FG München 4 K 4163/97

September 18, 2017

FG München 4 K 4163/97 –  Mündliche Auflage bei einem Erwerb gem. § 3 Abs.1 Nr.4 ErbStG – ob Bankkonten und Lebensversicherungen in den Nachlass fallen

Tatbestand

Streitig ist, ob bei Verträgen zugunsten Dritter die begünstigten Bankkonten und Lebensversicherungen in den Nachlass fallen und nach den Erbquoten geteilt werden müssen, oder ob sie außerhalb des Nachlasses dem Begünstigten zuzurechnen sind.

I.

Die am 3. März 1994 in Füssen verstorbene Erblasserin … wurde mangels Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen u.a. von ihrem Bruder (dem Kläger — Kl –) neben der Mutter und sechs weiteren Geschwistern beerbt.

Die Erblasserin hatte zu Lebzeiten zugunsten des Kl folgende Begünstigungsverträge abgeschlossen:

— … bank …
39.459,00 DM
— Sparkasse …
835,14 DM
92,53 DM
473,44 DM
1.156,98 DM
4.292,27 DM
— … Versicherungen
Versicherungsschein-Nr. …18.986,63 DM
— … Versicherung
Lebensversicherung Nr. …13.288,00 DM
Nr. …27.448,00 DM
Vermögenswirksame LV …15.797,00 DM
Gesamt121.828,99 DM

Die Beträge wurden an den Kläger ausbezahlt.

Mit Steuerbescheid vom 5. Dezember 1995 setzte der Beklagte (das Finanzamt — FA –) die Erbschaftsteuer wie folgt fest:

Erbanteil 1/4 (s. Bl. 20)3.716,90 DM
Verträge zugunsten Dritter
(inkl. Zinsen)121.856,78 DM
Freibetrag10.000,00 DM
=115.500,00 DM
Steuerklasse: III
Steuersatz: 15,5 % von 115.500,-DM17.902,00 DM

FG München 4 K 4163/97

Die Begünstigungsverträge wurden in voller Höhe dem Kläger zugerechnet, obwohl dieser zusammen mit seiner Erbschaftsteuererklärung eine Aufstellung über die Aufteilung des Barvermögens an verschiedene Verwandte eingereicht hat (s. Bl. 17 FA-Akte).

Bei der Berechnung des Erbanteils sah das FA entsprechend der Aufstellung des Klägers (Anlage 2 der Erbschaftsteuererklärung, Bl. 17 FA-Akte) seine Mutter zu 1/2 und seine Schwester zu 1/4 als Miterben an. Der Nachlass bestand aus Bargeld in Höhe von 18.940 DM und Einkommensteuererstattungsansprüchen in Höhe von 7.927 DM.

Im Einspruchsverfahren reichte der Kläger eine von der Schwester des Klägers, E, und dem Bruder des Klägers, A, und ihm selbst unterzeichnete eidesstattliche Versicherung vom 31. Januar 1996 ein, wonach er bei einem gemeinsamen Gespräch im Februar 1990 von der Erblasserin beauftragt worden sei, ihr Erbe unter den gemeinsamen Geschwistern und deren Kindern aufzuteilen (s. Bl. 30 FA-Akte).

Die Aufteilung sei bereits im Juli/August 1993 vorgenommen worden.

Bezüglich der Höhe der den einzelnen Personen zuzuweisenden Beträge habe die Erblasserin lediglich bestimmt, dass Herr G und dessen Geschwister wegen seines Krebsleidens mehr erhalten sollten; die Höhe sei weder prozentual noch in genauen Beträgen von ihr festgesetzt worden.

Er habe quasi als Testamentsvollstrecker das “Erbe” verteilt.

Bei einer persönlichen Vorsprache am 25. Juni 1996 (Bl. 131 FA-Akte) wies das FA den Kläger auf das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 12. Dezember 1995, EFG 1996, 477 hin, wonach, falls er anhand der eidesstattlichen Versicherungen der Bank- und Sparkassenbediensteten bzw. der Versicherungsvertreter, bei denen die Versicherungsverträge abgeschlossen worden waren, nachweisen könne, dass die Erblasserin keine Verträge zugunsten Dritter, sondern ihm lediglich Vollmacht habe erteilen wollen, unter Umständen die Einbeziehung der Begünstigungen in den Nachlass möglich wäre. Dabei erfuhr das FA, dass der Kläger insgesamt sechs erbberechtigte Geschwister hatte, so dass sein gesetzlicher Erbteil nur 1/14 betrug.

Eine Vorlage solche Versicherungen erfolgte nicht. Der Kläger trug des weiteren vor, dass die Verträge von der Erblasserin mit der eindeutigen Auflage belegt gewesen seien, die Geldbeträge (wie geschehen) aufzuteilen.

Der Einspruch blieb erfolglos. Lediglich aus hier nicht streitigen Gründen setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 17. September 1997 die Erbschaftsteuer auf 17.375 DM herab. Der Erbanteil wurde auf 1/14 geändert und beträgt nur noch 320 DM statt bisher 3.716,90 DM.

FG München 4 K 4163/97

Mit der Klage trägt der Kläger vor, dass er entsprechend dem Willen der Erblasserin die 121.828,99 DM verteilt habe. Auf ihn seien nur 7.385 DM davon entfallen. Dies könnten sein Bruder A., seine Schwester E und er jederzeit bezeugen.

Der Kläger beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Dezember 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 1997 abzuändern und die Besteuerung nach dem tatsächlich erhaltenen Betrag vorzunehmen.

Das FA beantragt Klageabweisung, hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zuzulassen.

Da der Kläger keine eidesstattlichen Versicherungen der Bankbediensteten bzw. Versicherungsvertreter darüber beibringen könne, dass er nur bevollmächtigt und nicht alleiniger Bezugsberechtigter gewesen sei, sei die Klage abzuweisen. Der bloße Wunsch der Erblasserin, die Gelder entgegen den Verträgen der gesamten Verwandtschaft zukommen zu lassen, genüge nicht. Eine erbrechtlich beachtliche Auflage liege nicht vor, weil es insoweit an einer testamentarischen oder erbvertraglichen Regelung fehle. § 2193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei nicht anwendbar, weil die Erblasserin den Zweck der Auflage nicht erkennbar umrissen habe.

Außerdem sei die Meinung des FA durch das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 3. Juli 1997 bestätigt worden. Eine Änderung des Bezugsberechtigten durch letztwillige Verfügung setze einen vertraglich vereinbarten Vorbehalt zwischen Versprechensempfänger und Versprechendem gemäß § 332 BGB voraus. Ein solcher fehlt hier. Bei der streitbefangenen Lebensversicherung wäre gemäß § 13 Abs. 3 der sog. ALB eine Änderung erst mit schriftlicher Anzeige des Versprechensempfängers an den Versicherer (Versprechenden) wirksam geworden.

Auf den Hinweis des Berichterstatters vom 30. August 2000 wird verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2000 hatte das Gericht der Klage stattgegeben. Das FA hat dagegen mündliche Verhandlung beantragt. Am 18. Dezember 2000 fand vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung statt. Auf die Niederschrift vom gleichen Tage wird verwiesen.

Entscheidungsgründe FG München 4 K 4163/97

II.

Die Klage ist begründet.

Entgegen der im Gerichtsbescheid geäußerten Meinung sieht der Senat hier weder § 332 BGB noch § 13 Abs. 3 ALB anwendbar, weil diese Vorschriften sich nur auf das Verhältnis zum Versprechenden (Bank oder Lebensversicherung) beziehen. Eine Änderung der Bezugsberechtigung gegenüber dem Versprechenden war nicht gewollt.

Nachdem im Erbschaftsteuerrecht nach der ständigen BFH-Rechtsprechung § 41 Abgabenordnung (AO) auch auf einseitige Verfügungen von Todes wegen Anwendung findet (s. Urteil vom 7. Oktober 1981 II R 16/80, BStBl II 1982, 28; s.a. Meincke, ErbStG, 12. Aufl., § 3 Rz. 29 m.w.N.), geht der Senat davon aus, dass die Erblasserin mündlich dem Kläger die Auflage erteilt hat, die 121.828,99 DM unter den gemeinsamen Geschwistern und dessen Kindern aufzuteilen. Es handelt sich zwar hier nicht um einen Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, jedoch sind solche Auflagen auch im Fall von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG von Bedeutung (s. Urteil des FG Düsseldorf vom 26. Mai 1982 IV/XI 429/77, Erb, EFG 1983, 135, wo eine testamentarische Anordnung vorlag).

Da es sich um einen großen Personenkreis handelte, dem kein direktes Recht auf die Leistung eingeräumt werden sollte (s. § 2194 BGB), liegt eine Auflage nach § 2193 BGB vor (s. Palandt, a.a.O., § 2151 Anm. 1).

FG München 4 K 4163/97

Entgegen der Auffassung des Finanzministeriums, auf die sich das FA stützt, ist die Anordnung einer solchen Auflage erbschaftsteuerlich auch mündlich möglich, weil es sich dabei ebenfalls um eine Verfügung von Todes wegen handelt (s. §§ 1940, 2192 BGB).

Aus der schriftlichen eidesstattlichen Versicherung der Miterben, deren Inhalt vom FA nicht bestritten wird, folgt nach Auffassung des Senats eindeutig, dass die Erblasserin nicht bloß einen Wunsch (vor Zeugen!) äußerte, sondern den Zweck der Auflage in erkennbaren Umrissen (was nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte genügt; s. Palandt, § 2153 Anm. 1) bestimmt hat, nämlich ihr “Erbe” unter ihren Geschwistern und deren Kindern aufzuteilen. Dass sie darunter auch — als juristischer Laie — die Verträge zugunsten Dritter ansah, erscheint angesichts des ansonsten geringen Nachlasses plausibel.

Hat der Erblasser nichts anderes angeordnet, so kann der Dritte die Auswahl nach freiem Belieben treffen im Gegensatz zu § 2156 BGB (s. Münchener Kommentar, § 2193 Anm. 6), so dass der Umstand, dass der Kläger sich mehr zuteilte als jeweils den anderen Verwandten, unschädlich ist. § 2152 Abs. 2 BGB, wonach im Zweifel Mehrere zu gleichen Teilen berechtigt sind, gilt bei einer Auflage nicht.

Die festzusetzende Erbschaftsteuer beträgt demnach:

1/4 Erbanteil320,-— DM
+ Begünstigungen 121.856,– DM
./. verteilte Beträge (94.456,– DM
./. an sich selbst verteilten Betrag
in Höhe von 7.385,– DM) in Höhe von
87.071,– DM =34.785,–DM
35.105,–DM
./. Freibetrag10.000,–DM
steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)25.100,–DM
Erbschaftsteuer
Steuerklasse II
Steuersatz 6 %1.506,–DM

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Der Senat sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen.

FG München 4 K 4163/97

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

cemetery with bare trees

Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22

April 18, 2024
Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22Zusammenfassun…
paragraph, a book, law

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 232…
paragraph, gold, law

Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23

April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…