geringerer Freibetrag bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht

August 4, 2017

geringerer Freibetrag bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht

BFH II R 56/03

Urteil vom 21.9.2005

§ 16 II ErbStG, der bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht geringeren Freibetrag als bei unbeschränkter Steuerpflicht vorsieht, verstößt nicht gegen Art. 3 I GG

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Der BFH entschied, dass die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG, die bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht einen geringeren Freibetrag als bei unbeschränkter Steuerpflicht

vorsieht, nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Es muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob die Anwendung dieser Regelung mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Sachverhalt:

Eine in Österreich lebende deutsche Staatsbürgerin erbte von ihrem ebenfalls in Österreich lebenden Ehemann u.a. ein in Deutschland belegenes Grundstück.

Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest und gewährte lediglich den niedrigeren Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG für beschränkt Steuerpflichtige.

Die Klägerin argumentierte, dass ihr der höhere Freibetrag für unbeschränkt Steuerpflichtige zustehe und die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG verfassungswidrig sei.

Rechtliche Würdigung:

Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück, hob aber das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur weiteren Prüfung an das Finanzgericht zurück.

Die Begründung des BFH lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Beschränkte Steuerpflicht: Da weder die Klägerin noch ihr Ehemann in Deutschland ansässig waren, unterlag nur das in Deutschland belegene Grundstück der Erbschaftsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).
  • Freibeträge: Nach § 16 ErbStG gibt es unterschiedliche Freibeträge für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige.

geringerer Freibetrag bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht

  • Verfassungsgemäßigkeit: Der BFH entschied, dass die unterschiedlichen Freibeträge nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen.
    • Es bestehe ein sachlicher Unterschied zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen, da bei ersteren nur das Inlandsvermögen besteuert wird.
    • Der Zweck der Freibeträge sei die Berücksichtigung des persönlichen Verhältnisses zum Erblasser, was am besten im Wohnsitzstaat möglich sei.
    • Die Regelung sei auch dann nicht zu beanstanden, wenn der Schwerpunkt des Vermögens im Inland liege, da der Gesetzgeber vereinfachende Regelungen treffen dürfe.
  • Europarecht: Der BFH stellte fest, dass die Anwendung des § 16 Abs. 2 ErbStG im Einzelfall gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen kann.
    • Der EuGH habe entschieden, dass auch nationale Regelungen zur Erbschaftsteuer mit den Grundfreiheiten des EGVtr vereinbar sein müssen.
    • Nach der EuGH-Rechtsprechung seien Differenzierungen nach dem Wohnsitz bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage und der Steuersätze grundsätzlich nicht zulässig.
    • Bei Regelungen zur Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse könnten jedoch Unterschiede zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden gerechtfertigt sein.
    • Dies gelte aber nicht, wenn nahezu das gesamte Vermögen im Staat der beschränkten Steuerpflicht liege.
  • Zurückverweisung: Da das Finanzgericht keine Feststellungen zum Wert des Gesamtnachlasses und seiner Verteilung auf die verschiedenen Staaten getroffen hatte, verwies der BFH die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück.
  • Hinweise für das weitere Verfahren: Der BFH gab dem Finanzgericht Hinweise zur Anwendung der EuGH-Rechtsprechung und zur Ermittlung des Vermögens der Klägerin.
    • Es müsse geprüft werden, ob der Wohnsitzstaat die persönlichen Verhältnisse ausreichend berücksichtigen könne.
    • Die Klägerin müsse Nachweise über ihr Vermögen vorlegen.
    • Es bestehe die Möglichkeit, im Wege der Amtshilfe Auskünfte von den österreichischen Steuerbehörden einzuholen.

Fazit:

geringerer Freibetrag bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht

Das Urteil des BFH bestätigt die Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Freibeträge für beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige.

Es betont aber auch die Bedeutung des europäischen Gemeinschaftsrechts und die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Prüfung.

Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Erbschaftsteuerpraxis in Deutschland, insbesondere in Fällen mit Auslandsbezug.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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