Gemeinsame Hausfinanzierung und Insolvenz des Ehemanns
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juli 2025 – IX ZR 108/24
LG Trier, Urteil vom 09.06.2023 – 5 O 330/22
OLG Koblenz, Urteil vom 12.07.2024 – 16 U 886/23
Hier ist eine Zusammenfassung des Sachverhalts und der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur gemeinsamen Hausfinanzierung bei späterer Insolvenz eines Ehegatten
Stellen Sie sich eine Familie vor, in der ein Ehepartner (der Mann) der Alleingärtner ist und der andere (die Frau) sich hauptsächlich um den Haushalt und die Kinder kümmert. Die Eheleute kaufen gemeinsam ein Haus, das sie zu gleichen Teilen besitzen, und nehmen dafür einen gemeinsamen Kredit (Darlehen) auf. Sie vereinbaren, dass der Mann die gesamten Kreditraten – also Zinsen und Tilgung – aus seinem Einkommen zahlt.
Wenn der alleinverdienende Ehemann später insolvent wird, stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter dieses Geld von der Ehefrau zurückfordern kann. Der Insolvenzverwalter vertritt die Gläubiger des Mannes und will so viel Vermögen wie möglich für die Begleichung der Schulden des Mannes sichern.
Das deutsche Insolvenzrecht erlaubt es dem Insolvenzverwalter, bestimmte Zahlungen oder Vermögensübertragungen, die kurz vor der Insolvenz getätigt wurden, anzufechten und zurückzufordern. Dies ist vor allem bei sogenannten „unentgeltlichen Leistungen“ der Fall, die oft als „Geschenke“ oder Zuwendungen ohne echte Gegenleistung verstanden werden.
Der Insolvenzverwalter klagt gegen die Ehefrau auf Erstattung der Hälfte der Darlehensraten, die der Ehemann in den vier Jahren vor seiner Insolvenz gezahlt hat. Er argumentiert, dass diese Zahlungen eine unentgeltliche Leistung an die Ehefrau waren, weil sie dadurch von ihrer eigenen Kreditverpflichtung befreit wurde und ihr Miteigentumsanteil am Haus wertvoller (lastenfrei) wurde.
Der BGH musste klären, welche Teile der Zahlungen als entgeltlich (mit Gegenleistung, also nicht anfechtbar) und welche als unentgeltlich (ohne Gegenleistung, also anfechtbar) anzusehen sind.
Zweck: Die Zinsen sind vergleichbar mit der Miete für das Wohnen im Haus. Sie dienen dazu, den laufenden Wohnbedarf der Familie zu decken.
Der Ehemann ist gesetzlich zum Familienunterhalt verpflichtet. Die Deckung der Wohnkosten gehört zum Unterhalt. Die Befreiung der Ehefrau von diesen laufenden Kosten ist daher eine unterhaltsrechtlich geschuldete, und somit entgeltliche Leistung.
Der Insolvenzverwalter kann die Hälfte der gezahlten Zinsen nicht von der Ehefrau zurückfordern.
Die Tilgung dient nicht dem laufenden Wohnbedarf, sondern der Vermögensbildung – das Haus wird nach und nach schuldenfrei und damit wertvoller.
Der gesetzliche Familienunterhalt umfasst in der Regel keine Ansprüche auf Vermögensbildung (wie den Erwerb von Wohneigentum). Obwohl die Eheleute vereinbart hatten, dass der Mann zahlt, um die Frau für ihre Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu „entlohnen“ (sogenannte ehebedingte Zuwendung), gilt diese Leistung im Insolvenzrecht trotzdem als unentgeltlich.
Die Haushaltsführung und Kindererziehung sind die gesetzliche Pflicht der Ehefrau zum Familienunterhalt und werden nicht als finanzielle Gegenleistung für die Vermögensbildung angesehen.
Die Vermögensmehrung auf Seiten der Ehefrau durch die Tilgung (lastenfreies Eigentum) erfolgte, ohne dass der Ehemann eine echte Gegenleistung von ihr erhielt, die seine Gläubiger hätte entschädigen können.
Der Insolvenzverwalter kann die Hälfte der gezahlten Tilgungsraten von der Ehefrau zurückfordern, da diese das Vermögen der Ehefrau zu Lasten der Gläubiger des Mannes vergrößert haben.
Der BGH bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts:
Die Ehefrau muss die Hälfte der vom Ehemann gezahlten Tilgungsraten zurückzahlen, weil diese Zahlungen unentgeltliche, anfechtbare Leistungen zur Vermögensbildung waren. Die Zinszahlungen hingegen waren zur Deckung des unterhaltsrechtlich geschuldeten Wohnbedarfs notwendig und daher nicht anfechtbar.
Bei gemeinsamer Hausfinanzierung und unterschiedlicher Einkommensverteilung muss im Falle einer späteren Insolvenz eines Partners sehr genau unterschieden werden, ob eine Zahlung dem laufenden Unterhalt (Zinsen, Reparaturen) oder der Vermögensbildung (Tilgung) diente. Zahlungen zur Vermögensbildung, die nur von einem Partner geleistet werden, können im Insolvenzfall des Zahlenden als „Geschenk“ gewertet und vom anderen Partner zurückgefordert werden.
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