Brandenburgisches OLG 10 U 35/97

November 29, 2020

Gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Pflegesohns zum Schlußerben – Brandenburgisches OLG 10 U 35/97

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Eine Erblasserin und ihr Ehemann hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet,

in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten und den Pflegesohn der Ehefrau als Schlusserben einsetzten.

Der Ehemann verstarb zuerst.

Anschließend übertrug die Erblasserin ihr Hausgrundstück auf eine Bekannte.

Nach dem Tod der Erblasserin verlangte der Pflegesohn die Herausgabe des Grundstücks.

Er argumentierte, dass die Übertragung eine beeinträchtigende Schenkung sei, da die Erblasserin ihn als Schlusserben habe enterben wollen.

Entscheidung des Brandenburgischen OLG:

Gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Pflegesohns zum Schlußerben – Brandenburgisches OLG 10 U 35/97

Das OLG wies die Klage des Pflegesohnes ab.

Die Übertragung des Grundstücks stelle keine beeinträchtigende Schenkung dar.

Begründung:

Das OLG führte aus, dass die Voraussetzungen für einen Herausgabeanspruch gemäß § 2287 BGB nicht vorliegen.

Zwar sei diese Vorschrift, die eigentlich nur für den Erbvertrag gilt, auch auf die nach dem ersten Erbfall unwiderruflich gewordenen

wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten entsprechend anzuwenden.

Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an der Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Klägers als Schlusserben.   

Zentrale Argumente des Gerichts:

Gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Pflegesohns zum Schlußerben – Brandenburgisches OLG 10 U 35/97

  • Keine Wechselbezüglichkeit: Wechselbezüglich sind Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nur dann, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Im vorliegenden Fall habe der Ehemann die Erblasserin nicht deshalb als Erbin eingesetzt, weil diese den Kläger als Schlusserben eingesetzt habe. Vielmehr habe der Ehemann kein nennenswertes Vermögen besessen und wollte seiner Ehefrau die Möglichkeit belassen, nach seinem Tod frei über ihr Vermögen zu verfügen.
  • Kein Näheverhältnis: Auch die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB führe zu keinem anderen Ergebnis.
  • Danach ist Wechselbezüglichkeit im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
  • Im vorliegenden Fall habe aber kein Näheverhältnis zwischen dem Pflegesohn und dem Ehemann bestanden.   
  • Lebzeitiges Eigeninteresse: Das OLG ließ die Frage offen, ob die Erblasserin an der Schenkung ein lebzeitiges Eigeninteresse hatte.
  • Dies wäre der Fall gewesen, wenn die Bekannte eine angemessene Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks erbracht hätte.
  • Nach dem Vortrag der Beklagten hatte sie sich verpflichtet, die Erblasserin im Falle der Pflegebedürftigkeit zu pflegen.

Gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Pflegesohns zum Schlußerben – Brandenburgisches OLG 10 U 35/97

Fazit:

Das Brandenburgische OLG hat entschieden, dass die Übertragung des Grundstücks keine beeinträchtigende Schenkung darstellt,

da die Einsetzung des Pflegesohnes als Schlusserbe nicht wechselbezüglich mit der Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann war.

Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer beeinträchtigenden Schenkung im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments eng auszulegen sind.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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