Formwechsel als Veräußerung iSd Regelung über den Einbringungsgewinn II

November 5, 2025

Formwechsel als Veräußerung iSd Regelung über den Einbringungsgewinn II

BFH, Urt. v. 27.11.2024 – X R 26/22
Vorinstanz: FG Münster v. 30.12.2021 – 4 K 1512/15 F, DStRE 2023, 170

Zusammenfassung: Formwechsel als Verkauf im Sinne der Missbrauchsvermeidungsvorschriften (Einbringungsgewinn II)


1. Einleitung: Worum geht es?

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November 2024 (X R 26/22) klärt eine wichtige Frage im deutschen Umwandlungssteuerrecht, die Laien oft schwer verständlich erscheint: Wann löst die Änderung der Rechtsform einer Gesellschaft eine rückwirkende Besteuerung aus?

Konkret geht es um die sogenannte Einbringungsgewinn II-Regelung in § 22 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Diese Vorschrift ist eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift (oft als „Anti-Missbrauchsvorschrift“ bezeichnet), die sicherstellen soll, dass zuvor steuerfrei gestellte Gewinne (sogenannte stille Reserven) nachträglich besteuert werden, wenn innerhalb einer bestimmten Frist eine „schädliche“ Transaktion erfolgt.

Das Kernproblem: Wird ein Formwechsel (die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft) steuerlich als Verkauf (Veräußerung) der Gesellschaftsanteile gewertet? Der BFH hat diese Frage bejaht.


Formwechsel als Veräußerung iSd Regelung über den Einbringungsgewinn II

2. Der Ausgangspunkt: Die steuerneutrale Einbringung (Anteilstausch)

Um den Hintergrund zu verstehen, muss man den Ablauf kennen, der dem Urteil zugrunde liegt:

  1. Die Einbringung (Anteilstausch): Die Eigentümer bringen ihre Anteile an einer Gesellschaft (z.B. der XA-GmbH) in eine andere Gesellschaft (z.B. die X-GmbH) ein, wofür sie neue Anteile an der X-GmbH erhalten. Man spricht von einem qualifizierten Anteilstausch. Dieser Vorgang ermöglicht es, die Transaktion zunächst steuerneutral zum Buchwert durchzuführen. Die im Wert der Anteile schlummernden, bisher unversteuerten Gewinne (stille Reserven) werden nicht sofort besteuert.
  2. Die Sperrfrist: Im Gegenzug für diese anfängliche Steuerbefreiung muss eine Sperrfrist von sieben Jahren eingehalten werden. Innerhalb dieser Frist darf die X-GmbH (die nun die Anteile an der XA-GmbH hält) diese Anteile nicht verkaufen, ohne dass die ursprünglich steuerfrei gestellten stillen Reserven nachträglich beim Einbringenden (den ursprünglichen Eigentümern) besteuert werden. Dies ist der Einbringungsgewinn II.

Ziel der Regelung: Es soll verhindert werden, dass die Einbringung (der Anteilstausch) nur dazu dient, die stillen Reserven anschließend steuerfrei oder steuerlich günstiger zu verkaufen.


3. Das Urteil: Formwechsel als Verkauf

Im konkreten Fall des BFH-Urteils wurde die XA-GmbH (deren Anteile eingebracht wurden) innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist in eine Personengesellschaft (eine KG) umgewandelt (Formwechsel).

Die zentrale Frage war: Ist dieser Formwechsel dasselbe wie ein Verkauf der Anteile durch die X-GmbH, die diese Anteile ja nun hält?

A. Die Sicht des BFH: Tauschähnlicher Vorgang

Der BFH argumentiert, dass der steuerrechtliche Begriff der „Veräußerung“ (Verkauf) nicht nur den zivilrechtlichen Kaufvertrag umfasst. Im Steuerrecht wird ein Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als „tauschähnlicher entgeltlicher Rechtsträgerwechsel“ gewertet.

Die Begründung:

  • Verlust der Beteiligungsform: Die X-GmbH (die übernehmende Gesellschaft) gibt ihre Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (XA-GmbH) hin und erhält im Gegenzug eine Beteiligung an der neuen Personengesellschaft (XA-KG).
  • Abkehr vom Trennungsprinzip: Die Kapitalgesellschaft unterliegt dem Trennungsprinzip (Gesellschaft und Gesellschafter sind getrennt). Die Personengesellschaft unterliegt dem Transparenzprinzip (die Gesellschaftsgewinne werden den Gesellschaftern direkt zugerechnet). Durch den Formwechsel vermischen sich die stillen Reserven der beiden Gesellschaften (XA-GmbH und X-GmbH).
  • Wichtige Schlussfolgerung: Da die eingebrachten Anteile im Zuge des Formwechsels nicht mehr existieren und der steuerliche Status sich grundlegend ändert, wird der Formwechsel als schädliche Veräußerung im Sinne des § 22 Abs. 2 UmwStG angesehen. Dies löst den Einbringungsgewinn II aus.

B. Ablehnung von Ausnahmen (Teleologische Reduktion/Billigkeit)

Die Kläger argumentierten, die Besteuerung sei unbillig, weil kein Missbrauch vorliege und die Steuerlast für einen späteren Verkauf der neuen Personengesellschaftsanteile höher sein könne als vor der Einbringung.

Der BFH lehnte eine teleologische Reduktion (eine einschränkende Auslegung des Gesetzeszwecks) sowie eine Korrektur aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ab:

  1. Kein Rückfall in alten Status: Die Anteile fielen durch den Formwechsel nicht in den steuerlichen Status zurück, den sie vor der Einbringung hatten. Insbesondere bleibt die Abschirmwirkung der übernehmenden Kapitalgesellschaft (X-GmbH) bestehen.
  2. Verlust der Sperrfrist-Regelung: Durch den Formwechsel in eine Personengesellschaft endet die Anwendbarkeit der Einbringungsgewinn II-Regelung für die Zukunft, da diese Regelung nur für Anteile an Kapitalgesellschaften gilt. Der Formwechsel beendet die Geltung der Sperrfrist vorzeitig, was als „schädlich“ gewertet wird.
  3. Typisierende Missbrauchsvermeidung: Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 UmwStG ist eine generelle, vereinfachte Regelung, die nicht in jedem Einzelfall auf einen Missbrauchsversuch geprüft werden muss.

C. Keine Anwendung der EU-Fusionsrichtlinie

Der BFH stellte klar, dass sich die Klägerin nicht auf die EU-Fusionsrichtlinie (RL 2009/133/EG) berufen kann, obwohl diese in grenzüberschreitenden Fällen eine Besteuerung verhindern soll.

Grund: Die Richtlinie gilt nur, wenn Gesellschaften aus zwei oder mehr EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind. Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt. Da der deutsche Gesetzgeber in § 21 UmwStG bewusst unterschiedliche Regeln für innerstaatliche und grenzüberschreitende Anteilstauschvorgänge geschaffen hat, ist die EU-Richtlinie für den Inlandssachverhalt nicht anwendbar.

4. Fazit

Das Urteil des BFH ist eine wichtige Klarstellung für Umstrukturierungen innerhalb Deutschlands.

Die Kernaussage für die Praxis lautet:

Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile zuvor steuerneutral im Rahmen eines Anteilstauschs eingebracht wurden, in eine Personengesellschaft (Formwechsel) gilt innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist als schädliche Veräußerung und löst den Einbringungsgewinn II aus. Eine Korrektur dieser Rechtsfolge aus Billigkeitsgründen oder durch eine einschränkende Auslegung ist in solchen Fällen in der Regel ausgeschlossen, insbesondere wenn dadurch keine Rückkehr zum ursprünglichen steuerlichen Status erfolgt.

RA und Notar Krau

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