Fristlose Kündigung wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses

Oktober 27, 2025

Fristlose Kündigung wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses

Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses ist im deutschen Recht nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich, da sie einen starken Eingriff in das Recht auf Wohnen darstellt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (§ 543 BGB) regelt die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund.

Hier fassen wir zusammen, wann eine „Zerrüttung“ des Mietverhältnisses – also eine Zerstörung der Vertrauensgrundlage – diesen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen kann, basierend auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. November 2023 (VIII ZR 211/22).

Fristlose Kündigung und Zerrüttung: Die BGH-Linie

Der BGH hat klargestellt, dass die reine Zerrüttung des Mietverhältnisses, also die Zerstörung des Vertrauens, allein nicht für eine fristlose Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB) im Wohnraummietrecht ausreicht.

Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung liegt demnach nur vor, wenn:

Die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum regulären Ende unzumutbar ist.

Die Unzumutbarkeit zumindest auch durch ein pflichtwidriges Verhalten der kündigenden Partei verursacht wurde.

Kurz gesagt:

Ein Vermieter oder Mieter kann nicht einfach kündigen, weil man sich nicht mehr leiden kann. Es muss ein konkreter Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten durch die andere Seite vorliegen, der die Zerrüttung verursacht oder maßgeblich dazu beigetragen hat.

Der Fall: Nachbarschaftsstreit und Strafanzeige

Das BGH-Urteil basierte auf einem langjährigen Konflikt zwischen einem Vermieter-Ehepaar (Kl.) und seinen Mietern (Bekl.), die im selben Mehrfamilienhaus lebten.

Hintergrund des Streits

Jahrelange Auseinandersetzungen: Seit 2014 gab es regelmäßige Streitereien wegen Lärm, Verstößen gegen die Hausordnung, Mülltonnen und zugeparkten Einfahrten.

Rassistische Unterstellung:

Die Vermieter (Kl.) verschickten ein Schreiben, in dem sie den Mietern (Bekl.) unwahrheitsgemäß rassistische Äußerungen gegenüber einer türkischstämmigen Familie im Haus unterstellten.

Strafanzeige der Mieter:

Im Mai 2020 erstatteten die Mieter gegen die Vermieter Strafanzeige wegen Verleumdung (wegen der rassistischen Unterstellung) und weiterer Beleidigungen („Du Penner,“ „asozial“).

Die Kündigung

Die Vermieter erklärten daraufhin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Als Grund gaben sie die Strafanzeige der Mieter und die Zerrüttung des Mietverhältnisses an.

Das Urteil des BGH

Die Klage des Vermieters auf Räumung der Wohnung blieb in allen Instanzen erfolglos. Der BGH bestätigte das Urteil des Landgerichts Köln.

Zerrüttung allein reicht nicht

Das Gericht bekräftigte, dass die reine Zerrüttung (die im Fall unstreitig war) kein Kündigungsgrund ist, wenn keine konkrete Pflichtverletzung der Mieter festgestellt werden kann, die ursächlich für die Zerrüttung war.

Im vorliegenden Fall konnten die Gerichte keine schwerwiegende Pflichtverletzung der Mieter feststellen, welche die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses begründet hätte.

Die Strafanzeige war gerechtfertigt

Die Erstattung einer Strafanzeige kann zwar eine Pflichtverletzung darstellen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt, allerdings nur, wenn sie grundlos falsch ist oder wissentlich unwahre oder leichtfertige Angaben enthält.

Fristlose Kündigung wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses

Das Gericht stellte fest, dass die Hauptaussage in der Strafanzeige der Mieter – der Vorwurf, die Vermieter hätten ihnen fälschlicherweise rassistische Äußerungen unterstellt – der Wahrheit entsprach. Die Vermieter hatten damit selbst eine erhebliche Pflichtverletzung begangen (die unwahre rassistische Unterstellung).

Da die Mieter in Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen (Verteidigung gegen den schwerwiegenden, unwahren Vorwurf) gehandelt haben, stellte die Strafanzeige keinen Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten dar, der die fristlose Kündigung durch die Vermieter gerechtfertigt hätte.

Auch die weiteren, weniger schwerwiegenden Vorwürfe in der Anzeige (z. B. Beleidigungen der Vermieter) reichten unter den gegebenen Umständen nicht aus. Die Vermieter hatten durch ihr eigenes schwerwiegendes Fehlverhalten (die unwahre rassistische Unterstellung) selbst Anlass für die Anzeige und die Zerrüttung gegeben.

Fazit

Die fristlose Kündigung im Wohnraummietrecht ist an hohe Hürden gebunden.

Merke:

Zerrüttung ist kein Freifahrtschein:

Die bloße Tatsache, dass sich Mieter und Vermieter nicht mehr vertragen, reicht nicht für eine fristlose Kündigung.

Pflichtverletzung ist nötig:

Es muss ein schwerwiegender Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten durch die kündigende Seite vorliegen (z. B. unerträgliche Lärmstörung, Bedrohung, massive Sachbeschädigung).

Wahrheitsgemäße Strafanzeige schützt:

Die Erstattung einer Strafanzeige gegen den Vertragspartner ist kein Kündigungsgrund, wenn die Vorwürfe der Wahrheit entsprechen und zur Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen erfolgt ist.

Der eigene Anteil zählt:

Wer als Vermieter oder Mieter selbst durch schwerwiegende Pflichtverletzungen (wie unwahre, rufschädigende Behauptungen) zur Zerrüttung beiträgt, kann sich später nicht auf diese Zerrüttung berufen, um fristlos zu kündigen.

RA und Notar Krau

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