Folgen unwirksamer Abnahmeklausel für Mängelprozess
BGH Urteil vom 9.11.2023 – VII ZR 241/22
Die Unwirksamkeit einer Abnahmeklausel in einem Bauträgervertrag kann weitreichende Konsequenzen für den späteren Mängelprozess haben, insbesondere bezüglich des Beginns der Verjährungsfrist für Mängelansprüche.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 9. November 2023 (VII ZR 241/22) wichtige Klarstellungen getroffen, wie mit dieser Situation umzugehen ist.
Eine typische, von Bauträgern verwendete Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger selbst bestimmten und ihm wirtschaftlich verbundenen (Erst-)Verwalter ermöglicht, ist unwirksam.
Solche Klauseln benachteiligen die Erwerber unangemessen, da der Verwalter nicht neutral ist und die Interessen des Bauträgers überwiegen können. Sie verstoßen gegen die AGB-Kontrolle im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, insbesondere § 307 BGB).
Die auf dieser Basis erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist ebenfalls unwirksam. Mangels einer wirksamen Abnahme befindet sich der Vertrag grundsätzlich noch im Erfüllungsstadium.
Normalerweise sind Mängelansprüche (z. B. auf Mängelbeseitigung oder Kostenvorschuss) erst nach der Abnahme des Werks möglich. Das Fehlen einer wirksamen Abnahme könnte dies verhindern.
Der Bauträger, der die unwirksame Klausel gestellt hat, könnte argumentieren, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme noch im Erfüllungsstadium befinde, weshalb Mängelansprüche noch nicht geltend gemacht werden könnten.
Der BGH hat entschieden: Dem Bauträger als Verwender der unwirksamen Klausel ist es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das Fehlen der Abnahme zu berufen, um die Mängelansprüche abzuwehren.
Im Rahmen der Begründung der Mängelansprüche wird die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zugunsten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) bzw. der Erwerber unterstellt.
Die GdWE kann als Prozessstandschafterin der Erwerber Mängelansprüche (wie Kostenvorschuss) geltend machen, obwohl formal keine wirksame Abnahme vorliegt.
Die Verjährung von Mängelansprüchen beginnt grundsätzlich erst mit der Abnahme des Bauwerks (§ 634a Abs. 2 BGB), wobei die Frist für Bauwerke fünf Jahre beträgt. Die zentrale Streitfrage ist, ob die Abnahme, die zugunsten der Erwerber bei der Anspruchsbegründung unterstellt wird, nun zulasten der Erwerber auch für den Beginn der Verjährungsfrist unterstellt werden muss.
Der Bauträger (Beklagte) beruft sich oft auf die Verjährungseinrede. Er argumentiert, dass die GdWE (Klägerin) sich widersprüchlich verhalte, wenn sie früher Mängelansprüche geltend machte (was nur mit Abnahme möglich ist) und nun, bei der Verjährung, behauptet, es habe keine Abnahme gegeben. Der Bauträger möchte eine (fiktive) Abnahme unterstellt sehen, um die fünfjährige Verjährungsfrist in Gang zu setzen.
Der BGH lehnt die Unterstellung der Abnahme zum Zwecke des Verjährungsbeginns zulasten der GdWE ab.
Dass die GdWE zuvor Mängelansprüche geltend gemacht und diese reguliert wurden, stellt kein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten dar, welches es ihr verwehren würde, sich später auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme zu berufen.
Die Kontrolle der AGB dient ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners (Erwerber), nicht dem Verwender (Bauträger).
Sie ist günstig für die Geltendmachung der Ansprüche, aber ungünstig für den Verjährungsbeginn. Angesichts dieser Ambivalenz und des Schutzzwecks der AGB-Kontrolle liegt keine sachliche Unvereinbarkeit zwischen dem früheren (Anspruch geltend machen) und dem späteren (Fehlen der Abnahme für Verjährung geltend machen) Verhalten der GdWE vor.
Der Bauträger ist selbst für den Nichtbeginn der Verjährung verantwortlich, da er die unwirksame Klausel verwendet hat. Sein Vertrauen, die GdWE würde sich nicht auf das Fehlen der Abnahme berufen, ist nicht vorrangig schutzwürdig.
Die GdWE kann:
Mängelansprüche geltend machen (Unterstellung der Abnahme zugunsten der GdWE).
Die Einrede der Verjährung abwehren, solange keine andere Form der wirksamen Abnahme (z. B. eine nachträgliche konkludente Abnahme durch die Erwerber) festgestellt wurde.
Die fünfjährige Verjährungsfrist beginnt in diesem Fall nicht zu laufen, da die unwirksame Klausel den Beginn der Verjährung nicht bewirkt.
Das Urteil stärkt die Position der GdWE/Erwerber erheblich, da der Bauträger die von ihm selbst verursachte fehlende Abnahme nicht zur Abkürzung der Verjährungsfrist nutzen kann.
Die GdWE ist aber weiterhin nicht gehindert, eine formelle Abnahme nachzuholen oder eine konkludente Abnahme durch längeren Gebrauch kann eintreten, was den Verjährungsbeginn auslösen würde.
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