall des § 35 EStG a.F.:

    • § 35 EStG a.F. sah eine Ermäßigung der Einkommensteuer auf Erträge vor, die zuvor der Erbschaftsteuer unterlagen.
    • Diese Vorschrift wurde 1999 aufgehoben.
    • Der BFH ließ offen, ob die bisherige Rechtsprechung zur latenten Einkommensteuer nach Wegfall des § 35 EStG a.F. noch haltbar ist.
  4. Keine Nachlassverbindlichkeit:

    • Das FG München entschied, dass die latente Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist.
    • Es begründete dies mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 ErbStG und dem Stichtagsprinzip.
    • Der Wegfall des § 35 EStG a.F. ändere nichts an der Auslegung des Bereicherungsprinzips.
  5. Keine Verfassungsverstöße:

    • Die Nichtberücksichtigung der latenten Einkommensteuer verstößt nicht gegen das Willkürverbot oder den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
    • Es liegt keine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Kapitalanlagen vor.
    • Auch eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung mit erdrosselnder Wirkung (Art. 14 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.

FG München 4 K 1131/07

Revision:

Das Gericht ließ die Revision zu, da die Rechtsfrage nach Abschaffung des § 35 EStG a.F. einer Klärung durch den BFH bedarf.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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