Formwechsel als Veräußerung iSd Regelung über den Einbringungsgewinn II
BFH, Urt. v. 27.11.2024 – X R 26/22
Vorinstanz: FG Münster v. 30.12.2021 – 4 K 1512/15 F, DStRE 2023, 170
Zusammenfassung: Formwechsel als Verkauf im Sinne der Missbrauchsvermeidungsvorschriften (Einbringungsgewinn II)
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November 2024 (X R 26/22) klärt eine wichtige Frage im deutschen Umwandlungssteuerrecht, die Laien oft schwer verständlich erscheint: Wann löst die Änderung der Rechtsform einer Gesellschaft eine rückwirkende Besteuerung aus?
Konkret geht es um die sogenannte Einbringungsgewinn II-Regelung in § 22 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Diese Vorschrift ist eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift (oft als „Anti-Missbrauchsvorschrift“ bezeichnet), die sicherstellen soll, dass zuvor steuerfrei gestellte Gewinne (sogenannte stille Reserven) nachträglich besteuert werden, wenn innerhalb einer bestimmten Frist eine „schädliche“ Transaktion erfolgt.
Das Kernproblem: Wird ein Formwechsel (die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft) steuerlich als Verkauf (Veräußerung) der Gesellschaftsanteile gewertet? Der BFH hat diese Frage bejaht.
Um den Hintergrund zu verstehen, muss man den Ablauf kennen, der dem Urteil zugrunde liegt:
Ziel der Regelung: Es soll verhindert werden, dass die Einbringung (der Anteilstausch) nur dazu dient, die stillen Reserven anschließend steuerfrei oder steuerlich günstiger zu verkaufen.
Im konkreten Fall des BFH-Urteils wurde die XA-GmbH (deren Anteile eingebracht wurden) innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist in eine Personengesellschaft (eine KG) umgewandelt (Formwechsel).
Die zentrale Frage war: Ist dieser Formwechsel dasselbe wie ein Verkauf der Anteile durch die X-GmbH, die diese Anteile ja nun hält?
Der BFH argumentiert, dass der steuerrechtliche Begriff der „Veräußerung“ (Verkauf) nicht nur den zivilrechtlichen Kaufvertrag umfasst. Im Steuerrecht wird ein Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als „tauschähnlicher entgeltlicher Rechtsträgerwechsel“ gewertet.
Die Begründung:
Die Kläger argumentierten, die Besteuerung sei unbillig, weil kein Missbrauch vorliege und die Steuerlast für einen späteren Verkauf der neuen Personengesellschaftsanteile höher sein könne als vor der Einbringung.
Der BFH lehnte eine teleologische Reduktion (eine einschränkende Auslegung des Gesetzeszwecks) sowie eine Korrektur aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ab:
Der BFH stellte klar, dass sich die Klägerin nicht auf die EU-Fusionsrichtlinie (RL 2009/133/EG) berufen kann, obwohl diese in grenzüberschreitenden Fällen eine Besteuerung verhindern soll.
Grund: Die Richtlinie gilt nur, wenn Gesellschaften aus zwei oder mehr EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind. Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt. Da der deutsche Gesetzgeber in § 21 UmwStG bewusst unterschiedliche Regeln für innerstaatliche und grenzüberschreitende Anteilstauschvorgänge geschaffen hat, ist die EU-Richtlinie für den Inlandssachverhalt nicht anwendbar.
Das Urteil des BFH ist eine wichtige Klarstellung für Umstrukturierungen innerhalb Deutschlands.
Die Kernaussage für die Praxis lautet:
Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile zuvor steuerneutral im Rahmen eines Anteilstauschs eingebracht wurden, in eine Personengesellschaft (Formwechsel) gilt innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist als schädliche Veräußerung und löst den Einbringungsgewinn II aus. Eine Korrektur dieser Rechtsfolge aus Billigkeitsgründen oder durch eine einschränkende Auslegung ist in solchen Fällen in der Regel ausgeschlossen, insbesondere wenn dadurch keine Rückkehr zum ursprünglichen steuerlichen Status erfolgt.
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