BGH IV ZR 235/03

Juni 3, 2020

BGH IV ZR 235/03

Urteil vom 19.10.2005

Geltendmachung übergeleiteter Pflichtteilsansprüche durch Sozialhilfeträger

RA und Notar Krau

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 7. Oktober 2003 auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.

Im Fall ging es um einen klagenden Sozialhilfeträger, der die Beklagte, Erbin ihrer am 12. März 1999 verstorbenen Mutter,

auf den Pflichtteil ihrer behinderten Schwester am Nachlass der Mutter in Anspruch nahm.

Der Kläger hatte die Pflichtteilsansprüche gemäß § 90 BSHG auf sich übergeleitet, was die Beklagte bestritt.

Die Eltern der Beklagten hatten ein gemeinschaftliches Testament verfasst, das den überlebenden Ehepartner als Alleinerben bestimmte

und eine Pflichtteilssanktion für Kinder vorsah, die ihren Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils geltend machen.

BGH IV ZR 235/03

Der Vater setzte später die behinderte Tochter als beschränkte Vorerbin ein.

Das Berufungsgericht entschied, dass der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch durchsetzen könne, obwohl die behinderte Tochter auf ihren Pflichtteil verzichtet hatte.

Es hielt die Pflichtteilssanktion im Testament für wirksam, erkannte jedoch nicht, dass die Durchsetzung des Anspruchs

durch den Kläger gegen den Willen der Tochter eine unzulässige Überleitung des Ausschlagungsrechts darstellte.

Der BGH entschied, dass der Kläger berechtigt sei, den Pflichtteilsanspruch gerichtlich durchzusetzen, weil der Überleitungsbescheid wirksam sei.

Die Pflichtteilssanktion sei wirksam, schließe jedoch den Sozialhilfeträger nicht aus.

Der BGH verwies die Sache zurück, um die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu klären.

Allgemein:

BGH IV ZR 235/03

Die Geltendmachung übergeleiteter Pflichtteilsansprüche durch Sozialhilfeträger ist ein komplexes Thema im Schnittfeld von Erbrecht und Sozialrecht. Hier ein Überblick:

Grundlagen:

  • Pflichtteil: Der Pflichtteil ist ein gesetzlich festgelegter Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen (z.B. Kindern, Ehegatten) zusteht, auch wenn der Erblasser sie im Testament enterbt hat.
  • Sozialhilfe: Sozialhilfe ist eine staatliche Leistung für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.
  • Überleitung von Ansprüchen: Nach § 93 SGB XII kann der Sozialhilfeträger Ansprüche des Leistungsberechtigten auf sich überleiten, wenn dies zur Sicherung der Sozialhilfe notwendig ist. Dazu gehören auch Pflichtteilsansprüche.

Voraussetzungen für die Überleitung:

  • Der Sozialhilfeempfänger hat einen Pflichtteilsanspruch.
  • Die Geltendmachung des Anspruchs ist zur Deckung des Lebensunterhalts erforderlich.
  • Der Sozialhilfeempfänger ist nicht in der Lage, den Anspruch selbst geltend zu machen (z.B. wegen fehlender finanzieller Mittel für einen Anwalt).

BGH IV ZR 235/03

Verfahren:

  • Der Sozialhilfeträger muss den Anspruch gegenüber dem Erben geltend machen.
  • Der Erbe kann dem Anspruch widersprechen, z.B. wenn er die Höhe des Anspruchs bestreitet oder Einwendungen gegen den Anspruch erhebt (z.B. Verjährung).
  • Im Streitfall kann der Sozialhilfeträger Klage beim zuständigen Gericht erheben.

Besonderheiten:

  • Der Sozialhilfeträger ist nicht verpflichtet, den übergeleiteten Anspruch geltend zu machen. Er hat ein Ermessen, ob er den Anspruch verfolgt oder nicht.
  • Der Sozialhilfeempfänger kann den übergeleiteten Anspruch nicht mehr selbst geltend machen.
  • Die Durchsetzung des Anspruchs kann schwierig sein, wenn der Erbe nicht kooperativ ist oder der Nachlass überschuldet ist.

Rechtliche Grundlagen:

  • § 93 SGB XII (Überleitung von Ansprüchen)
  • §§ 2303 ff. BGB (Pflichtteil)

Zusätzliche Hinweise:

  • Es ist ratsam, sich in dieser Angelegenheit von einem Fachanwalt für Erbrecht oder Sozialrecht beraten zu lassen.
  • Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist komplex und im Einzelfall kann es zu unterschiedlichen Auslegungen kommen.

Beispiel:

Ein Sozialhilfeempfänger erfährt, dass sein Vater verstorben ist und ihn enterbt hat.

Ihm steht jedoch ein Pflichtteilsanspruch zu.

Da er die Kosten für einen Anwalt nicht aufbringen kann, kann der Sozialhilfeträger den Anspruch auf sich überleiten und gegenüber dem Erben geltend machen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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