Fluggastrechte bei Abbruch einer Pauschalreise

Oktober 25, 2025

Fluggastrechte bei Abbruch einer Pauschalreise

Gerne fasse ich das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. Juni 2024 (Az. X ZR 89/23) zu den Fluggastrechten beim Abbruch einer Pauschalreise für Sie zusammen.

Wenn ein Flug Teil einer Pauschalreise ist und die Reise vorzeitig abgebrochen wird, können die Reisenden trotzdem Ansprüche auf Entschädigung nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung (Fluggastrechte-VO) gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen (die Fluggesellschaft) haben, falls der Ersatzflug annulliert wird oder eine große Verspätung aufweist.

Der BGH hat in seinem Urteil bestätigt, dass die Fluggastrechte-VO auch für einen Ersatz-Rückflug gilt, der wegen des Abbruchs einer Kreuzfahrt (Pauschalreise) kurzfristig vom Reiseveranstalter organisiert wurde und mit großer Verspätung ankam.

Die Fluggesellschaft kann sich nicht darauf berufen, dass die Pauschalreise annulliert wurde, da die Verspätung des durchgeführten Fluges in ihrer Verantwortung lag.

Der zugrunde liegende Fall

Eine Gruppe von Reisenden buchte eine Kreuzfahrt (Pauschalreise), die Hin- und Rückflug beinhaltete. Die Reise begann, musste aber kurz nach Beginn wegen COVID-19-Erkrankungen in der Besatzung abgebrochen werden.

Der Reiseveranstalter (Aida Cruises) organisierte daraufhin einen Ersatz-Rückflug von Lissabon nach Frankfurt a. M. mit einer bestimmten Fluggesellschaft (der Beklagten).

Dieser Rückflug kam mit einer Verspätung von 24 Stunden am Zielort an. Die Reisenden verlangten eine Ausgleichszahlung (Entschädigung) nach der Fluggastrechte-VO wegen der großen Verspätung.

Die Vorinstanzen gaben den Reisenden recht. Die Fluggesellschaft legte Revision ein, der BGH wies diese jedoch ab.

Die entscheidenden Rechtsfragen und die BGH-Entscheidung

Der BGH musste klären, ob die Fluggastrechte-VO in diesem speziellen Fall anwendbar war, da die Flüge Teil einer Pauschalreise waren, die abgebrochen wurde.

1. Ist die Fluggastrechte-VO anwendbar?

Die Verordnung gilt grundsätzlich nur für Fluggäste mit einer bestätigten Buchung und die nicht kostenlos oder zu einem nicht-öffentlichen, reduzierten Tarif reisen (Art. 3 Abs. 2, 3 Fluggastrechte-VO).

Bestätigte Buchung:

Der BGH bestätigte, dass die Reisenden eine solche Buchungsbestätigung für den Ersatz-Rückflug hatten. Da die Fluggesellschaft die Reisenden befördert hat, wird davon ausgegangen, dass sie auch rechtzeitig eingecheckt haben.

Kostenlose Beförderung:

Die Beförderung war nicht kostenlos. Die Reisenden hatten den Flug als Teil des Reisepreises „erkauft“ und der Reiseveranstalter hatte die Fluggesellschaft für den Charterflug bezahlt. Auch der Ersatz-Rückflug gehörte zu den vertraglichen Pflichten des Reiseveranstalters.

Fluggastrechte bei Abbruch einer Pauschalreise

Reduzierter Tarif:

Die Tatsache, dass der Preis für den Charterflug individuell ausgehandelt und niedriger war als der ursprüngliche Wunschpreis der Airline, macht ihn nicht automatisch zu einem „für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren reduzierten Tarif“ im Sinne der Verordnung.

Ergebnis:

Die Fluggastrechte-VO war anwendbar.

2. Ausschluss der Fluggastrechte wegen Annullierung der Pauschalreise?

Ein wichtiger Streitpunkt war die Ausnahmeregelung in Art. 3 Abs. 6 Unterabs. 2 Fluggastrechte-VO. Diese besagt, dass die Verordnung nicht gilt, wenn eine Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird. Die Fluggesellschaft argumentierte, die Annullierung der Kreuzfahrt wegen COVID-19 sei der Grund für den Flug gewesen, und damit sei die Verordnung ausgeschlossen.

BGH-Auffassung:

Dieser Ausschluss gilt nur für Fälle, in denen die Annullierung der Pauschalreise zugleich zur Annullierung des Fluges führt. Die Regelung soll die Verantwortungsbereiche abgrenzen: Der Reiseveranstalter ist für die Annullierung der Reise zuständig.

Entscheidend im Fall:

Hier wurde der Flug trotz Annullierung der Reise durchgeführt, hatte aber eine große Verspätung. Die Ursache für diese Verspätung lag allein im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft.

Schlussfolgerung:

Da der Anspruch auf Entschädigung nicht auf die Annullierung der Reise, sondern auf die Verspätung des durchgeführten Fluges gestützt wurde, ist der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt. Der Reisende bedarf in dieser Situation des Schutzes der Fluggastrechte-VO in gleicher Weise wie jeder andere Fluggast.

Ergebnis:

Die Fluggesellschaft muss die Reisenden wegen der 24-stündigen Verspätung entschädigen. Die Revision wurde abgewiesen.

Zusammenfassung der Kernpunkte

Die Fluggastrechte-VO gilt auch für Ersatzflüge im Rahmen einer Pauschalreise, die aufgrund des Reiseabbruchs erforderlich werden.

Kosten

Der Flug gilt nicht als kostenlos oder zu einem nicht-öffentlichen Tarif befördert, wenn er Teil des Pauschalreisepreises war oder individuell ausgehandelt wurde.

Ausschlussgrund (Annullierung der Reise)

Der Ausschlussgrund (Art. 3 Abs. 6 Unterabs. 2 Fluggastrechte-VO) greift nicht, wenn ein Flug trotz Annullierung der Pauschalreise stattfindet und es bei diesem Flug zu einer Annullierung oder Verspätung kommt, da die Ursache dafür in der Verantwortung der Fluggesellschaft liegt.

Fazit

Pauschalreisende haben Anspruch auf Entschädigung nach der Fluggastrechte-VO, wenn ihr (Ersatz-)Flug verspätet ist, selbst wenn die Pauschalreise zuvor abgebrochen wurde.

RA und Notar Krau

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