Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19

November 11, 2021

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19

Tenor

1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 in der Gestalt der ihn bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2019 wird dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer des Klägers auf 31.000 € herabgesetzt wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19 – Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der gegen den Kläger wegen des Erwerbes des Hälfteanteils des Eigentums an einem Mehrfamilienhaus festgesetzten Schenkungsteuer.

Der Kläger und sein Bruder, A, waren je zur Hälfte Eigentümer des im Jahre 1989 gemeinsam gebauten Hauses in Z.

Das Haus war ursprünglich als Zweifamilienhaus mit einer Erdgeschosswohnung, einer Obergeschosswohnung sowie einem zunächst unausgebauten Dachgeschoss errichtet worden.

Später wurde die Erdgeschosswohnung in zwei getrennte Wohnungen (Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2) aufgeteilt.

Die Obergeschosswohnung (Wohnung Nr. 3) blieb ungeteilt und das Dachgeschoss wurde nachträglich zu zwei kleinen Wohnungen (Wohnungen Nr. 4 und 5) ausgebaut.

Mit als Kaufvertrag überschriebener Urkunde des Notars X vom 3. März 2015 übertrug der seinerzeit 70-jährige A dem Kläger das Eigentum an seinem Hälfteanteil der vorgenannten Immobilie.

Zu diesem Zeitpunkt nutzte A die Wohnung Nr. 1 zu eigenen Wohnzwecken. Die übrigen vier Wohnungen waren nach den zwischen den Beteiligten zunächst unstreitigen Angaben des Klägers ebenfalls vermietet.

Als Gegenleistung für den Eigentumserwerb bestellte der in der notariellen Urkunde als Käufer bezeichnete Kläger unter anderem drei, im Grundbuch einzutragende Wohnungs- und Mitbenutzungsrechte. Zum ersten bestellte der Kläger an der Wohnung Nr. 1 zu Gunsten des in der notariellen Urkunde als Verkäufer bezeichneten A ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht.

Zum zweiten bestellte der Kläger ebenfalls an der Wohnung Nr. 1 zu Gunsten des seinerzeit 32-jährigen … Sohnes von A (im Weiteren Neffe des Klägers), ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht, das jedoch unter der aufschiebenden Bedingung zum einen des Erlöschens des Wohnungs- und Nutzungsrechtes des A und zum anderen der Vollendung des 60. Lebensjahres des Neffen stand.

Zum dritten bestellte der Kläger ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnungs- und Nutzungsrecht an der Wohnung Nr. 3 zu Gunsten der seinerzeit 37-jährigen … Tochter des A (im Weiteren Nichte des Klägers).

Nach der notariellen Vereinbarung hatte die Nichte des Klägers die Verbrauchskosten der Wohnung Nr. 3 zu tragen und für die Ausübung des Nutzungsrechts dem Kläger einen monatlichen Zahlungsbetrag von 500 € zu leisten.

Laut der notariellen Urkunde verpflichtete sich der Kläger, durch Grundschulden gesicherte Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 130.000 € mit Wirkung ab 1. April 2015 als künftiger Alleinschuldner zu tilgen, die Zinsen zu tragen und A diesbezüglich von sämtlichen Verpflichtungen freizustellen.

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In seiner Schenkungsteuererklärung vom 15. Juni 2015 gab der Kläger einen Grundbesitzwert des Hälfteanteils des Grundstückes von 413.100 € an und erklärte, abgesehen von der Bestellung der drei Wohnungs- und Nutzungsrechte noch finanzielle Gegenleistungen an A in Höhe von 168.083 € erbracht zu haben. Die finanziellen Leistungen gab er im Einzelnen mit folgenden Beträgen an:
Darlehen an A

710 €

Rückständige Darlehensraten A

20.000 €

Rückständige Mieten A

3.585 €

Sanierungskosten Heizung

6.860 €

Übernahme von Darlehensverbindlichkeit

75.472 €

Sanierungskosten Dach

28.540 €

Brandschutzkosten

5.000 €

Ablösung Darlehen

27.916 €

Summe

168.083 €

Der Beklagte ermittelte für die Belastung durch das Wohnungs- und Nutzungsrecht des A einen Wert von 76.918,25 € und durch dasjenige der Nichte des Klägers einen solchen von 196.058,45 €. Einschließlich der vom Kläger erklärten zusätzlichen finanziellen Leistungen von 168.083 € ergab sich hieraus eine rechnerische Gesamtbelastung von 441.059,70 €. Das Nutzungsrecht des Neffen des Klägers ließ der Beklagte zunächst außer Ansatz.

Nach Abzug der genannten Gesamtbelastung vom erklärten Grundbesitzwert ergab sich ein negativer Saldo von 27.959,70 €. Dementsprechend setzte der Beklagte die Schenkungsteuer des Klägers mit Bescheid vom 24. September 2015 vorbehaltlos auf 0,- € fest. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.

Durch Bescheid vom 25. August 2016 stellte das Finanzamt M – nach entsprechender dienstlicher Aufforderung durch den Beklagten – den Grundbesitzwert des übertragenen Hälfteanteils des Grundstückes auf 625.679 € fest.

In Auswertung dieser Wertfeststellung setzte der Beklagte durch geänderten Schenkungsteuerbescheid ebenfalls vom 25. August 2016 die Schenkungsteuer des Klägers auf 29.940 € herauf. Abgesehen vom Ansatz des erstmals festgestellten Grundbesitzwertes wich der geänderte Schenkungsteuerbescheid in zweierlei Hinsicht von dem vorangegangenen Steuerbescheid ab.

Da der Beklagte nach seiner Ermittlung der Wohnflächen des Hauses von einer Vermietung der Immobilie im Umfang von rechnerisch 80,645% ausging, gewährte er dem Kläger einerseits eine zehnprozentige Steuervergünstigung gemäß § 13c des Erbschaftssteuer- und Schenkungsteuergesetzes der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung (ErbStG) von gerundet 50.457,90 € (d.h. 625.679 € x 80,645% x 10%) und ließ andererseits gemäß § 10 Abs. 6 ErbStG die anteilig auf diese Steuerbefreiung entfallenden Schulden und Lasten von gerundet 35.569,27 € (d. h. 441.059,70 € x 80,645% x 10%) schenkungssteuerrechtlich nicht zum Abzug zu.

Gegen die Erhöhung der Schenkungsteuer legte der Kläger mit Schreiben vom 19. September 2016 Einspruch ein und beantragte, eine weitere finanzielle Gegenleistung von 100.000 DM (d. h. 51.129,19 €) für den Eigentumserwerb anzuerkennen, weil er in dieser Höhe zusätzlich ein allein von A geschuldetes Bankdarlehen übernommen hätte.

Im weiteren Verfahrensverlauf rügte der Kläger außerdem die fehlende Berücksichtigung des zu Gunsten seines Neffen bestellten Wohnungs- und Nutzungsrechtes und teilte schließlich dem Beklagten den bereits am 10. August 2015 eingetretenen Tod seines Bruders A mit.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2017 übermittelte der Kläger dem Beklagten die Kopie des von ihm in Auftrag gegebenen und von dem öffentlich bestellten und vereidigten Immobiliensachverständigen …, erstellten Gutachtens vom 5. Mai 2017 über den Verkehrswert des o.g. Hauses zum Bewertungsstichtag des 3. März 2015.

Der Sachverständige hatte hierin zum Bewertungsstichtag einen Ertragswert der gesamten Immobilie von 1.439.000 € ermittelt und hiervon für die Belastung durch die vertraglich zu Gunsten von A, der Nichte und des Neffen des Klägers bestellten Wohnungs- und Nutzungsrechte einen Betrag von 682.000 € abgezogen. Letztlich bewertete der Sachverständige die Immobilie mit 757.000 €, wodurch auf den vom Kläger erworbenen Hälfteanteil ein Wert von 378.500 € entfiel.

Außerdem stellte der Sachverständige für das Mietwohngrundstück eine – zwischen den Beteiligten unstreitige – Gesamtwohnfläche von 275 m² fest und ermittelte eine jeweilige – ebenfalls unstreitige – Wohnfläche für die Wohnung Nr. 1 von 55,04 m², die Wohnung Nr. 2 von 53,39 m², die Wohnung Nr. 3 von 107,94 m², die Wohnung Nr. 4 von 33,01 m² und die Wohnung Nr. 5 von 25,63 m² (vgl. Anlage 5 des Gutachtens).

Der Bescheid des Finanzamts München vom 25. August 2016 über die Feststellung des Grundbesitzwerts des Mietwohngrundstückes blieb vorerst unverändert bestehen.

Mit Schenkungsteuerbescheid vom 20. Juni 2017 setzte der Beklagte auf der Grundlage des neu ermittelten Wertes des Erwerbes von 247.292,06 € die Schenkungsteuer des Klägers auf 42.160 € herauf. Gegenüber dem vorangegangenen Steuerbescheid hatte der Beklagte folgende Änderungen der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen:

Zum ersten berücksichtigte er wegen des vorzeitigen Todes des A für dessen Wohnungs- und Nutzungsrecht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung (BewG) zu Lasten des Klägers nur noch eine (gekürzte) Belastung in Höhe von 3.482,05 €.

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Zum zweiten ließ er als Summe der finanziellen Gegenleistungen des Klägers anstatt des bisherigen Betrages von 168.083 € zu Gunsten des Klägers nunmehr einen Betrag von 178.812,19 € zum Abzug zu. Hierbei berücksichtigte der Beklagte erstmals die nach Angaben des Klägers zusätzlich als übernommen erklärte Darlehensschuld von 51.129,19 €.

Die bislang berücksichtigten Sanierungskosten für die Heizung (d.h. 6.860 €) und das Dach (d.h. 28.540 €) sowie die Brandschutzkosten (d.h. 5.000 €) ließ der Beklagte beim Abzug mit der Begründung außer Ansatz, dass dem Kläger die Übernahme dieser Kosten im Vertrag vom 3. März 2015 nicht auferlegt worden wären und teilweise auch noch nicht entstanden wären.

Zum dritten verminderte der Beklagte – infolge der Verringerung der Gesamtbelastungen – zu Gunsten des Klägers die nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten (10 Abs. 6 ErbStG) auf 34.029,58 € (d.h. 378.386,94 € x 90% x 10%). Diesbezüglich ging der Beklagte diesmal von einer Vermietung des Hauses im Umfang von 90% aus.

Der Kläger focht den geänderten Steuerbescheid mittels Einspruchs vom 30. Juni 2017 an.

Mit Bescheid vom 4. August 2017 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer des Klägers wiederum zu dessen Gunsten auf 38.100 € herab.

Der Schenkungsteuerbescheid wich insoweit von dem vorangegangenen Steuerbescheid ab, als erstmals für das Wohnungs- und Nutzungsrecht des Neffen des Klägers eine wertmindernde Belastung von 22.068,58 € zum Abzug gebracht und die nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten nunmehr mit einem Betrag von 35.809,31 € (d.h. 400.455,52 € x 90% x 10%) angesetzt worden sind.

Auch hier ging der Beklagte von einem Vermietungsanteil an der Immobilie von 90% aus. Der Kläger focht den erneut geänderten Steuerbescheid mittels Einspruchs vom 4. September 2017 an.

Im Anschluss daran machte der Kläger erstmals die von ihm getragenen Kosten der Beerdigung des A von 4.942 € sowie des Immobiliengutachtens von 4.623,94 € als zusätzliche wertmindernde Aufwendungen geltend.

Der Beklagte ließ hiervon zusätzlich allein die Gutachtenskosten als Steuerberatungskosten zum Abzug zu und setzte dementsprechend die Schenkungsteuer des Klägers zu dessen Gunsten mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 auf 37.180 € herab.

In die Berechnung der Summe der nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten bezog der Beklagte die Kosten für das Immobiliengutachten nicht mit ein und beließ den bisher diesbezüglich berücksichtigten Betrag unverändert.

Das Finanzamt M übermittelte dem Beklagten die Mitteilung über den zu Gunsten des Klägers geänderten Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes des Mietwohngrundstückes vom 13. März 2018. Laut der Mitteilung hatte das Finanzamt M das gutachterliche Ermittlungsergebnis von 757.000 € als gemeinen Wert anerkannt und den Wert des vom Kläger erworbenen Hälfteanteils hieran mit einem Betrag von 378.500 € verbindlich festgestellt.

Dies nahm der Beklagte zum Anlass, die Schenkungsteuer des Klägers durch Schenkungsteuerbescheid vom 26. März 2018 auf 41.220 € heraufzusetzen. Zwar berücksichtigte der Beklagte zu Gunsten des Klägers den nunmehr niedrigeren Grundbesitzwert von 378.500 €, wich jedoch in sechs anderen Punkten im Ergebnis zu dessen Lasten von den bisherigen Besteuerungsgrundlagen ab.

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Der Beklagte berücksichtigte die finanziellen Gegenleistungen des Klägers nur noch mit einem Betrag von 127.683 €, erkannte die Darlehensübernahme in Höhe von 51.129,19 € nicht mehr an, ließ sämtliche Belastungen des Klägers durch die Wohnungs- und Nutzungsrechte mit der Begründung außer Ansatz, dass diese bereits beim festgestellten (gutachterlichen) Grundbesitzwert abgezogen worden waren, ging wiederum von einem Vermietungsanteil der Immobilie von 80% aus, verminderte die Steuervergünstigung für den vermieteten Teil der Immobilie auf 30.280 € (d.h. 378.500 € x 80% x 10%) und berücksichtigte die nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten mit einem Betrag von 10.214,64 € (d.h. 127.683 € x 80% x 10%).

Durch Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 änderte der Beklagte die Schenkungsteuer des Klägers erneut und setzte sie zu dessen Gunsten auf 31.800 € herab, weil er die Darlehensübernahme in Höhe von 51.129,19 € erneut als wertmindernd anerkannte. Im Einzelnen stellte sich die Steuerermittlung in € nunmehr wie folgt dar:
Grundbesitzwert

378.500,00

Finanzielle Gegenleistungen des Klägers (ohne die Kosten für Sanierung Heizung, Sanierung Dach, Brandschutz)

./. 127.683,00

} 178.812,19

} 183.436,13

Darlehensübernahme

./. 51.129,19

Kosten Grundstücksgutachten

./. 4.623,94

Wohnungsu. Nutzungsrechte (A, Nichte, Neffe)

./. 0,00

Wert des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbes

195.063,87

Steuervergünstigung (§ 13c ErbStG)

./. 30.280,00

378.500,00 x 80% x 10%

Nicht abzugsfähige Schulden und Lasten (§ 10 Abs. 6 ErbStG)

+ 14.304,98

178.812,19 x 80% x 10%

Persönlicher Freibetrag

./. 20.000,00

Schenkungsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage

159.088,85

Festgesetzte Steuer (SchenkStB vom 4.01.2019)

31.800,00

Steuersatz 20% Steuerklasse II

Der Beklagte entschied über die Rechtsbehelfe des Klägers durch zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2019 dahingehend, dass er die Einsprüche des Klägers vom 30. Juni 2017 und vom 4. September 2017 als unzulässig verwarf und den Einspruch des Klägers vom 19. September 2016 als unbegründet zurückwies. Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019 Klage. Nachdem der Kläger gegenüber dem Finanzamt M mit Schreiben vom 26. April 2019 einwendete, den Bescheid vom 13. März 2018 über die Feststellung des Grundbesitzwertes seinerzeit nicht erhalten zu haben, übermittelte ihm das Finanzamt M unter dem Datum des 21. Mai 2019 eine Kopie dieses Feststellungsbescheides.

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Auf richterlichen Hinweis vom 12. April 2021 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 30. April 2021 bei Gericht zum einen den zwischen ihm als Vermieter und A und seiner Ehefrau als Mieter am 1. Dezember 2005 über die Wohnung Nr. 1 zu einem monatlichen Mietzins von 500 € zuzüglich Nebenkosten geschlossenen Mietvertrag und zum anderen eine Kopie des Feststellungsbescheides des Finanzamts M vom 13. März 2018 mit einem Eingangsstempel der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten vom 15. März 2018 vor.

Auf richterliche Aufklärungsanordnung vom 26. Mai 2021 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Juni 2021 bei Gericht den zwischen A und seiner Ehefrau als Vermieter und der Nichte des Klägers und deren Ehemann als Mieter am 20. Dezember 2005 über die Wohnung Nr. 3 zu einem monatlichen Mietzins von 580 € zuzüglich Nebenkosten geschlossenen Mietvertrag und den zwischen A und dessen Ehefrau als Vermieter und den Neffen des Klägers als Mieter am 8. Januar 2005 über ein Zimmer der Wohnung Nr. 1 zu einem monatlichen Mietzins von 140 € zuzüglich Nebenkosten geschlossenen Mietvertrag vor.

Die Klage begründet der Kläger wie folgt:

„Die Festsetzung der Schenkungsteuer sei rechtswidrig, weil die zutreffend bewerteten Wohnungs- und Nutzungsrechte von A, seiner Nichte und seinem Neffen im Schenkungsteuerbescheid unberücksichtigt geblieben seien.

Außerdem sei auch für die im Zeitpunkt der Übertragung von A entgeltlich genutzte Wohnung Nr. 1 die Steuervergünstigung für vermietete Wohnungen zu gewähren.

Schließlich müssten die in der Schenkungsteuererklärung bezeichneten Aufwendungen von 168.084 € zuzüglich der Grunderwerbsteuer von 15.436 € sowie geschätzter Notar- und Grundschuldkosten von 5.000 € vom Erwerbswert abgezogen werden.

Bei richtiger Sachbehandlung ergebe sich – wie in dem ursprünglich erlassenen Schenkungsteuerbescheid vom 24. September 2015 – eine Schenkungsteuer des Klägers von 0,- €.“

Der Kläger beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2019 dahingehend zu ändern, dass die Schenkungsteuer auf 0,- € herabgesetzt wird,
hilfsweise für den Fall der teilweisen oder vollständigen Klageabweisung die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Schenkungsteuer auf 31.000 € zu ändern und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht sei die Festsetzung der Schenkungsteuer des Klägers im Wesentlichen zutreffend. Der Wert des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbes ergebe sich aus dem Unterschied aus dem anteiligen Grundbesitzwert und den vom Kläger erbrachten finanziellen Gegenleistungen.

Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Wohnungs- und Nutzungsrechte von A, sowie der Nichte und des Neffen des Klägers bei der Festsetzung der Schenkungsteuer deswegen nicht mehr zu berücksichtigen, weil sie sich als Belastung bereits bei der Ermittlung des festgestellten gemeinen Wertes des Grundstückes ausgewirkt haben.

Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG sei insoweit unabhängig davon anzuwenden, ob der Abzug der Belastungen bei der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundstückes zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei.

Nachdem der Kläger nach Rechtshängigkeit der Klage den Mietvertrag vom 1. Dezember 2005 zwischen ihm und seinem Bruder vorgelegt hat, könne dem Kläger auch für die Wohnung Nr. 1 die Steuervergünstigung für vermietete Wohnungen gewährt werden.

Dasselbe gelte nunmehr auch für die Wohnung Nr. 3, nachdem der Kläger auch hierfür die im Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Mietverträge vorgelegt habe.

Die Klage könne nur insoweit Erfolg haben, als die Steuerbegünstigung für zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen nunmehr für den gesamten schenkungsteuerrechtlichen Erwerb gewährt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, unter anderem auf die Schriftsätze des Klägers vom 30. April 2021 und 26. Mai 2021, auf die den Kläger betreffende Behördenakte, einschließlich des Gutachtens … vom 5. Mai 2017 und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2021 Bezug genommen.

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19 – Entscheidungsgründe

1.) Die Klage ist zulässig.

Die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) richtet sich gegen den durch die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11. Januar 2019 bestätigten Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 und ist in der hierfür vorgesehenen Frist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO rechtzeitig erhoben worden.

Die Voraussetzung eines erfolglosen außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) ist durch die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11. Januar 2019 erfüllt.

Da der Beklagte dem Einspruch des Klägers vom 19. September 2016 gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 25. August 2016 weder durch die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 20. Juni 2017, vom 4. August 2017, vom 13. Oktober 2017 und vom 26. März 2018 noch durch den oben genannten klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 in vollem Umfang abgeholfen hatte, wurde immer der jeweils aktuelle Änderungsbescheid zum Gegenstand des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung -AO-), über das der Beklagte durch die oben genannte Einspruchsentscheidung entschieden hat.

2.) Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet, weitgehend jedoch unbegründet.

Der klagegegenständliche Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als dem Kläger die zehnprozentige Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 13c ErbStG nicht nur für 80% des hälftigen Grundbesitzwertes, sondern für den gesamten Grundbesitzwert des erworbenen Grundstücksanteil zu gewähren ist, was jedoch auch eine gegenläufige schenkungsteuerrechtliche Wirkung durch Erhöhung des nichtabzugsfähigen Teiles der Schulden und Belastungen nach § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG zur Folge hat. Im Übrigen sind die Einwendungen des Klägers unbegründet.

a) Der klagegegenständlichen Festsetzung der Schenkungsteuer hat die Bestandskraft des unangefochten gebliebenen Schenkungsteuerbescheides vom 24. September 2015 nicht entgegengestanden.

Die Bestandskraft eines Steuerbescheides kann durchbrochen werden, wenn die Finanzbehörde kraft einer abgabenrechtlichen (vgl. z.B. §§ 172 ff AO) oder spezialgesetzlichen Korrekturvorschrift befugt beziehungsweise verpflichtet ist, die Steuerfestsetzung zu Lasten oder zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu ändern.

Die Voraussetzungen für die Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides vom 24. September 2015 haben im Streitfall vorgelegen.

Zum einen ist durch den Tod von A dessen Wohnungs- und Nutzungsrecht an der Wohnung Nr. 1 erloschen, wodurch sich die Belastung des Klägers gegenüber den im bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid berücksichtigten Umfang vermindert hat.

Gemäß der Korrekturvorschrift des § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BewG ist der Beklagte befugt gewesen, die hierdurch eingetretene Verringerung der wirtschaftlichen Belastung des Klägers durch Korrektur der Steuerfestsetzung zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

Zum anderen hat jedenfalls spätestens mit Zugang des am 21. Mai 2019 an den Kläger versandten Bescheides des Finanzamts München über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) des Hälfteanteils an dem Mietwohngrundstück in Höhe von 378.500 € die Verpflichtung des Beklagten zur Korrektur der Schenkungsteuer des Klägers gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestanden.

Soweit die streitgegenständliche Schenkungsteuer von der im bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid vom 24. September 2015 in Bezug auf weitere Besteuerungsgrundlagen abweicht, ist dies nicht zu beanstanden, weil sich deren steuerrechtliche Auswirkungen innerhalb des durch die Korrekturbefugnisse nach § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BewG sowie § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eröffneten Änderungsrahmen halten (vgl. § 177 AO).

b) Der Beklagte hat durch den Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 die Schenkungsteuer des Klägers in weitgehend zutreffender Höhe festgesetzt.

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aa) Die Übertragung des Eigentums an dem Hälfteanteil des Hauses in Z von A auf den Kläger durch den notariellen Vertrag vom 3. März 2015 ist eine Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) in Gestalt einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Da zwischen dem Verkehrswert des Immobilienanteils und der Summe aus den Werten der vom Kläger übernommenen finanziellen Gegenleistungen und der neu bestellten Wohnungs- und Nutzungsrechte unstreitig ein Missverhältnis bestanden hat, ist eine sogenannte gemischt-freigebige Zuwendung (gemischte Schenkung im zivilrechtlichen Sinne) anzunehmen gewesen.

bb) Der Wert des steuerpflichtigen Erwerbes bemisst sich an der durch die Zuwendung bewirkten Bereicherung des Klägers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Die Bewertung (der Bereicherung) hat nach der Vorschrift des § 12 BewG zu erfolgen.

Bei einer gemischt-freigebigen Zuwendung eines Grundstückes ist der Wert der Bereicherung durch bloßen Abzug der Gegenleistung vom Steuerwert des zugewandten Grundstückes zu ermitteln

(vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 5. Juli 2018 II B 122/17, BFHE 262, 163, BStBl II 2018, 660).

Der maßgebliche Steuerwert des erworbenen Grundbesitzes ist für Zwecke der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer gesondert festzustellen gewesen (§ 12 Abs. 3 i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG).

Die gesonderte Feststellung dieser Besteuerungsgrundlage (§ 157 Abs. 2 Halbsatz 2 AO) ist als Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung bindend (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO).

Im Streitfall ist daher der durch das Finanzamt M auf den Bewertungsstichtag des 3. März 2015 zuletzt festgestellte und auf dem Sachverständigengutachten beruhende Grundbesitzwert des auf den Kläger übertragenen Hälfteanteils des oben bezeichneten Hauses für den Beklagten bindend.

Die Bindungswirkung des wirksamen Grundlagenbescheides für die Steuerfestsetzung besteht unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dessen Rechtmäßigkeit

(vgl. BFH Urteil vom 24. März 1998 I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II 1998, 601).

Der Beklagte ist daher verpflichtet gewesen, den durch das Finanzamt M auf 378.500 € festgestellten Grundbesitzwert des vom Kläger erworbenen Hälfteanteils des Hauses der streitgegenständlichen Schenkungsteuer zugrunde zu legen. Etwaige Rechtsfehler des Feststellungsbescheides des Finanzamts M sind wegen seiner uneingeschränkten Bindungswirkung für den Beklagten unbeachtlich.

Selbst wenn die Wohnungs- und Nutzungsrechte als Belastungen des Klägers nicht im Verfahren über die Feststellung des Grundbesitzwertes, sondern – als Gegenleistungen des Klägers für den Grundstückserwerb – erst im Rahmen der Festsetzung der Schenkungsteuer zu berücksichtigen gewesen wären, hat der Beklagte von dem auf 378.500 € festgestellten Grundbesitzwert auszugehen gehabt.

cc) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat der Beklagte bei der Ermittlung der Schenkungsteuer im klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 die durch den Kläger zu Gunsten des A sowie der Nichte und des Neffen des Klägers bestellten Wohnungs- und Nutzungsrechte gemäß § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG (heute: § 10 Abs. 6 Satz 11 ErbStG) zu Recht als steuermindernde Besteuerungsgrundlagen außer Ansatz gelassen.

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19

α) Die Bestellung der bezeichneten Wohnungs- und Nutzungsrechte sind Leistungen des Klägers gewesen, zu denen er sich in dem notariellen Vertrag vom 3. März 2015 gegenüber seinem Bruder A im Gegenzug für den Erwerb des Hälfteanteils des Hauses verpflichtet hatte.

Letztlich kann es dahingestellt bleiben, ob die Bestellung sämtlicher Wohnungs- und Nutzungsrechte durch den Kläger – ebenso wie die Übernahme verschiedener finanzieller Verpflichtungen durch ihn – Gegenleistungen an A im Rahmen einer gemischten Schenkung gewesen sind, bei der nur der unentgeltliche Teil der Zuwendung zum Schenkungsgegenstand wird

(vgl. BFH Beschluss vom 5. Juli 2018 II B 122/17, BFHE 262, 163, BStBl II 2018, 660)

oder ob zumindest die Bestellung des Wohnungs- und Nutzungsrechtes zu Gunsten von A als den Wert des Schenkungsgegenstandes mindernde Duldungsauflage anzusehen ist

(vgl. BFH Urteil vom 28. Mai 2019 II R 4/16, BFHE 265, 408, BStBl II 2020, 326).

Regelmäßig ist die hierdurch bewirkte Minderung der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage erst im Rahmen des Verfahrens über die Festsetzung der Schenkungsteuer und nicht bereits im Verfahren über die Feststellung des Grundbesitzwertes zu berücksichtigen.

β) Dies gilt uneingeschränkt bei der Zuwendung von Grundvermögen, wenn dessen Grundbesitzwert in dem typisierenden Bewertungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 176 – 197 BewG festgestellt wird. Unabhängig davon, ob der Grundbesitzwert im Einzelfall im Weg des Vergleichswertverfahrens (§ 182 Abs. 2, § 183 BewG), des Ertragswertverfahrens (§ 182 Abs. 3, §§ 184 – 188 BewG) oder des Sachwertverfahrens (§ 182 Abs. 4, §§ 189 ff BewG) zu ermitteln ist, bleiben bereits im Zeitpunkt des Grundbesitzerwerbes bestehende Grundstücksbelastungen in Gestalt von Nutzungsrechten bei der Wertermittlung unberücksichtigt.

Festzustellen ist im typisierenden Verfahren der bloße Grundbesitzwert ohne Berücksichtigung etwa bestehenbleibender und vom Erwerber zu übernehmender Grundstücksbelastungen.

Weder die Vorschriften über das bewertungsgesetzliche Ertragswertverfahren (§§ 184 – 188 BewG) noch die über das entsprechende Sachwertverfahren (§§ 189 ff BewG) sehen die Berücksichtigung den Wert der Immobilie mindernder privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Belastungen vor (vgl. etwa R E 10.10. Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2013).

Für das bewertungsgesetzliche Vergleichswertverfahren ist dies durch § 183 Abs. 3 BewG sogar ausdrücklich bestimmt. Dies hat erst recht dann zu gelten, wenn die Grundstücksbelastungen aufgrund des vertraglichen Grundstückserwerbes überhaupt erst neu begründet worden sind.

Derartige Grundstücksbelastungen sind erst im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer durch entsprechende Minderung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19

γ) Macht der Steuerpflichtige – wie im Streitfall der Kläger – hingegen nach § 198 BewG von der Möglichkeit Gebrauch, nachzuweisen, dass der tatsächliche gemeine Wert des Grundstückes niedriger als der im typisierenden Bewertungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 176 – 197 BewG festgestellte Grundbesitzwert ist, so gelten hiervon abweichende Grundsätze.

Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes von Grundvermögen sind die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) erlassenen Vorschriften anzuwenden.

Der Nachweis wird deshalb in der Regel durch ein Gutachten entweder des für die Belegenheit des Grundstückes örtlich zuständigen Gutachterausschusses (§ 199 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Immobiliensachverständigen zu erbringen sein (vgl. BFH Urteil vom 14. Oktober 2020 II R 7/18, BFH/NV 2021, 474).

Das Sachverständigengutachten hat den kraft gesetzlicher Ermächtigung durch § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmoWertV) zu entsprechen.

Im Gegensatz zu dem typisierenden Wertfeststellungsverfahren nach den steuergesetzlichen Vorschriften der §§ 176 – 197 BewG, die allein die Bestimmung des Grundbesitzwertes ohne Berücksichtigung bestehender Belastungen des zu bewertenden Grundvermögens, beispielsweise in Gestalt von Wohnungs- und Nutzungsrechten, zum Ziel haben, sehen die von einem Immobiliensachverständigen zu beachtenden Wertermittlungsvorschriften die Einbeziehung solcher Belastungen vor.

So bestimmt sich der für die Bewertung des Grundstückes zum Stichtag maßgebliche Zustand des Grundstückes gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 ImmoWertV nach der Gesamtheit der verkehrswertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstückes (Grundstücksmerkmale).

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV gehören zu den Grundstücksmerkmalen auch wertbeeinflussende Rechte und Belastungen. Als solche kommen unter anderem Nutzungsrechte an dem Grundstück in Betracht (§ 6 Abs. 2 ImmoWertV).

δ) Haben sich bei der gutachterlichen Ermittlung des niedrigeren gemeinen Wertes einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes (§ 198 BewG) Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bereits wertmindernd ausgewirkt, so ist deren Abzug im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer nach § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG ausgeschlossen.

Dem Normenkonflikt zwischen den bewertungsgesetzlichen Vorschriften über das typisierende Bewertungsverfahren und den für Sachverständige verbindlichen Wertermittlungsbestimmungen wird durch § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG Rechnung getragen und eine zweifache Berücksichtigung eines wertmindernden Umstands vermieden

(vgl. Konrad bei Fischer/Pahlke/Wachter ErbStG 7. Auflage 2020, § 10 Rnr. 271; Meincke/Hannes/Holtz ErbStG 17. Auflage 2018 § 10 Rdnr. 71; Jochum in Wilms/Jochum ErbStG/BewG/GrEStG Band 1 § 10 ErbStG, Rdnr. 203).

Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG findet selbst dann Anwendung, wenn die Grundstücksbelastungen zu Unrecht wertmindernd bei der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundstückes berücksichtigt worden sind.

So bestehen im Streitfall zwar Bedenken, ob die Wohnungs- und Nutzungsrechte – wie im Sachverständigengutachten vom 5. Mai 2017 mit einem Wert von 682.000 € erfolgt – im Rahmen der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundbesitzes zum Zeitpunkt des Bewertungsstichtags des 3. März 2015 vom festgestellten Ertragswert von 1.439.000 € zum Abzug gebracht werden durften.

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19

Schließlich hat der Sachverständige den Immobilienwert anhand des Grundstückszustandes am Qualitätsstichtag (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV) zu beurteilen (Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken 9. Auflage 2020, § 4 Rdnr. 2; Peter Zimmermann, ImmoWertV 2. Auflage 2019, § 4 Rdnr. 2).

Dieser Stichtag gilt regelmäßig auch für die wertbeeinflussenden Belastungen in der Form von Nutzungsrechten (§ 4 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 2 ImmoWertV).

Am Bewertungsstichtag des 3. März 2015, der für die Ausführung der freigebigen Zuwendung im Streitfall schenkungsteuerrechtlich entscheidend ist, haben die bezeichneten Grundstücksbelastungen noch nicht bestanden. Vielmehr sind sie erst aufgrund des notariellen Übertragungsvertrages an diesem Tag begründet und zu einem späteren Zeitpunkt im Grundbuch eingetragen worden.

Der Kläger hat kein dinglich vorbelastetes Grundstück erworben, sondern den insoweit unbelasteten Erwerbsgegenstand erst im Gegenzug für die Übertragung mit den vereinbarten Nutzungsrechten belastet.

Nach ihrem Wortlaut schließt die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG den Abzug von Nutzungsrechten als Grundstücksbelastungen immer dann aus, wenn sich diese bereits bei der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundbesitzes (tatsächlich) ausgewirkt haben.

Mithin verlangt diese Norm nicht, dass der Abzug der Nutzungsrechte vom Wert des Grundbesitzes bei der Wertermittlung zu Recht erfolgt ist. Hierauf deuten auch die Motive des Gesetzgebers hin (vgl. Bundestags-Drucksache 16/7918 zu Nummer 8 Buchstabe c vom 28.01.2008 -Seite 32-), denen zufolge § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG verhindern soll, dass Nutzungsrechte, die bereits bei der Bewertung des Grundstückes nach §§ 175 ff BewG berücksichtigt wurden, zusätzlich als Duldungslast abgezogen werden können.

Im Fall des rechtsfehlerhaften Abzugs der Nutzungsrechte im Wertermittlungsverfahren wird dieser Fehler somit nicht im Feststellungsverfahren korrigiert, sondern durch korrespondierende Sachbehandlung im Steuerfestsetzungsverfahren kompensiert.

Der Senat hält die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG auf den Streitfall für anwendbar, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass es sich hierbei allein um eine Rechtsnorm des materiellen Erbschaftssteuerrechts (Schenkungsteuerrechts) handelt, die für den Fall der nachträglichen Änderung des Feststellungsbescheides wegen Rückgängigmachung des zuvor erfolgten Abzugs der Nutzungsrechte keine eigenständige Befugnis zur Korrektur des Steuerbescheides eröffnet.

dd) Der klagegegenständliche Schenkungsteuerbescheid begegnet auch hinsichtlich der vom Beklagten zum Abzug zugelassenen Aufwendungen des Klägers in Höhe der Gutachtenskosten von 4.623,94 € sowie der zwischen den Beteiligten unstreitig als Gegenleistungen des Klägers an A für den Erwerb des Hälfteanteils des Hauses angesehenen Betrag von 178.812,19 € keinen rechtlichen Bedenken.

In diesem Zusammenhang erschließt sich dem Senat nicht, aus welchem Grund der Kläger nunmehr den in seiner Schenkungsteuerklärung ursprünglich geltend gemachten Betrag von 168.084 € sowie erstmals zusätzlich Grunderwerbsteuer von 15.436 € sowie „geschätzte“ Notar- und Grundschuldkosten von 5.000 € als Abzugsbetrag begehrt.

Der besagte Betrag von 168.084 € wurde im klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid bis auf Teilbeträge für die Sanierungskosten der Heizung (6.860 €) und das Dach (28.540 €) sowie für die Brandschutzkosten (5.000 €) zum Abzug zugelassen.

Die nicht vom Beklagten anerkannten Kostenbeträge sind dem Kläger zum einen vertraglich nicht auferlegt worden und im Übrigen zur Beseitigung eines Sanierungsstaus auch erst nach dem Erwerb angefallen. Dafür, dass diese Teilbeträge zusätzlich als Erwerbsaufwendungen abziehbar sein sollen, hat der Kläger keine Beweismittel vorgelegt.

Die erst im Klageverfahren geltend gemachte Grunderwerbsteuer von 15.436 € kann schon deshalb nicht zum Abzug gelangen, weil für deren Entstehung der entgeltliche Teil des Grunderwerbes und nicht die Schenkung ursächlich gewesen ist.

Höhe der Schenkungsteuer wegen Erwerb hälftigen Anteils an Mehrfamilienhaus – FG München 4 K 347/19

Im Hinblick auf die „geschätzten“ Notar- und Grundschuldkosten von 5.000 € liegen zum einen keinerlei Nachweise vor und zum anderen ist nicht ersichtlich, inwieweit sie mit dem unentgeltlichen Teil des Erwerbsvorgangs im Zusammenhang stehen.

ee) Der klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 ist nur insoweit rechtlich zu beanstanden, als der Beklagte in Bezug auf die zehnprozentige Steuerbefreiung auf den Grundbesitzwert für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG nur von einem Vermietungsumfang des Grundstückes von 80% ausgegangen ist.

Da der Kläger im Lauf des Klageverfahrens durch Vorlage der im Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Mietverträge für die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 3 den Nachweis der diesbezüglichen Vermietung zu Wohnzwecken erbracht hat, ist ihm die zehnprozentige Steuerbefreiung gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG auf den vollständigen Grundbesitzwert des erworbenen Grundstücksanteils in Höhe von 378.500 € zu gewähren.

Als Folge der Erweiterung der Steuerbefreiung erhöht sich im Gegenzug auch der steuererhöhend wirkende Betrag für die nichtabzugsfähigen Schulden und Lasten gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG auf ein Zehntel aus 178.812,19 €.

3.) Die Schenkungsteuer ist danach wie folgt zu berechnen:
Wert des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbes laut SchenkStB vom 4.01.2019

195.063,87 €

Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG [ 378.500 € x 10% ]

./. 37.850,00 €

Nichtabzugsfähige Schulden und Lasten [ 178.812,19 € x 10% ]

+ 17.881,21 €

Persönlicher Freibetrag

./. 20.000,00 €

Restbetrag

155.095,08 €

Steuerpflichtige Bemessungsgrundlage auf voll Hundert Euro abgerundet

155.000,00 €

Steuersatz 20% nach Steuerklasse II

31.000,00 €

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger in vollem Umfang zu tragen, weil der Beklagte nur in einem geringen Umfang unterlegen ist.

5.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

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