Gemeinsames Testament – mehrere Testamente – Erbscheinsverhandlung – KG 6 W 87/15

Oktober 2, 2020

Gemeinsames Testament – mehrere Testamente – Erbscheinsverhandlung – KG 6 W 87/15

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Hintergrund des Falls
    • Beteiligte Personen und deren Rollen
    • Überblick über die rechtliche Problematik
  2. Tenor
    • Beschluss des Kammergerichts zur Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Lichtenberg
    • Rückverweisung zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde
  3. Sachverhalt
    • Übersicht der familiären Verhältnisse des Erblassers
    • Darstellung der verschiedenen Testamente und deren Inhalte
      • Gemeinsames Testament vom 3. November 1971
      • Notarielles Testament vom 26. Oktober 2012
      • Handschriftliches Testament vom 10. Februar 2013
    • Eheschließungen und Todesfälle der Ehepartner
  4. Erbscheinsverhandlung und Entscheidungen der Vorinstanzen
    • Antrag auf Erteilung des Erbscheins durch den Beteiligten zu 1
    • Erteilung des Erbscheins durch das Nachlassgericht
    • Einziehung des Erbscheins durch das Amtsgericht Lichtenberg
    • Begründung des Amtsgerichts zur Einziehung des Erbscheins
  5. Rechtliche Grundlagen und Fragestellungen
    • Bedeutung und Rechtswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten
    • Widerruf und Aufhebung von Testamenten nach den §§ 2254, 2258 BGB
    • Wechselbezüglichkeit von Verfügungen gemäß § 2270 BGB
    • Wiederverheiratungsklausel und deren Auswirkungen auf die Testierfreiheit
  6. Entscheidung des Kammergerichts
    • Begründung der Beschwerde des Beteiligten zu 1
    • Prüfung der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 3. November 1971
    • Feststellungen zur Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung
    • Auswirkungen der Wiederverheiratungsklausel auf die Erbfolge
    • Rechtliche Bewertung des Testaments vom 10. Februar 2013
  7. Rechtliche Würdigung und Schlussfolgerungen
    • Bewertung der Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins
    • Rechtsfehlerhafte Einziehung des Erbscheins durch das Amtsgericht
    • Bestätigung der Testierfreiheit des Erblassers aufgrund der Wiederverheiratungsklausel
  8. Kostenentscheidung
    • Verteilung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten
    • Keine Notwendigkeit einer Kostenentscheidung und Wertfestsetzung
  9. Schlussfolgerung und Ausblick
    • Bestätigung der Erbfolge gemäß dem Testament vom 10. Februar 2013
    • Weiteres Vorgehen im Verfahren und mögliche Implikationen

Gemeinsames Testament – mehrere Testamente – Erbscheinsverhandlung – KG 6 W 87/15

Der vorliegende Fall, entschieden vom Kammergericht Berlin, illustriert die vielschichtigen Herausforderungen,

die sich bei der Auslegung von Testamenten, insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten und dem Zusammentreffen mehrerer Testamente, stellen können.

Im Zentrum steht die Frage nach der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments und den Möglichkeiten seiner Abänderung, insbesondere im Lichte einer Wiederverheiratungsklausel.

Ausgangslage:

Ein Erblasser und seine erste Ehefrau errichteten 1971 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und ihren gemeinsamen Sohn als Schlusserben bestimmten.

Für den Fall einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten sahen sie vor, dass der Sohn sofort seinen gesetzlichen Erbteil erhalten sollte.

Nach dem Tod der ersten Ehefrau heiratete der Erblasser zweimal wieder.

2012 errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seinen Pflegebruder als Alleinerben einsetzte und seinen Sohn auf den Pflichtteil beschränkte.

Gemeinsames Testament – mehrere Testamente – Erbscheinsverhandlung – KG 6 W 87/15

2013 verfasste er ein handschriftliches Testament, in dem er alle vorherigen Testamente für ungültig erklärte und erneut seinen Pflegebruder als Erben einsetzte.

Rechtsstreit:

Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Pflegebruder einen Erbschein, der ihm auch erteilt wurde.

Der Sohn des Erblassers focht dies an, da er der Ansicht war, dass die Erbfolge durch das gemeinschaftliche Testament von 1971 geregelt sei.

Das Amtsgericht gab dem Sohn Recht und zog den Erbschein ein.

Dagegen legte der Pflegebruder Beschwerde beim Kammergericht ein.

Entscheidung des Kammergerichts:

Das Kammergericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und bestätigte die Gültigkeit des handschriftlichen Testaments von 2013.

Zentrale Punkte der Urteilsbegründung:

Gemeinsames Testament – mehrere Testamente – Erbscheinsverhandlung – KG 6 W 87/15

  • Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente: Grundsätzlich bindet ein gemeinschaftliches Testament den überlebenden Ehegatten. Diese Bindungswirkung gilt jedoch nicht absolut, sondern kann unter bestimmten Voraussetzungen entfallen.
  • Wechselbezüglichkeit von Verfügungen: Eine Bindungswirkung besteht nur, wenn die Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich sind, d.h. wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. Im vorliegenden Fall war dies nicht der Fall, da die Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe nicht von der wechselseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten abhängig war.   
  • Wiederverheiratungsklausel: Die im gemeinschaftlichen Testament enthaltene Wiederverheiratungsklausel hatte zur Folge, dass der Erblasser im Falle einer Wiederverheiratung von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments befreit wurde. Durch die Wiederverheiratung erlangte er seine Testierfreiheit zurück und konnte die Erbfolge neu regeln.
  • Gültigkeit des handschriftlichen Testaments: Das handschriftliche Testament von 2013 war wirksam und entsprach den Formerfordernissen. Der Erblasser hatte darin seinen letzten Willen eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Fazit:

Der Fall KG 6 W 87/15 verdeutlicht die Komplexität erbrechtlicher Fragestellungen und die Bedeutung einer sorgfältigen Testamentsgestaltung.

Insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten ist es wichtig, die Bindungswirkung und die Möglichkeiten ihrer Abänderung klar zu regeln.

Die Entscheidung des Kammergerichts unterstreicht die Testierfreiheit des Erblassers und bestätigt, dass er auch nach Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments die Möglichkeit hat,

seinen letzten Willen zu ändern, insbesondere im Falle einer Wiederverheiratung.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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