Fiktiver Erbenbesitz und Rechtsnachfolgeklausel bei Räumungsvollstreckung
Eine Zusammenfassung des BGH-Beschlusses vom 30.04.2020 (I ZB 61/19)
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30. April 2020 (I ZB 61/19) befasst sich mit zentralen Fragen der Räumungsvollstreckung,
insbesondere im Hinblick auf den fiktiven Erbenbesitz und die Notwendigkeit einer Rechtsnachfolgeklausel.
Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem Gläubiger die Räumung eines Reihenhauses betrieben, das sie an einen verstorbenen Schuldner und die Beklagte als Gesamtschuldner vermietet hatten.
Nach dem Tod des Schuldners lehnte die Gerichtsvollzieherin die weitere Vollstreckung ab.
Der BGH hob die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf und verwies die Sache zurück an den Einzelrichter.
In seiner Begründung stellte der BGH mehrere wesentliche Punkte klar:
Der BGH rügte zunächst die Besetzung des Beschwerdegerichts. Grundsätzlich entscheidet der Einzelrichter über sofortige Beschwerden gegen Entscheidungen eines Einzelrichters.
Eine Übertragung auf die Kammer ist nur durch eine gesonderte Entscheidung des Einzelrichters zulässig.
Im vorliegenden Fall hatte die Kammer die Sache selbst übernommen, was als verfahrensfehlerhaft angesehen wurde.
Ein zentraler Punkt der Entscheidung betrifft die Notwendigkeit einer Rechtsnachfolgeklausel gemäß §§ 750 Abs. 2, 727 ZPO.
Der BGH stellte klar, dass eine solche Klausel nur dann erforderlich ist, wenn sich aus den Gesamtumständen klar und eindeutig ergibt,
dass die Rechtsnachfolger des Schuldners tatsächlichen (Mit-)Besitz an den Räumen haben.
Im vorliegenden Fall war diesbezüglich nichts festgestellt worden.
Die Argumentation, dass aufgrund des § 563a Abs. 1 BGB (Fortsetzung des Mietverhältnisses mit überlebenden Mitmietern) eine Rechtsnachfolgeklausel entbehrlich sei, wies der BGH zurück.
Diese Vorschrift setze voraus, dass zum Zeitpunkt des Todes des Mieters ein gemeinsames Mietverhältnis im Sinne des § 563 BGB bestanden habe.
Daran fehlte es hier, da das Mietverhältnis bereits vor dem Tod des Schuldners durch außerordentliche Kündigung beendet worden war.
Der BGH stellte heraus, dass der „Besitz“ im Sinne des § 885 ZPO den Gewahrsam gemäß § 886 ZPO meint, welcher dem unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB entspricht.
Entscheidend ist die tatsächliche Sachherrschaft, die nach außen erkennbar sein muss.
Der nicht tatsächlich ausgeübte, fiktive Erbenbesitz nach § 857 BGB begründet – solange ein Dritter den Gewahrsam innehat – keinen Gewahrsam im Sinne einer tatsächlichen Sachherrschaft.
Daher ist dieser fiktive Besitz für die Räumungsvollstreckung grundsätzlich unerheblich.
Im vorliegenden Fall hatte die überlebende Mieterin den tatsächlichen Gewahrsam.
Für die Räumung gemäß § 885 ZPO ist es ausreichend, wenn ein Räumungstitel gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern (Mitmietern) vorliegt,
sofern dieser den tatsächlichen Besitz an den Räumlichkeiten hat.
Das Wegschaffen von Gegenständen gemäß § 885 Abs. 2 und 3 ZPO, die früher im (Mit-)Eigentum des Erblassers standen, stellt keine Vollstreckung in den Nachlass dar.
Diese Maßnahme dient der Besitzverschaffung für den Gläubiger und regelt lediglich, was mit den in den Räumen befindlichen Sachen geschehen soll.
Eine Prüfung der Eigentumsverhältnisse durch den Gerichtsvollzieher würde das formalisierte Verfahren der Zwangsvollstreckung behindern.
Der BGH betont in seiner Entscheidung den formalisierten Charakter der Zwangsvollstreckung und stellt für die Räumungsvollstreckung auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse ab.
Der fiktive Erbenbesitz nach § 857 BGB ist in diesem Kontext grundsätzlich irrelevant.
Eine Rechtsnachfolgeklausel ist nur bei klarem und eindeutigem tatsächlichem Besitz der Erben erforderlich.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass für die Räumung eines Mietobjekts nach dem Tod eines Mieters primär der tatsächliche Gewahrsam der verbleibenden Personen maßgeblich ist und eine separate
Vollstreckung gegen die Erben in der Regel nicht notwendig ist, solange ein Titel gegen den unmittelbaren Besitzer vorliegt.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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