FG Münster 6 V 3617/12 AO

September 26, 2022

FG Münster 6 V 3617/12 AO – Pfändungs- und Einziehungsverfügung – Duldungsbescheid von der Vollziehung auszusetzen

Tenor

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 26.09.2012, zugestellt an den Drittschuldner am 28.09.2012, wird aufgehoben.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner zu je ½.

Die Beschwerde wird zugelassen

Gründe FG Münster 6 V 3617/12 AO

I.

Zu entscheiden ist, ob ein gegen die Antragstellerin erlassener Duldungsbescheid von der Vollziehung auszusetzen ist und die wegen des Duldungsbescheides bereits durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind.

Der Ehemann der Antragstellerin betrieb als Einzelunternehmer seit 1992 die Pizzeria X. in angemieteten Räumen in M.. Für die Jahre 2007 bis 2009 fand in dem Unternehmen des Ehemannes der Antragstellerin eine Außenprüfung statt, die im Januar 2011 mit einer tatsächlichen Verständigung abgeschlossen wurde.

Auf Grundlage der tatsächlichen Verständigung erließ der Antragsgegner am 12.04.2011 geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide, wobei die hieraus resultierenden Steuernachzahlungen am 16.05.2011 fällig wurden.

Die offenen Einkommensteuerbeträge wurden in der Folge zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann dahingehend aufgeteilt, dass sie in vollem Umfang auf den Ehemann der Antragstellerin entfielen.

Mit Wirkung zum 31.05.2011 meldete der Ehemann der Antragstellerin sein Gewerbe ab, nachdem er am 23.04.2012 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt hatte.

Bereits mit Gesellschaftsvertrag vom 11.04.2011 hatte die Antragstellerin die Fa. X. GmbH gegründet, deren Unternehmensgegenstand ebenfalls der Betrieb einer Pizzeria ist und deren Alleingesellschafterin und -geschäftsführerin die Antragstellerin ist.

Die GmbH nahm ihre Tätigkeit am 01.06.2011 in denselben Räumen auf, in denen zuvor der Ehemann der Antragstellerin sein Einzelunternehmen betrieben hatte.

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Die Handelsregistereintragung erfolge am 02.05.2011, nachdem zuvor – wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen – das Stammkapital in Höhe von 25.000 € in bar erbracht worden war.

Wegen der Leistung der Stammeinlage wird auf den Kontoauszug der X. GmbH vom 02.05.2011 verwiesen.

Der Ehemann der Antragstellerin gab in dem Fragebogen zur Gewerbeabmeldung an, er habe sein Unternehmen für 10.000 € an die X. GmbH veräußert.

Der Veräußerungspreis sei am 01.06.2011 fällig gewesen.

Der Ehemann der Antragstellerin war zudem Inhaber eines Lebensversicherungsvertrages bei der Z. Versicherung AG, den er zum 01.05.2011 gekündigt hatte.

Der Rückkaufswert in Höhe von 36.310,71 € wurde – seinen Weisungen entsprechend – am 29.04.2011 dem Konto der Antragstellerin Nr. 000 000 001 bei der Sparkasse M. gutgeschrieben.

Am 02.05.2011 wurden auf dem Konto der Antragstellerin – ausweislich des vorliegenden Kontoauszugs – zwei Barauszahlungen in Höhe von 10.000 € bzw. 25.000 € verbucht.

Im Rahmen der Prüfung, ob die Antragstellerin als Betriebsübernehmerin nach § 75 AO oder § 25 Handelsgesetzbuch (HGB) wegen der Steuerschulden ihres Ehemannes als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden kann, teilte das Steuerbüro N. mit Schreiben vom 24.11.2011, das am 29.11.2011 beim Antragsgegner einging, mit, die Stammeinlage in Höhe von 25.000 € sei durch eine Einzahlung auf dem Konto der X. GmbH erbracht worden.

Ferner seien 10.000 € für den Geschäftsbetrieb der Pizzeria an den Ehemann der Antragstellerin geleistet worden.

Am 10.01.2012 ging ein weiteres Schreiben des Steuerbüros N. beim Antragsgegner ein, das ebenfalls das Datum des 24.11.2011 trägt. In letztgenanntem Schreiben erläutert das Steuerbüro, die ausgezahlte Versicherungssumme von 36.310,71 € sei in Höhe von 10.000 € unmittelbar in bar an den Ehemann der Antragstellerin zurückgezahlt worden.

Weitere 25.000 € seien nach den Angaben der Antragstellerin in den Folgemonaten in mehreren Teilbeträgen ebenfalls wieder zurückgezahlt worden.

Der Ehemann der Antragstellerin habe mit diesem Geld die aus seinem Einzelunternehmen noch bestehenden Verbindlichkeiten getilgt. Der verbleibende Restbetrag von 1.310,71 € stehe noch zur Rückzahlung aus.

Nach Auskunft des Steuerbüros N. müsste das zweite Schreiben vom 24.11.2011 richtigerweise das Datum des 09.01.2012 tragen.

Da die Vollstreckung in das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin erfolglos verlaufen war, nahm der Antragsgegner die Antragstellerin mit Bescheid vom 25.07.2012 wegen der Steuerschulden ihres Ehemannes in Höhe von 33.278,25 € durch Duldungsbescheid in Anspruch.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 31.07.2012 Einspruch ein, über den der Antragsgegner bis zur Stellung des vorliegenden Antrags noch nicht abschließend entschieden hatte.

Auf Grundlage des Duldungsbescheides vom 25.07.2012 pfändete der Antragsgegner am 26.09.2012 das Konto der Antragstellerin.

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Am 28.09.2012 wurde die Pfändungs- und Einziehungsverfügung an den Drittschuldner zugestellt. Eine Einziehung der Forderung erfolgte bislang nicht.

Den am 04.10.2012 gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 09.10.2012 ab.

Mit dem vorliegenden, am 22.10.2012 bei Gericht eingegangenen Aussetzungsantrag macht die Antragstellerin geltend, der Duldungsbescheid sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten.

Die Antragstellerin behauptet, sie habe ihr Konto lediglich zur Auszahlung der auf ihren Ehemann lautenden Versicherung zur Verfügung gestellt und den von der Lebensversicherung erhaltenen Betrag in Höhe von 35.000 € an ihren Ehemann weitergeleitet, der mit den Geldern Verbindlichkeiten gegenüber seinen Lieferanten getilgt habe.

Insoweit verweist sie auf die eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes vom 09.10.2012 sowie das am 10.01.2012 beim Antragsgegner eingegangene Schreiben der Kanzlei N. vom 24.11.2011, das richtigerweise das Datum des 09.01.2012 tragen müsste.

Zum Nachweis der Gläubigerbefriedigung durch ihren Ehemann legte die Antragstellerin diverse Rechnungen der Fa. E. GmbH mit einem Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von 19.076,24 € vor, auf denen handschriftlich Zahlungseingänge vermerkt sind und auf die Bezug genommen wird.

Die Antragstellerin gibt an, die 25.000 €, die sie als Stammeinlage für die Gründung der GmbH benötigt habe, aus Trinkgeldern, dem Kindergeld und Geschenken aus dem Familienkreis selbst angespart zu haben. Die GmbH sei daher mit Mitteln aus ihrem eigenen Vermögen gegründet worden.

Die Ausführungen der Kanzlei N. in dem zweiten Schreiben vom 24.11.2011, das am 29.11.2011 beim Antragsgegner eingegangen war, seien falsch und ohne Rücksprache mit ihr erfolgt.

Insoweit legte die Antragstellerin ein weiteres Schreiben der Kanzlei N. vom 22.11.2012 vor, im dem die Steuerberater mitteilen, die Antragstellerin hätte ihnen im Rahmen eines Telefonats erläutert, die Bareinzahlung vom 02.05.2011 auf dem Konto der GmbH sei mit gespartem Geld erfolgt.

Die Bareinlage in Höhe von 25.000 € sei von den beiden Barabhebungen in Höhe von 25.000 € und 10.000 € zu trennen. Das Geld aus der Lebensversicherung habe sie ihrem Ehemann übergeben.

Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages verweist die Antragstellerin auf ihre eidesstattliche Versicherung vom 20.11.2012.

Sie trägt weiter vor, sie sei nicht allein aus ihrer Stellung als Ehefrau heraus bösgläubig gewesen.

Es sei nicht ungewöhnlich, seinem Ehegatten ein Konto zur Verfügung zu stellen.

Ein Anlass zur Bösgläubigkeit sei hierdurch nicht gegeben.

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Hervorzuheben sei, dass sie nicht über die gesamte finanzielle Situation ihres Ehemannes informiert gewesen sei. Insbesondere von den Steuerverbindlichkeiten habe sie keine Kenntnis gehabt.

Die Antragstellerin beantragt,

1 den Duldungsbescheid vom 25.07.2012 insoweit von der Vollziehung auszusetzten, als die im Duldungsbescheid ausgesprochene Duldung über einen Betrag von 1.310,71 € hinausgeht,

2 die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 26.09.2012 aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung der angefochtene Duldungsbescheid sei rechtmäßig.

Die Antragstellerin könne sich insbesondere nicht darauf berufen, entreichert zu sein, da sie das empfangene Geld für eigene Zwecke verwandt und somit einen Gegenwert hierfür erhalten habe.

Wie die Antragstellerin im Rahmen der Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nach § 75 AO bzw. § 25 HGB vorgetragen habe, seien mit dem auf ihrem Konto eingegangenen Lebensversicherungsbetrag der Kaufpreis für das Einzelunternehmen X. in Höhe von 10.000 € sowie die Stammeinlage für die X. GmbH finanziert worden, deren alleinige Gesellschafterin die Antragstellerin sei.

Der nunmehr von der Antragstellerin geschilderte Sachverhalt, ihr Ehemann habe seine Gläubiger mit dem von der Lebensversicherung empfangenen Geld befriedigt, stehe im Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag und sei ferner nicht nachgewiesen.

Darüber hinaus wäre der Duldungsbescheid auch dann rechtmäßig, wenn die Antragstellerin tatsächlich entreichert wäre, da sie wusste oder zumindest den Umständen nach hätte wissen müssen, dass die an sie bewirkte unentgeltliche Leistung Gläubiger ihres Ehemannes benachteiligt.

Sie habe als Ehefrau in einer funktionierenden Ehe die finanzielle Situation ihres Ehemannes gekannt und sei daher bösgläubig gewesen.

Am 03.12.2012 hat das Amtsgericht F. aufgrund des Eigenantrages vom 23.04.2012 unter dem Aktenzeichen …/12 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin eröffnet. Zum Insolvenzverwalter ist Herr Rechtsanwalt D. N., …, … F. bestellt worden.

Insoweit wird auf den Eröffnungsbeschluss vom 03.12.2012 verwiesen.

Eine Aufnahme des vorliegenden Aussetzungsverfahrens durch den Insolvenzverwalter ist nicht erfolgt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.

II.

FG Münster 6 V 3617/12 AO

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig.

Der Antrag auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist zulässig und begründet.

1. Der Senat ist zu einer Entscheidung im vorliegenden Aussetzungsverfahren befugt, da das Verfahren nicht gem. § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG kraft Gesetzes unterbrochen ist.

Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO ist die Finanzverwaltung berechtigt, die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis mit Duldungsbescheid durchzusetzen.

Der Erlass eines Duldungsbescheides steht der gerichtlichen Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs gleich.

Gegenstand des den Duldungsbescheid betreffenden Verwaltungsverfahrens ist der Anfechtungsanspruch des Finanzamts nach dem Anfechtungsgesetz (Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 17.03.2010 3 V 930/09, EFG 2011,206).

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG wird ein im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängiges Verfahren über den Anfechtungsanspruch unterbrochen.

Dies gilt entsprechend auch für zur Zeit der Insolvenzeröffnung anhängige Verwaltungsverfahren, wie z.B. das Einspruchsverfahren (BFH-Beschluss vom 30.08.2010 VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298).

Das beim Antragsgegner seit dem 31.07.2012 anhängige Einspruchsverfahren gegen den Duldungsbescheid vom 25.07.2012 ist demnach entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG bis zur Beendigung des beim Amtsgericht F. unter dem Aktenzeichen …/12 geführten Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin unterbrochen.

Demgegenüber ist das vorliegende Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn T. B. nicht unterbrochen worden.

In seinem Beschluss vom 30.08.2010

(Aktenzeichen VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298)

hat der BFH entschieden, dass eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 17 AnfG nicht in Betracht kommt, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder beim Finanzamt noch beim Finanzgericht ein noch zu bescheidender Aussetzungsantrag vorliegt.

Vorliegend war der Aussetzungsantrag bei Gericht am 03.12.2012, dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn T. B., bereits anhängig, so dass der vom BFH entschiedene Sachverhalt nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall übereinstimmt.

Eine Entscheidung zu der Frage, ob ein bei Insolvenzeröffnung bereits anhängiges Aussetzungsverfahren i.S.d. § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) nach § 17 AnfG unterbrochen wird, hat der BFH in seinem

Beschluss vom 30.08.2010 (Aktenzeichen VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298)

nicht getroffen.

FG Münster 6 V 3617/12 AO

Eine Unterbrechung des vorliegenden Aussetzungsverfahrens scheidet nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus, weil § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG die Rechtshängigkeit eines Verfahrens über einen Anfechtungsanspruch voraussetzt, der Anfechtungsanspruch selbst jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung ist.

Die Vollziehungsaussetzung lässt die Wirksamkeit und den Bestand des ausgesetzten Verwaltungsaktes unberührt.

Die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung bedeutet lediglich, dass der materielle Regelungsgehalt des nach wie vor wirksamen Verwaltungsaktes nicht mehr verwirklicht werden kann

(Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 17.03.2010 3 V 930/09, EFG 2011,206).

Von der Unterbrechungswirkung des § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG können daher nur die Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid sowie das gegen den Duldungsbescheid geführte Einspruchsverfahren betroffen sein, da diese beiden Verfahren den Anfechtungsanspruch selbst zum Gegenstand haben.

2. Der Antrag zu 1. auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides vom 25.07.2012 ist unzulässig.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Ehemannes fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für eine Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides, da das Einspruchsverfahren gegen den Duldungsbescheid nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen ist.

Das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses setzt voraus, dass der Antragsteller durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt, d.h. beschwert wird.

Dies ist im Hinblick auf den Duldungsbescheid nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin nicht mehr der Fall, da das Einzelgläubigeranfechtungsrecht des Antragsgegners i.S.d. § 11 AnfG erloschen ist und der Antragsgegner aus dem Duldungsbescheid – zumindest bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens – wegen der eingetretenen Verfahrensunterbrechung nicht mehr vorgehen kann (§§ 16 Abs. 1 Satz 1 u. 18 Abs. 1 AnfG).

Das beim Antragsgegner anhängige Einspruchsverfahren ist nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen. Auch eine Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung rechtshängig gewesen wäre, wäre aufgrund der vorgenannten Regelung unterbrochen worden.

Allein dem Insolvenzverwalter steht das Recht zu, ein unterbrochenes Verfahren nach § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG aufzunehmen. Gleichzeitig könnte der Insolvenzverwalter aber auch von der Aufnahme eines Verfahrens absehen und zivilrechtlich gegen die Antragstellerin vorgehen.

Der Antragsgegner kann wegen der Verfahrensunterbrechung den Duldungsbescheid zur Zeit nicht vollziehen.

Er kann das unterbrochen Einspruchsverfahren auch nicht selbst aufnehmen und eine Einspruchsentscheidung erlassen.

Der Antragsgegner ist wegen der Verfahrensunterbrechung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG gehindert, den materiellen Regelungsgehalt des Duldungsbescheides vom 25.07.2012 zu verwirklichen.

Einer Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht bedarf es daher – zumindest bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin – nicht.

3. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 26.09.2012, zugestellt am 28.09.2012, war aufzuheben.

a) Der Antrag zu 2. ist zulässig, da die Antragstellerin durch die bestehende Kontenpfändung beschwert ist.

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b) Der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme ist ferner begründet, da das Einzelgläubigeranfechtungsrecht des Antragsgegners gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin (auflösend bedingt) erloschen ist (§ 18 Abs. 1 AnfG) und die Aufrechterhaltung der Pfändungsmaßnahme über einen nicht vorhersehbaren Zeitraum unbillig erscheint.

Dem Antragsgegner steht der Anfechtungsanspruch, auf den er den Duldungsbescheid vom 25.07.2012 gestützt hat, bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn T. B. nicht mehr zu.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin hat der Antragsgegner seinen Einzelgläubigeranfechtungsanspruch aus § 11 AnfG – auflösend bedingt – verloren.

Der Anfechtungsanspruch ist zu einem Bestandteil der Insolvenzmasse geworden und hat in dem Insolvenzverwalter einen neuen Rechtsträger gefunden (Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Auflage 2000, § 16 Rz. 7).

Nach § 18 AnfG steht das Erlöschen des Einzelgläubigeranfechtungsanspruchs unter einer auflösenden Bedingung im Sinne des § 158 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Erst mit Beendigung des Insolvenzverfahrens leben die Anfechtungsrechte der Einzelgläubiger unter den Voraussetzungen des § 18 AnfG mit Wirkung für die Zukunft wieder auf.

Der Antragsgegner ist erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder berechtigt, aus dem Duldungsbescheid gegen die Antragstellerin vorzugehen.

Dies gilt nach Beendigung des Insolvenzverfahrens jedoch dann nicht mehr, wenn die Antragstellerin dem Duldungsanspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt hat, was z.B. dann der Fall ist, wenn sie auf den vom Insolvenzverwalter zivilrechtlich geltend gemachten Anfechtungsanspruch hin geleistet hat.

Da der Einzelgläubigeranfechtungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst erloschen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG), hat die von einem Einzelgläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Sicherung oder Befriedigung keinen vorbehaltlosen Bestand.

Hat ein Insolvenzgläubiger bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines Anfechtungsanspruchs Sicherung oder Befriedigung erlangt, so gilt gemäß § 16 Abs. 2 AnfG die Regelung des § 130 Insolvenzordnung (InsO) entsprechend.

Befriedigung im Sinne des § 16 Abs. 2 AnfG ist jede Erfüllung des Anfechtungsanspruchs, auch schuldtilgende Hinterlegung, Hingabe an Erfüllung Statt und Aufrechnung. Hauptanwendungsfälle der Sicherung nach der genannten Vorschrift sind die Verpfändung von beweglichen Sachen, die Bestellung von Grundpfandrechten, die Einräumung einer Vormerkung sowie die Erteilung einer vollstreckbaren Urkunde

(Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Auflage 2000, § 16 Rz. 15).

Die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes als solches sind zwar keine Sicherungen im Sinne des § 16 Abs. 2 AnfG, da der Gesetzgeber insoweit davon ausgeht, dass die Sicherung nach § 16 Abs. 2 AnfG erst mit der Vollziehung des Arrestes, der Eintragung einer Sicherungshypothek oder einer Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung erlangt wird

(Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Auflage 2000, § 16 Rz. 15).

Auch die vor Insolvenzeröffnung zwar noch nicht vollzogene, aber erwirkte einstweilige Verfügung oder der vor Insolvenzeröffnung noch nicht vollzogene, jedoch bereits erwirkte Arrest bleiben jedoch nicht vorbehaltlos bestehen.

Die Regelung des § 16 Abs. 2 InsO ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar.

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Da der Einzelanfechtungsanspruch als solcher infolge der Insolvenzeröffnung zunächst erloschen ist, unterliegen erwirkte, noch nicht vollzogene einstweilige Verfügungen oder Arreste wegen veränderter Umstände grundsätzlich der Aufhebung nach §§ 927, 936 Zivilprozessordnung -ZPO- (Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Auflage 2000, § 17 Rz. 18).

Soweit ein Einzelgläubiger seinen Anfechtungsanspruch nach § 11 AnfG wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG zumindest bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens (§ 18 AnfG) verloren hat,

ergibt sich aus dem Zusammenspiel der §§ 16 – 18 AnfG sowie den insolvenzrechtlichen Regelungen, dass der Einzelgläubiger, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine Sicherung oder Befriedigung hinsichtlich seines Anfechtungsanspruchs erlangt hat, diese Sicherung oder Befriedigung nicht vorbehaltlos weiter nutzen kann.

Es besteht die Möglichkeit der kongruenten Deckungsanfechtung nach § 130 InsO oder der Aufhebung der Sicherungsmaßnahme nach § 927 ZPO.

Für die am 26.09.2012 vom Antragsgegner erwirkte Pfändungs- und Einziehungsverfügung kann nichts anderes gelten, als für die vorgenannten Sicherungsrechte.

Zum Zeitpunkt ihres Erlasses war die Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtmäßig, da die Voraussetzungen der §§ 251, 254 AO vorgelegen haben.

Gemäß § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, sobald der Anspruch auf die Leistung erloschen ist. Vorliegend ist der dem Duldungsbescheid zu Grunde liegende Anfechtungsanspruch des Antragsgegners zwar nicht endgültig erloschen, da sein Erlöschen nach §§ 16, 18 AnfG auflösend bedingt ist.

Die auflösende Bedingung und das Wiedererstarken des Anfechtungsanspruchs sind jedoch zum einen davon abhängig, dass die Antragstellerin wegen dieses Anfechtungsanspruchs nicht vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird.

Zum anderen hängt das Erstarken des Einzelgläubigeranfechtungsanspruchs des Finanzamts von der Beendigung des Insolvenzverfahrens ab, die zeitlich ungewiss ist.

Dem Rechtsgedanken des § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO entsprechend war die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 26.09.2012 daher aufzuheben.

Dem Antragsgegner fehlt zurzeit die Berechtigung, einen Anfechtungsanspruch gegenüber der Antragstellerin geltend zu machen. Ob und wann der Antragsgegner dieses Recht wieder erlangen wird, ist ungewiss. Es besteht die Möglichkeit, dass sich das Insolvenzverfahren über einen längeren Zeitraum erstreckt.

FG Münster 6 V 3617/12 AO

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter auf dem Zivilrechtswege gegen die Antragstellerin vorgeht und diese in der Folge den vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Anfechtungsanspruch erfüllt. In letzterem Fall erlangt der Antragsgegner – auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens – seinen Einzelgläubigeranfechtungsanspruch nicht zurück.

Bei dieser Sachlage erscheint es aus der Sicht des Senats unbillig, die Pfändungsmaßnahme bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin aufrechtzuerhalten.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die insolvenzrechtlichen und anfechtungsrechtlichen Vorschriften auf der einen Seite und die steuerrechtlichen Regelungen auf der anderen Seite nur ungenügend aufeinander abgestimmt sind.

Dies liegt insbesondere darin begründet, dass der Antragsgegner seine Vollstreckungsmaßnahme auf den Duldungsbescheid stützt, der sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin nicht erledigt hat und der nach Abschluss des Insolvenzverfahrens unter den Voraussetzungen des § 18 AnfG seine volle Wirkung zurückerlangen kann.

Die Wirksamkeit und der Bestand des Duldungsbescheides vom 25.07.2012 sind von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin unberührt geblieben.

Der Duldungsbescheid selbst bildet bereits den Titel, auf den der Antragsgegner seine Vollstreckungsmaßnahme gründet.

Dieser Titel ist durch die Insolvenzeröffnung nicht weggefallen, so dass der Antragsgegner grundsätzlich zu Vollstreckungsmaßnahmen berechtigt bliebe.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass der dem Duldungsbescheid zu Grunde liegende Anfechtungsanspruch zunächst erloschen ist.

Formell besteht der Duldungsbescheid zwar noch. Dem Antragsgegner ist es – zumindest bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens – allerdings verwehrt, aus dem Duldungsbescheid gegen die Antragstellerin vorzugehen.

Dies umfasst nach Auffassung des Gerichts auch die bereits erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen.

Durch die Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung verliert der Antragsgegner zwar seinen Rang. Aus der Abwägung mit den Interessen der Antragstellerin, der ein Zugriff auf ihr Konto womöglich über Jahre verwehrt wäre, ergibt sich jedoch ein Überwiegen der Interessen der Antragstellerin, die eine Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme rechtfertigen.

FG Münster 6 V 3617/12 AO

Da die Möglichkeit besteht, dass der Antragsgegner den Einzelgläubigeranfechtungsanspruch nicht mehr zurückerlangt, weil die Antragstellerin den etwaigen Anfechtungsanspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter erfüllt, und zudem nicht absehbar ist, über welchen Zeitraum sich das Insolvenzverfahren erstrecken wird, wiegt das Interesse des Antragsgegners an der Aufrechterhaltung der Pfändungsmaßnahme nicht so schwer, wie das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen.

Durch die Aufhebung der Pfändungsmaßnahme erhält darüber hinaus der jetzige Inhaber des Anfechtungsanspruchs – der Insolvenzverwalter – die Möglichkeit des Zugriffs auf das Konto der Antragstellerin.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Antragstellerin hat lediglich hinsichtlich der Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme obsiegt.

5. Die Beschwerde war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Bislang fehlt es an einer höchstrichterlichen Entscheidung zu der Frage, ob ein zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners anhängiges, einen Duldungsbescheid betreffendes Aussetzungsverfahren i.S.d. § 69 Abs. 3 FGO gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens unterbrochen wird.

Zudem ist das Verhältnis der insolvenz- und anfechtungsrechtlichen Regelungen auf der einen und der steuerrechtlichen Regelungen auf der anderen Seite noch nicht abschließend geklärt.

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Auslegungsfähigkeit eines Einspruchs – BFH V R 42/21

Februar 9, 2024
Auslegungsfähigkeit eines Einspruchs – BFH V R 42/21 – Urteil vom 12. Oktober 2023, Gegen die Ablehnung des Änderungsantragsvorgehend Thüring…